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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 17/18
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0515

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Roetiers Silberterrine. Paris 1770

Aus der Versteigerung bei Herm. Ball und Paul Graupe, Berlin am 25. September

SAMMLER UND MARRT

BERLINER VERSTEIGERUNGEN

DIE BERLINER FIGDOR -VERSTEIGERUNG

Im vorigen Ilefte des Ciceronc sind die italieni-
schen Gemälde und das Kunstgewerbe der Samm-
lung, deren Versteigerung bekanntlich arn 29. und
3o. September stattfindet, besprochen worden.
Hier beschließen den Bericht die Gemälde der
übrigen Schulcn und die Skulpturen.

Die niederländische Malerei der Kollektion be-
schränkt sich, von einigen minder bedeutenden
Stücken abgesehen, auf den Zeitraum von 1/100
his 1600. Das früheste Gemälde mit der Darstel-
lung der Geburt Christi, ikonographisch interes-
sant wegen der Fülle genrehafter Motive, ist eins
der wenigen Beispiele der französisch beeinfluß-
ten niederländischen Malerei um i4oo. Die han-
tierenden Engel und Joseph an seiner Werkzeug-
hank scheinen mehr Figuren eines Genrebildes als
einer biblischen Darstellung zu sein. Die Kunst
des i5. Jahrhunderts, von je mit höchsten Preisen
bedacht und von Figdor deshalb erst in zweiter
Linie erworben, ist nur mit wenigen Beispielen
vertreten. Einen gulen Nachklang von dem Stil
Memlings gibt eine Madonna im Rosenhag von
einern Nachfolger des Meisters um i5oo. Weitere
Exemplare dieses häufig wiederholten Bildes besit-
zen die Miinchener Pinakothek und die Samndung
Herzog in Budapest. Vom Meister von Sainte Gu-
dule, dessen Kompositionen architektur- und kul-
turgeschichtlich aufschlußreich sind, stammt eine
schöne Tafel mit der Bekleidung des Nackten. Den
besten Werken dieser Zeit aber läßt sich die aus-
drucksstarke Kreuzabnahme des nach diesem Werke

benannten Meisters anschließen. Stilistisch steht
der Meister der Figdorschen Kreuzabnahme, nach
einem Bilde in Amsterdam auch Meister des Lu-
ciamartyriums genannt, ganz auf dem Boden der
Formensprache Geertgens und des Virgomeisters.
Mit Geertgen hat er die Weite des räumlichen Aus-
schnitts, mit dem Meister der Virgo inler Virgines
die geringe Körperlichkeit der Figuren gemeinsam.
Das Ilauptwerk der niederländischen Schule ist
zweifellos der verlorene Sohn von Hieronymus
Bosch, ein Bild, das in der Literatur bereits un-
zählige Male gewürdigt worden ist. Das Elendsbild
des Vagabunden hat nie eine realistischere und
packendere Darstellung gefunden als auf dieser
Tafel, die mit großer malerischer Feinheit ausge-
führt ist. Außerordentliche Qualität besitzen die
Brustbilder zweier klagender Frauen von Quen-
tin Massys, Temperabildchen auf Papier, das auf
Eichenholz aufgezogen ist. Die Ivöpfe der beiden
Frauen komrnen auf der Beweinung Christi, dem
Mittelbild des Antwerpener Flügelaltars von i5o8,
vor. Trotzdem sie auf Papier ausgeführt sind,
haben sie nicht den Charakter von Studienköpfen,
sondern den von eigenhändigen Wiederholungen,.
Die Bildniskunst vom Anfang des iG. Jahrhunderts
wird repräsentiert durch ein mehr dekoratives als
charakteristisches Bildnis Kaiser Maximilians I. vom
Meister von Frankfurt, durch das Bildnis einesbär-
tigen Mannes von Ambrosius Benson und durch
ein feines Kinderbildnis, das neuerdings dem Mei-
ster der Magdalenen-Legende zugeschrieben wird.
Von der ITand dieses wahrscheinlich in Brüssel
tätigen Meisters stammt auch der Ausritt der hei-
ligen Magdalena zur Falkenjagd aus der Folge, die

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