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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Weidler, Charlotte: Europäische und arabische Architektur in Afrika
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0046

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er das Zeichen „Fatme", die abwehrende Hand an, die ihn
vor bösen Geistern und dem bösen Blick bewahren soll. Noch
immer ist das Gesicht der Araberin verschleiert. Aber sie trägt
schon Pullower, Pariser Schuhe, Regenschirm, fährt Autobus
und Straßenbahn. Emailletopf, Grammophon, Kuckucksuhr und
Wecker mit Tiroler Landschaft auf dem Zifferblatt haben das
hochentwickelte eingeborene Handwerk verdrängt, das jetzt
mit billigen Surrogaten die Fremdenindustrie versorgt.

Im Norden Algeriens sieht man in jedem Dorf, das man mit
dem Auto durchfährt, Kriegerdenkmale mit einem so wüsten
Geranke aller möglichen Tierfiguren, Menschenleiber und
Frauenakte, daß unsere Siegesalle dagegen als ein Muster-
beispiel guten Geschmackes erscheint.

Vorbildlich ist, was die Franzosen an Straßenbau und Or-
ganisation leisteten und wie sie aus diesem Lande eine Muster-
kolonie erstehen ließen. Das bis an den Fuß des Sahara-Atlas
reiche und fruchtbare Gebiet bringt dem Mutterlande jährlich
einen großen Überschuß. Was man selbst im kultivierten Eng-
land auf dem Lande nicht findet: Telefon, auch Sonntags, oder
elektrisches Licht — wie wenige englische" Landgüter haben
es —, hier im nördlichen Algerien oder Tunesien besitzt es
jedes Dorf. Bis an den Rand der Sahara führt durch den
ganzen Norden Afrikas ein weit verzweigtes und vorbildlich
gepflegtes, in erster Linie strategisches Straßennetz, auf dem
man sicher und ungefährdet reist. Die alte Romantik des
Orients wird ersetzt durch Shell- und Standard-Tankstationen.
Auch in der Sahara versucht man, soweit überhaupt, wie z. B.

in der nördlichen Steinschotterwüste, die Voraussetzungen be-
stehen, Auto-Straßen zu bauen und nimmt mit nie versagender
Geduld den Kampf gegen den Sand auf. Daß sich weiter
südlich im großen Sandmeer der Zentralsahara, im Grand Erg,
keine Autostraßen bauen lassen, und daß hier die Zukunft dem
Flugzeug gehört, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Regierung
betrachtet mit Recht dieses Straßennetz und die Hafenanlagen
der nordafrikanischen Kolonien Marokko, Algier und Tunis als
eine ständige Musterschau französischer Arbeit und Industrie.

Autos, enorme Mengen von Autos aller Größen werden ein-
geführt. Der Autohunger reicher Eingeborener ist enorm. Ihnen
ist das Auto ebenso unentbehrlich wie dem Europäer. Aber
wer macht die Reparaturen? Das ist eine ungelöste Frage. Es

fehlt an gründlicher Fachausbildung.

* *

Die Architektur der Sahara ist eine Welt für sich. Durch das
Atlasgebirge und durch Sanddünen von der Zivilisation und
vom fruchtbaren lebensfreudigen Norden getrennt, erwachsen
Stadt und Haus der seßhaften Stämme ganz aus den schweren
Lebensbedingungen der Wüste und der herben Großartigkeit
dieser Landschaft.

Besonders hochentwickelt sind Architektur und Stadtbaukunst
der Mozabiten im Beni M'Zab. Die weitaus umfangreichste und
interessanteste Moschee besitzt die größte Oase des Beni
M'Zab: Gharda'ia, deren Minarett, auf einem Hügel gelegen,
weit hinaus in die Wüste leuchtet. Die Außen- und Innen-
Architektur unterscheidet sich wesentlich von aller bekannten
 
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