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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0455

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Einleitung.

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wohnlichen vulcentischen und schliesst sich vielmehr den grossgriechischen an,
sowohl in der Zeichnung, namentlich der Gewänder, als in der ganzen Erfin-
dung der Figuren, ihren Stellungen und ihrem Ausdruck. Es kehren also auch
hier ähnliche Eigentümlichkeiten, wie bei anderen Beispielen des Imperfectum
wieder. Was aber noch wichtiger ist: auch neben dem Namen des Pheidippos
mit 'iyQa.<f'£ erscheint auf derselben Vase der des Hischylos mit dem Aorist
hnoirjoe: so dass also in der Verbindung der beiden Tempora auf der Schale
des Aristophanes nicht sowohl ein Versehen als ein besonderer Sprachgebrauch
anzuerkennen sein möchte.

Die Thatsache, dass das Imperfectum nur auf Vasen des entwickeltsten
oder eines mit Bewusstsein nachgeahmten Styls sich findet, lässt sich also nicht
wegläugnen; und es wird wenig fruchten, sie im Einzelnen beschränken zu
wollen. Sie mag gegenüber der jetzt ziemlich allgemein angenommenen Theorie
der Chronologie der Vasenmalerei mindestens unbequem erscheinen; aber wir
dürfen über ihre Bedeutung die Augen nicht verschliessen. Sie ist weitgreifen-
der, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Denn sie beschränkt
sich nicht auf die wenigen Vasen, auf denen sich wirklich das Imperfectum
findet, sondern sie erstreckt sich ausserdem auf alle Vasen der Künstler, die
auch nur ein einziges Mal das Imperfectum angewendet haben; sodann aber
auch auf alle Werke derjenigen Künstler, welche mit den genannten in irgend
■einer Geineinschaft stehen, also vor allem auf die Sippschaft des Hischylos,
Epiktetos, Sakonides. Wäre es ferner sicher, dass der Name des Amasis sich
wirklich auf einer Vase mit rothen Figuren, der des Kachrylion auf einer Vase
mit schwarzen Figuren fände, so würden nicht nur sie, sondern auch Kleophra- 65S
des, Euphronios und Onesimos unter die Kategorie der Künstler fallen, die in
einem nachgeahmten Style arbeiteten. Indessen, sind wir einmal so weit vor-
geschritten, so kann es auf einzelne Namen kaum noch ankommen; vielmehr
drängt sich uns die Frage auf, wie sich diese gesammte Kategorie zu der üb-
rigen Masse verhalte? Ich gestehe, dass ich, nach Ausscheidung des Unteritali-
schen und bis auf einige weitere Ausnahmen keinen irgend wesentlichen Unter-
schied aufzufinden vermag, der eine bestimmte historische Unterscheidung be-
gründen könnte. Hierbei darf noch ein anderer Punkt nicht ausser Betracht
gelassen werden: vergleichen wir die Paläographie der aus Etrurien stammen-
den Künstlerinschriften neben schwarzen, wie neben rothen Figuren, mögen sie
mit dem Aorist oder Imperfectum verbunden sein, so finden wir auch hier kaum
irgend eine merkliche Verschiedenheit (vgl. Jahn S. 169 und 187), während ge-
rade in der Zeit, in welcher wir den ursprünglichen Uebergang aus dem einen
in den andern Styl anzunehmen geneigt sind, auch in paläographischer Bezie-
hung mannigfacher Wechsel eintrat: also auch hier werden wir zu der Annahme
geführt, dass die Paläographie nicht sowohl eine originale, als eine conventio-
nelle sei.

Eine Erklärung der hier berührten Thatsachen hat allerdings Jahn (S. 175 ff.)
versucht, indem er annahm, dass in der Epoche des Ueberganges beide Styl-
arten zu gleicher Zeit und neben einander geübt worden seien. Allein, wenn
dies bis zu einem gewissen Grade zugegeben werden mag, so hat doch gerade
die Zusammenstellung beider Stylarten auf einer und derselben Vase etwas Ge-
 
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