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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 12
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Junius, Wilhelm: Friedrich der Grossmütige in der Gefangenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0358

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FRIEDRICH DER GROSSMÜTIGE IN DER

GEEANGENSCHAFT VON WILHELM JUNIÜS

Kurfürst Johann Friedrich voo Sachsen war politisch seiner Zeit nicht gewachsen, zu-
mal der hochentwickelten spanisch-habsburgisclien Diplomatie gegenüber. Treuherzige
Frömmigkeit konnte nicht unentschlossenes Handeln und langsames Denken in politi-
schen Dingen ausgleichen. So mußte ihm die politische Haupttat seines Lebens, die
Gründung des schmalkaldischen Bundes, zum eigenen Verderben werden. In die Reiclis-
acht erklärt, vom politisch gerisseneren albertinischen Vetter Moritz in Dresden im
eigenen Lande bedroht, traf ihn auf der Fluclit vor den Kaiserlichen zwischen Mühl-
berg an der Elbe und der Lochauschen Heide Niederlage und Gefangenschaft am
24. April 1547. Ein Befreiungsversuch, den der thüringische Adel unter der Führung
des Adam, Christoph und Gereon von Schaumberg am Peter und Paulstage 1547 auf
dem Marsche Saalfeld-Neustadt a. d. H. bei Oeslau machte, wurde von der spanischen Be-
deckung des gefangenen Kurfürsten vereitelt. Die schweren deutschen Reiter wurden
von den Spaniern überwältigt, ihrer 27 »verstrickt«, und konnten sich nur gegen
schweres Lösegeld loskaufen. Fünf Jahre sollte diese Gefangenschaft des braven »Han-
fried« dauern, in Augsburg, Antwerpen und Brüssel. Erst durch die Erhebung des »Judas
von Meißen«, des Kurfürsten Moritz, gegen den Kaiser kam Johann Friedrich im Jahre
1552 frei und in die allerdings zugunsten Moritz’ sehr verkleinerte Heimat zurück.
Dieser langjährigen Gefangenschaft nun verdankt die Nachwelt eine große Zahl wert-
voller Dokumente, wertvoll nicht bloß für den politischen Geschichtsforscher, sondern
auch für den Kunsthistoriker. Es ist dies der Briefwechsel Johann Friedrichs mit seiner
in Weimar gebliebenen Gemahlin Sybille und seinen drei Söhnen. Da tauclien Namen
auf wie Dürer, Tizian, Cranach. Der treue Lukas Cranach durfte ja 1550 sogar den
gefangenen Kurfürsten besuchen. Neben diese bekanntenGrößentretennochzahlreiche
andere Künstler: der Hofmaler des Kaisers, Jacob Woyt, angehlich ein Engländer, der
Baumeister Nickel Gromann, der Erfurter Rotgießer Heinrich Ziegeler d. J., der Hallesche
Goldschmied Jobst Cemmerer u. a. m. Das bisher dunkle Schicksal so manclien Kunst-
werkes der Mitte des 16. Jahrhunderts ist durch diesen Briefwechsel erhellt. So ist die
merltwürdigerweise in der Jenaer Stadtkirche befindliche Grabplatte für Luther nach
einem Entwurf Lukas Cranach d. A. von Heinrich Ziegeler d. J. in Erfurt gegossen
worden 1, wie auch Lukas Cranach den Entwurf für das Bronzeepitaph Friedrich des
Weisen in der Wittenberger Schloßkirche an die Gießhütte Peter Vischers nach Nürn-
berg geliefert hat 2. Geklärt ist auch die merkwürdige Irrfahrt von Dürers Gemälde
»Marter der zehntausend Christen unter König Sapor II. von Persien«, das von Witten-
berg nach Antwerpen an den Kanzler Karl V. Perrenot (Granvella) geschickt wurde,
von da nach Besangon kam und schließlich in den Besitz des Kaisers Rudolph und da-
durch endlich nach Wien gelangte 3.

Heute sei die Aufmerksamkeit auf ein Gemälde der Gothaer Gemäldegalerie gelenkt,
das Schuchardt im erstenBande seines Cranach-Werkes 4 wie folgt erwähnt: »Von (Peter?)
Vischer, 1549 — 99 nachweisbar, der als Schüler Cranachs genannt wird, befinden sich
in der Stadtkirche zu Weimar drei Porträts von Luther als Augustinermönch, als Junker
Jörg und als Doktor, in seiner gewöhnlichen Amtstracht. Auf dem einen ist ein V und
die Jahreszahl 1572. Soviel man ohne unmittelbaren Vergleich und bei einem wenig

1 Kunstchronik Nr. 8 vom 24. November 1922, S. 150.

2 Kunstchronik Nr. 52 vom g. Mai 1922, S. g24ff.

3 Monatshefte für Kunstwissenschaft 1922, 10 —12, S. 275fr.

4 Vgl. Christian Schuchardt: Lukas Cranach d. Ä., Leben und Werke. I. Teil. Leipzig 1851.
F. A. Brockhaus. S. 244/45.

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