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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Pechmann, Günther von: Vom Sinn des Handwerks: zur Ausstellung "Das Bayerische Handwerk", München 1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0369

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GROSSE TÖPFE IN TERRAKOTTA

Staatliche Keramische Fachschule in Landshut i. B.

werker. Die Betriebsgröße spielt dabei keine Rolle.
Großbetriebe waren schon die französischen Gobe-
linmanufakturen des 17. Jahrhunderts, die bis zu
800 Arbeiter beschäftigten. Industrielle Großbe-
triebe sind auch die Glashütten des bayerischen
Waldes, und doch ist jeder Glasbläser ein Hand-
werker, der seine Technik ausübt wie es seine Vor-
gänger vor hundert Jahren taten. In vielen Indu-
strien führt heule noch der gelernte Arbeiter die
Bezeichnung „Handwerker"'. Die Bayerische Hand-
werksausslellung bot zahlreiche Beispiele solcher
Handwerksarbeit: Holzschnitzerei. Ziselieren, Töp-
fern, Geigenbau, Scbneiderkunst. Glasbläserei, um
nur einige zu nennen.

Handwerker im alten Sinne des Wortes, bei denen
die Eigenschaft des selbständigen Wirtschaftssub-
jekts verbunden ist mit der Ausübung künstlerisch
wertvoller Handarbeit, gibt es in der Gegenwart
nur noch da, wo die künstlerische Tendenz vor-
herrscht. Ihre Arbeitsweise ist grundsätzlich nicht
verschieden von jener des Malers oder Bildhauers.

Die anschauliche Vorführung der Handarbeit und
der Hilfsmaschinen des modernen Handwerks
wurde in der Ausstellung ergänzt durch vortreff-
lich ausgearbeitete, wirkungsvoll dargestellte stati-
stische Angaben über Umfang und ^ erbreitung
der Handwerksbetriebe, über die soziale, wirt-
schaftliche und organisatorische Gliederung des
Handwerks. Organisation und ausstellungslechni-
sche Darbietung fanden in der Vielseitigkeit und
teilweisen Sprödigkeit des Stoffes große Schwie-
rigkeiten. Der Stoff ist glänzend bewältigt wor-
den, sowohl durch den Organisator der Ausstel-
lung, Ministerialrat Dr. Goelz, wie durch den lei-
tenden Architekten Max Wiederanders und seine
künstlerischen Mitarbeiter, zu denen u. a. die Ar-

chitekten Hacker, Hillerbrand, Renner, Wem,
von Wersin gehörten. Räume und räumliche An-
ordnung wurden zum Ausdruck einer frischen,
modernen Gestaltungskraft, nirgends war eine
falsche Hans-Sachs-Stimmung zu spüren. Die
Freude an dekorativer Wirkung war verbunden
mit dem Drang zu klarer sachlicher Geitaltung.
Wenn etwas als Mißverhältnis empfunden werden
konnte, so war es eben diese Fülle gründlicher
Arbeit und liebevoller Versenkung in die Sache,
hingewandt an eine Aufgabe von so vergänglicher
Natur! Man möchte solchem Reichtum an for-
maler Begabung und solch freudiger Hingabe an
ein Werk dauerndere Aufgaben wünschen, als es
Ausstellungen sind.

So volkstümlich die Ausstellung in München und
Bayern war, so hat sie doch im übrigen Deutsch-
land lange nicht die Beachtung gefunden, die sie
verdient hätte. Zu einem großen Teil mag ihr
Name daran schuld sein, der vermuten ließ, daß
es sich um eine lokal oder territorial begrenzte
Veranstaltung handelte. In Wirklichkeit sind in
der Gegenüberstellung der Erzeugnisse, bei der
Vorführung der Arbeitsprozesse und in dem um-
fangreichen statistischen Material Fragen behan-
delt worden, welche alle allen Kulturländer in
der Gegenwart beschäftigen. Es ist ein tragisches
Geschick Münchens und Bayerns, daß die leben-
digen, formbegablen Kräfte, die in diesem Boden
wurzeln, durch Einflüsse äußerlicher Art nicht
mehr so zur Geltung kommen, wie sie es nach
ihren Leistungen beanspruchen könnten. Voraus-
setzung dafür wäre, daß München bei seinen Ver-
anstaltungen wieder wie in früherer Zeit den Zu-
sammenhang mit den geistigen Strömungen euro-
päischen Lebens fände. G. v. Pechmann

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