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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Wolter, Franz: Franz von Lenbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0257

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FRANZ VON LENBACH

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welche er unendlich liebte. Überhaupt eine
objektive Richtigkeit des Urteils in dieser
Beziehung von einer Individualität fordern,
hieße sie verleugnen, und gelogen hätte
Lenbach, wenn er seinen großen Antipoden
Uhde, den er nicht verstehen konnte, gelobt
oder anerkannt hätte. Die alten Meister ver-
stand er und seine Kennerschaft von alten
Gemälden war sehr groß. Das Entschei-
dende war jedoch dabei, daß er das Kunst-
werk als zweckdienendes und schmückendes
Objekt betrachtete, welches im architekto-
nischen Rahmen sich eingliedern müsse.
Welch feines Gefühl er dafür besaß, bewies
sein Ausspruch, als er einmal ein Gemälde
der niederländischen Schule aus dem 15. Jahr-
hundert erwarb, das er sehr schätzte.
»Sehen Sie, das Bild ist so architektonisch
ernst, so feierlich, daß es nur in eine Kapelle,
eine Kirche paßt. Man müßte das Bild wieder
zum Altar umwandeln, zu dem es gehört
hat. An die alten deutschen Meister, vor
allen an van Eyck und Memling, dann an
Dürer, Holbein sollte die

konnte, sind wir ja alle Dilettanten, aber
für die Kirche paßt das gar nicht.« In
diesen Worten offenbarte Lenbach, der der
religiösen Kunst fernstand, einen mehr ob-
jektiven, besser gesagt modernen, zeitgemäßen
Geschmack. Denn Rubens’ Kunst, so viel
man auch darüber gestritten hat und noch
streiten mag, war wohl eine kirchliche,
jedoch für das 17. Jahrhundert und in dem
katholischen Geist jener Zeit geschaffen, die
eine glänzende, prächtige, triumphierende
Kunst, wenn auch eine mehr äußerliche als
innerliche bedurfte. Heute aber, wenn nicht
alles trügt, stehen wir nicht allein mit un-
serer kirchlichen, religiösen Anschauung dem
Geiste des 14. und 15. Jahrhunderts näher
als dem 17., sondern auch mit der profan
modernen. Dies auf die tiefer liegenden
Gründe zu betrachten, gehört nicht hierher;
interessant war nur, wie Lenbach ganz objektiv
zu dieser oft erörterten Frage Stellung nahm.
Mit Kunstschätzen und Kostbarkeiten der
Alten hatte sich Lenbach umgeben, an diesen

deutsche Kunst wieder an-
knüpfen, sie würde auf
einen richtigeren Weg
kommen und ja doch wie-
der, wenn auch unbewußt,
Neues, Eigenartiges in die
Kunst hineintragen. Die
Farbenpracht dieser Mei-
ster, die dekorativ künst-
lerische Wirkung ihrer
Werke ist vorbildlich.«
Mit diesen Worten stellte
er eine Madonna mit dem
Jesuskinde, anscheinend
aus der Zeit Rogiers van
der Weyden, neben seine
Bildnisse, die am Boden
standen und sagte: »So
etwas kann ich in der
Farbe nicht erreichen, aber
— ich will dies auch nicht,
ich bezwecke jamitmeinen
Porträts etwas anderes.«
Dann wieder auf das Ma-
donnenbild hinblickend,
fuhr er fort: »Rubens ist,
so sehr ich den Meister
schätze, kein Künstler für
die Kirche gewesen. Ich
habe einmal in Köln in
einer Kirche die Kreuzi-
gung Petri gesehen, die
war famos, gegen so einen
Meister, der das schaffen


FRANZ VON LENBACH BILDNIS SEINER TOCHTER GABRIELE
Photographien erlag von Franz Hanfstaengl, München

Die christliche Kunst I. 10.

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