Ausstellungslokal Citroen, Rue Marboeuf, Paris 1929 Die Galerien
Phot. S. Giedion
ARCHITEKT UND KONSTRUKTION
BEMERKUNGEN ZUM AUSSTEULUNGSUOKAU CITROEN, RUE MARBOEUF,
PARIS ] 929 VONS. GIEDION
Das Ornament ist verschwunden. Das Ornament war die Etikette einer Kultur auf
handwerklicher Basis. Das Handwerk verschwindet. Auch wir empfinden den merk-
würdig ergreifenden Abdruck, der durch den Eingriff der menschlichen Hand über
handwerklich bearbeiteten Dingen schwebt; wir wissen, daß er durch keine Maschine
ersetzt werden kann. Wir sind keine Barbaren. Der Reiz des Schmelzes einer Glasur
von Limoges packt uns ebenso wie die irrationalen Unregelmäßigkeiten einer hand-
geflochtenen Strohmatte der Kamtschatka-Indianer.
☆
Versucht man heute, mit unserm Hirn, mit unserer Art Dinge zu erzeugen, diesen
Weg beizubehalten oder noch weiter zu verfolgen, so verwandelt sich das Handwerk
in jene lebensunfähigen Produkte, deren Gesamtheit man mit dem Namen »Kunst-
gewerbe«, »Art decoratif« bezeichnet. Gleich heimatlos im Gebiet der Kunst wie im
Gebiet des Gewerbes erhalten die Erzeugnisse einen merkwürdig spielerischen, ver-
gänglichen Ausdruck. Ihre Gestalt wechselt, aber sie überzeugt nicht mehr. Irgend-
wie spürt man die nutzlos an sie gewandte Mühe.
Bis zum 19. Jahrhundert war es notwendig, Gegenstände des Gebrauchs, des täglichen
Lebens handwerklich zu erzeugen. Es war der einzig gangbare Weg, andere Mög-
lichkeiten gab es nicht; dieses unbedingte Muß hatte wohl auch zum Grund, daß
diesen Dingen eine überzeugende Selbstverständlichkeit entströmte. Heute stellt dieser
Weg eine nicht unschädliche Romantik dar. Man mag sicli noch so sehr bemühen, un-
sichtbar steht hinter den Produkten doch die Forderung der Maschine und ihr anders-
lautendes Kommando.
507
Phot. S. Giedion
ARCHITEKT UND KONSTRUKTION
BEMERKUNGEN ZUM AUSSTEULUNGSUOKAU CITROEN, RUE MARBOEUF,
PARIS ] 929 VONS. GIEDION
Das Ornament ist verschwunden. Das Ornament war die Etikette einer Kultur auf
handwerklicher Basis. Das Handwerk verschwindet. Auch wir empfinden den merk-
würdig ergreifenden Abdruck, der durch den Eingriff der menschlichen Hand über
handwerklich bearbeiteten Dingen schwebt; wir wissen, daß er durch keine Maschine
ersetzt werden kann. Wir sind keine Barbaren. Der Reiz des Schmelzes einer Glasur
von Limoges packt uns ebenso wie die irrationalen Unregelmäßigkeiten einer hand-
geflochtenen Strohmatte der Kamtschatka-Indianer.
☆
Versucht man heute, mit unserm Hirn, mit unserer Art Dinge zu erzeugen, diesen
Weg beizubehalten oder noch weiter zu verfolgen, so verwandelt sich das Handwerk
in jene lebensunfähigen Produkte, deren Gesamtheit man mit dem Namen »Kunst-
gewerbe«, »Art decoratif« bezeichnet. Gleich heimatlos im Gebiet der Kunst wie im
Gebiet des Gewerbes erhalten die Erzeugnisse einen merkwürdig spielerischen, ver-
gänglichen Ausdruck. Ihre Gestalt wechselt, aber sie überzeugt nicht mehr. Irgend-
wie spürt man die nutzlos an sie gewandte Mühe.
Bis zum 19. Jahrhundert war es notwendig, Gegenstände des Gebrauchs, des täglichen
Lebens handwerklich zu erzeugen. Es war der einzig gangbare Weg, andere Mög-
lichkeiten gab es nicht; dieses unbedingte Muß hatte wohl auch zum Grund, daß
diesen Dingen eine überzeugende Selbstverständlichkeit entströmte. Heute stellt dieser
Weg eine nicht unschädliche Romantik dar. Man mag sicli noch so sehr bemühen, un-
sichtbar steht hinter den Produkten doch die Forderung der Maschine und ihr anders-
lautendes Kommando.
507