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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 9
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Schneid, Otto: Amédée Ozenfant, der Maler des Purismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0280

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Abb. 1. Amedee Ozenfant Komposition. 1919

AMEDEE OZENFANT / DER MALER DES

PURISMUS VON OTTO SCHNEID

Seit der Bereicherung unserer Kenntnis vom Wesen des Künstlerischen, die wir Wor-
ringers »Abstraktion und Einfühlung« verdanken, kennen wir neben dem Trieb, sich
selbst darzustellen, auch einen andern, den der Selbstentäußerung. Aber die großen
Tatsachen in der Weltgeschichte der Kunst führen uns weiter. Wie jede Ausdrucks-
kunst subjektiv ist, ob sie nun gegenständlich sei wie die der alten Meister oder gegen-
standslos wie die »absolute Malerei« des radikalen Expressionismus, indem sie dem
Geltungsbedürfnis der Persönlichkeit entspringt, so ist nicht allein in der abstrahieren-
den Ornamentik, sondern auch in einem besonderen Verhalten zum Gegenstand ein
entgegengesetztes Bedürfnis erkennbar, das nach Selbstüberwindung, nach Hingabe an
ein Über-Ich. Diese im eigentlichen Sinne des Wortes objektive Kunst führte im Osten
Asiens zu einer einzigartigen Versenkung in Tier und Pflanze, die durch das Motiv der
»Einfühlung« nicht erklärbar ist; im Westen Europas hat dieses Verhalten eine in der
Form von jener freilich grundverschiedene Verkörperung im Purismus gefunden.

Das Ausdrucksbedürfnis ergab naturgemäß Deformationen jedenGrades bis zur völligen
Entwirklichung der Erscheinung: so mußte anderseits der W Tille zum Objekt Klärung,
Durchgeistigung und höhere Gesetzmäßigkeit der Form bringen, Werte, um die die
Kunst unserer Zeit in die ideale Schule des Kubismus gehen mußte. Wie keine künst-
lerische Gesinnung vor ihm, erhob der Kubismus die Form zum Prinzip, indem er
unter der gleichsam zufälligen Hülle der Dinge eine geometrische Urgestalt entdeckte.
Doch des Kubismus bemächtigte sich subjektives Ausdrucksbedürfnis und er gelangte
zu einer Entgegenständlichung, über die hinaus es ohne eine neue Synthese von Idee

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