MEISTER CHRISTLICHER KUNST Mö
11
MATTHÄUS SCHIESTL
ALBRECHT DÜRER ALS KNABE
Münchener Jahresaussteilung im Glaspalast 1904
Bild ganz anders im Raume erfaßt, wie er
alles, auch die leblose Natur durchfühlt, so
echt menschlich und damit so innig warm, so
recht treuherzig erfaßt. (Beil. u. Abb. S. 1.)
An dem Bilde der Beweinung des Leichnams
Christi von 1500 in der Pinakothek ist die
Zeit keineswegs spurlos vorübergegangen, auch
ist es wohl möglich, daß Dürer das Werk
nicht eigenhändig vollendete; aber es ist doch
ein bedeutendes Werk und vor allem inter-
essant dadurch, daß gerade der Kernpunkt
Dürerscher Kunst, das tiefe, seelenvolle Er-
fassen hier eigenartig hervortritt. Nebenscenen,
welche die älteren Meister hier so gerne
brachten, sind völlig weggelassen. Den Hinter-
grund bildet eine einfache Landschaft, von
der linken Seite ziehen schwere Wolken
herein, um die düstere Stimmung anzudeuten,
die dem erschütternden Ereignisse entspricht,
das sich im Vordergründe abspielt. Der
Leichnam Christi wird hier von Joseph von
Arimathia auf das Bahrtuch gelegt, dessen
Ende der tiefbewegte Nicodemus hält. Still
betet Maria, die Mutter des Herrn, während
Magdalena die Hand des geliebten Lehrers
ergreift, aber erstarrt, als sie an die Wunde
kommt, die der Nagel geschlagen. Martha
schreit zum Himmel um Rache, während
Johannes im Gebete nach Fassung ringt.
Wie verschieden der Schmerz je nach ihrer
Art die Einzelnen ergreift, das vor allem er-
faßt Dürer, der so tief in unser seelisches
Leben blickt. (Abb. S. 9.)
(Fortsetzung folgt.)
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MATTHÄUS SCHIESTL
ALBRECHT DÜRER ALS KNABE
Münchener Jahresaussteilung im Glaspalast 1904
Bild ganz anders im Raume erfaßt, wie er
alles, auch die leblose Natur durchfühlt, so
echt menschlich und damit so innig warm, so
recht treuherzig erfaßt. (Beil. u. Abb. S. 1.)
An dem Bilde der Beweinung des Leichnams
Christi von 1500 in der Pinakothek ist die
Zeit keineswegs spurlos vorübergegangen, auch
ist es wohl möglich, daß Dürer das Werk
nicht eigenhändig vollendete; aber es ist doch
ein bedeutendes Werk und vor allem inter-
essant dadurch, daß gerade der Kernpunkt
Dürerscher Kunst, das tiefe, seelenvolle Er-
fassen hier eigenartig hervortritt. Nebenscenen,
welche die älteren Meister hier so gerne
brachten, sind völlig weggelassen. Den Hinter-
grund bildet eine einfache Landschaft, von
der linken Seite ziehen schwere Wolken
herein, um die düstere Stimmung anzudeuten,
die dem erschütternden Ereignisse entspricht,
das sich im Vordergründe abspielt. Der
Leichnam Christi wird hier von Joseph von
Arimathia auf das Bahrtuch gelegt, dessen
Ende der tiefbewegte Nicodemus hält. Still
betet Maria, die Mutter des Herrn, während
Magdalena die Hand des geliebten Lehrers
ergreift, aber erstarrt, als sie an die Wunde
kommt, die der Nagel geschlagen. Martha
schreit zum Himmel um Rache, während
Johannes im Gebete nach Fassung ringt.
Wie verschieden der Schmerz je nach ihrer
Art die Einzelnen ergreift, das vor allem er-
faßt Dürer, der so tief in unser seelisches
Leben blickt. (Abb. S. 9.)
(Fortsetzung folgt.)