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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915

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Heft 7/8
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Singer, Hans Wolfgang: Ausstellung von Werken aus der Sammlung Czartoryski in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0153

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ÄUSSTELLUNG VON WERKEN ÄUS DER
SÄMMLUNG CZHRTORYSKI IN DRESDEN

Mit 8 Abbildungen Von HANS W. SINGEH

♦ ♦

Uber den Wert der Schäle, die [ich in den Sammlungen Czartorgski befinden, ift
wohl durch einzelne Glückliche, die fie in Augenfehein nehmen konnten, gelegent-
lich einige Kunde zu uns gedrungen, der großen Mehrzahl der Kunftintereffenten aber
ift er noch ziemlich unbekannt geblieben. Kann man doch fagen, daß neuerdings
fchon Dresden fo ungefähr die Oftgrenze des Reifegebietes für die überwiegende Zahl
aller Kunfthiftoriker bildet.

So ift es als eine fehr erfreuliche Tat zu begrüßen, daß Fürft und Fürftin Czar-
toryski fich entfchloffen haben, einem größeren Kreis von Liebhabern ihre Schäße zu-
gänglich zu machen, indem fie einen Teil der Hauptftücke wenigftens auf einige Zeit
zur Ausftellung nach Dresden brachten.

Werke der Kleinkunft, des monumentalen Kunftgewerbes, der Teppichweberei und
der Malerei find aus Krakau, fowie aus dem Schloß Goluchow (nahe Plefchen im
Pofenfchen) hergefchickt worden. Die wenigen Äuserwählten, denen es vergönnt
worden ift, das leljtgenannte Schloß zu befuchen, fprechen von ihm, wie von einer
Feenfchöpfung, und fchon aus den photographifchen Aufnahmen (von denen viele jeßt
in Dresden mit ausgeftellt wurden) kann man erkennen, daß es fich um eins der aller-
bedeutendften Privatmufeen, die es heute noch gibt, handelt.

„Das erfte fteinerne Schloß an diefer Stätte“, fchreibt mir Herr Dr. Pajzderski, der
zurzeit dort die Kunftfchätje verwaltet, „ift unter dem Wojwoden Raphael Leczcynski
in der Mitte des 16. Jahrhunderts errichtet worden. Sein Sohn Wenzel fügte um 1600
einen dreiflügeligen Komplex dem Bau hinzu. Aus diefen frühen Perioden haben fich
nur wenige Refte — Tür- und Fenfterumrahmungen, Kamine mit alten Wappen — er-
halten. Schon im Laufe des 17. Jahrhunderts aber hat das Schloß viel gelitten, und war
um 1800 herum bereits eine Ruine. Im Jahre 1854 erwarb Graf Johann Dzialynski das
Schloß. Diefer heiratete die Prinzeffin Ifabella Elifabeth Czartoryska, die mit den Jahren
Befißerin und eigentliche Schöpferin des Kunftmufeums in feiner jeßigen Geftalt wurde.“
„Sie“, fährt Herr Dr. Pajzderski fort, „vollführte eine gründliche Renovation und
zum großen Teil einen Umbau des verfallenen Schloff es. Der erfte einheitliche Plan
des Architekten Sigismund Gorgolewski wurde nur zum Teil ausgeführt; an der Arbeit
waren verfchiedene franzöfifche Architekten befchäftigt, vorwiegend Architekt Ouradon.
Das Schloß erhielt den Charakter der franzöfifchen Renaiffance. Es wurden ver-
fchiedene Motive den Schlöffern in St. Germain en Laye, in Blois und Chambord, dem
Rathaus in Beaugency, der Kathedrale in Limoges entlehnt, welche in Goluchow an
Ort und Stelle von franzöfifchen Bildhauern mit Hilfe einheimifcher Kräfte ausgeführt
wurden. Die künftlerifche Aufficht des ganzen Umbaus, der zwifchen den Jahren
1875—1882 vollführt wurde, ruhte in den Händen der kunftliebenden Gräfin felbft,
die in den leßten Jahren des 19. Jahrhunderts aus den Gütern Goluchow famt den
Kunftfchätjen ein Fideikommiß der fürftlichen Familie Czartoryski geftiftet hatte. Die
jetzigen Befißer des Schloffes Goluchow find Fürft Adam Czartoryski, ein Neffe der
verftorbenen Stifterin, und Marie Louife, geb. Gräfin Krafinska, denen auch das be-
kannte Czartoryski-Mufeum in Krakau gehört.“

„Die Kunftfchäße in Goluchow gehören zu den reichften Privatfammlungen der Welt.
Neben einer hervorragenden Sammlung griechifcher Vafen, Terrakotten, Keramik ver-
fchiedener Länder, einer ausgefuchten Kupferftich- und Stofffammlung, Goldfchmiede-

Der Cicerone, VII. Jahrg., Heft 7/8

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