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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 19/20
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Roemer, Erich: Zur Eröffnung des Deutschen Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0544

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vom »Forum« lier sehen soll. Aber auch dann empfindet man Sinn und Notwendig-
keit der Raumfolge ebenso wie des Zusammenpassens von Bau und Inhalt nicht als
eine gesehene Leistung? sondern als eine erdaclite. Der große Südsaal hinter dem end-
gültigen Eingang, der als Stimmgabel dienen könnte, wenn man aus der Umwelt
Schlüters und Schinkels von Messel ins Herz der deutschen Kunstsammlung geführt
wird, ist mindestens in seiner jetzigen Form hier eine Verlegenheit. Er verschwendet
den andernorts fehlenden Raum für ein paar anderwärts besser verwertbare Plastiken
des Barock und Rokoko, nachdem man auf das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten
und das (nun in der Nachbarschaft aufzustellende) »Magdeburger Tor« mit Recht hiei
verzichtet hat. Und er erfüllt, wenn er nur als Raum sprechen soll, in seiner Durch-
bildung nicht den hohen Anspruch, dem nur beste deutsclie Kunst hier genügen kann.
Dann nach einem neutralen Raum für Einiges aus dem ersten Jahrtausend die Stufen
hinauf zu den beiden langen Sälen der romanischen und der gotischen Kunst: die große
dunkle Holzdecke belastet von vornherein den Blick, anstatt als Lichtfänger ihn auf
das Kunstwerk zu konzentrieren. Das Treppenhaus, das dem ursprünglich geplanten
anschließenden Renaissancesaal den Platz entzog, ist so ohne innere Größe geraten
und entwürdigt obendrein Baldungs fünf Glasfenster derart zum Dekorationsobjekt,
daß es an solchem Orte einigermaßen wehtut. Diese Zäsur zwischen den beiden Stock-
werken ist um 1450 angesetzt, nicht eben zum Vorteil für die schon kleinbürgerliche
Kunst um 1400, deren inneres und äußeres Format die großen Räume unten nicht
richtig ausfüllt. Ob Hoffmann obendrein ungewöhnlich teuer gebaut hat, kann ich
nicht beurteilen; aber was nicht notwendig ist, muß ja allemal zu teuer sein. Und so
geht es bis ins Kleine und Kleinste: die kostbaren Elfenbeine, zum ersten Male richtig
zu sehen, liegen in Kastenschränken von verletzender Plumpheit; und was sich als Tür-
füllungen, an Leistenprofilen neben Dürer und Eyck sehen lassen darf, ist — kein
Exempel deutscher Werkkunst.

Daß trotzdem das Museum als solches seine unbezweifelbare Schönheit hat, das be-
leuchtet lehrreich die Möglichkeiten und die Grenzen der vielbeschrieenen Museums-
kunde und Museumstechnik. Drei Sammler haben an diesem Museum nun gearbeitet,
als solche wie als Persönlichkeiten gewiß verschieden, verbunden aber in dem hier
Wesentlichen, der starken und andächtigen Liebe zu dem einzelnen Kunstwerk, es zu
erringen, zu erforschen, es darzustellen. Was in diesem Sinne hier geleistet worden
ist, das stellt den Betrachter manchmal nur noch vor die erfreuliche Frage: ja sieht
man die altbekannten Dinge denn hier zum ersten Male? So muß es sein. DieTafeln
und Bildwerke des frühen 15. Jahrhunderts, mit denen das obere Stockwerk die
Multscher-Witz-Generation einsetzen läßt, die Riemenschneider und Daucher, die
Kleinplastik der Frührenaissance, die Plaketten Flötners, die Altäre von Roger und
Goes, der Mannheimer Altar von Egell — um nur einige besonders gelungene Bei-
spiele zu rühmen — sie erscheinen vollkommen in der Art ihrer Aufstellung. Das
Licht dafür auszubreiten, abzustufen, zu konzentrieren, zu kanalisieren ist fast überall
nach Absicht erreicht, und an hellen Tagen ist das Licht manchmal sogar grausam in
seiner Güte. Aus breiter Darbietung treten die Wertbetonungen so klar heraus, daß
der flüchtige Besucher sich wohltätig geführt fühlen kann. Die dankenswerten Stif-
tnngen des Staates (das Porzellan-Kabinett aus dem Schloß in Merseburg) und Dr. James
Simons »Zweite Sammlung« in drei Räumen sind gehörig zur Geltung gebracht. Die
Teiie des Museums, die seine größte Stärke sind, entfalten sich mit beredter Lmpräg-
samkeit, wie sie der wissenschaftlichen Arbeitsweise von Friedländer und Demmler
entspricht.

Die Gefahr bestand, daß die Wirkung zerflatterte. Und das zutiefst schon deswegen,
weil ja die Fülle der Gesichte des deutschen Individualismus so schwer eine Linie lange

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