Reichsbankbau und Städtebau
J. UMLAUF, BERLIN
Die Aufgabe
Der Neubau der Reichsbank, der in der Größe ungefähr
dem Reichstagsgebäude gleichkommen wird, ist eine Aufgabe
von großer öffentlicher Bedeutung und verpflichtet in unserer
an großen Bauaufgaben armen Zeit zu einer besonders hohen
Leistung. Wenn die Gestaltung dieses Baues seiner Aufgabe
entsprechen soll, dann muß seine Erscheinung im Stadtgefüge
der öffentlichen Bedeutung der Reichsbank entsprechen. Diese
Beziehung herzustellen, ist die primäre Gestaltungsaufgabe
jedes öffentlichen Baues, überhaupt jedes Großbaues, und die
Voraussetzung für die Entfaltung einer bedeutenden architek-
tonischen Erscheinung. Die beste architektonische Leistung
bleibt ohne städtebauliche Auswertung tot.
Diesen Ansprüchen öffentlicher Bauten an den Stadt-
organismus entspricht aber auch eine Verpflichtung ihm gegen-
über. Großbauten sind Kristallisationspunkte im Stadtgefüge
und in der Stadtentwicklung und können bei richtigem Einsatz
ganze Stadtteile beherrschen und ordnen. Das Gefüge einer
Großstadl- braucht solche Bauten dringend zur Gliederung
seiner Massen, und in besonders hohem Maße braucht sie
Berlin, das infolge seiner ebenen Lage völlig auf die archi-
tektonische Akzentuierung angewiesen ist. Es ist deshalb eine
Verpflichtung der Oeffentlichkeit gegenüber, daß jede
Gelegenheit zur Erstellung eines Großbaues städtebaulich
ausgewertet wird.
Diese beiden Ansprüche bedingen und steigern sich gegen-
seitig. Sie sind Teile einer Aufgabe. Beide Teile auf der
Grundlage wirtschaftlicher Möglichkeiten zusammenzuführen,
ist die Aufgabe organischen Städtebaues.
Bei dem Gedanken an einen Neubau der Reichsbank gilt
daher die erste Frage seiner Stellung im Stadtgefüge. Im
Falle des Reichsbankneubaues liegen in dieser Hinsicht weit-
gehende Bindungen vor. Die Reichsbank ist der Mittelpunkt
einer Ansiedlung von Großbanken, und dieses „Bankenviertei"
wiederum ist für das Leben der Berliner City von großer,
vielleicht von ausschlaggebender Bedeutung. Städtebaulich
ist es zweifellos erwünscht, solche organischen Zusammen-
hänge zu erhalten, und auch die Reichsbank hat von sich
aus daran festgehalten. Solche Zusammenhänge begrenzen
die Diskussion um den Bauplatz praktisch auf das Banken-
viertel. Wenn aber der Bau schon im Bankenviertel bleibt,
legen die wirtschaftlichen Vorteile des Zusammenhangs mit
dem alten Reichsbankbau und auch Gründe der Tradition
es nahe, den Neubau in der Nachbarschaft des Altbaues zu
errichten. Diese Annahme wird zur feststehenden Voraus-
setzung, wenn man die städtebauliche Situation dieses Ge-
bietes betrachtet.
Die alte Reichsbank steht zwar heute an einem städtebaulich
unbedeutenden Punkt inmitten der City (Abbildung 1). Aber
dieser Punkt und sein Nachbargebiet, zum größten Teil
Sanierungsgebiet, wird von der größten und dringendsten
städtebaulichen Zukunftsaufgabe Berlins überschnitten, von
dem seit Jahrzehnten geplanten und öffentlich diskutierten
Ost-West-Durchbruch durch die City. Dieser Durchbruch ist
ein Teilabschnitt des Straßenzuges, der die direkte Verbindung
zwischen den beiden großen Zentren Berlins herstellen soll,
zwischen dem Gebiet um die Gedächtniskirche, dem Sammel-
punkt des Westens einerseits (Hardenbergstraße, Kantstraße,
Kurfürstendamm, Rankestraße — Kaiserallee), und dem
Alexanderplatz, dem Tor nach dem Osten andererseits (Prenz-
lauer, Greifswalder, Landsberger, Frankfurter Allee), die bisher
keine organische, sondern nur eine provisorische und zufällige
Verbindung besitzen. Darüber hinaus schneidet er auch das
Tiergartenproblem an, denn mit seiner Hilfe könnten der Tier-
garten und die Linden vom Durchgangsverkehr weitgehend
entlaste! und damit ihrer eigentlichen Bestimmung wieder-
gegeben werden. Dieser Straßenzug wird eine Rückgratlinie
im Organismus des künftigen Berlin bilden und erfordert
Planungen von größtem Weitblick.
Alle Projekte für diesen Durchbruch berühren das Nachbat-
gebiet der alten Reichsbank. Ein großer Neubau auf diesem
Gelände muß daher von ausschlaggebender Bedeutung für
die Durchführung dieser Pläne werden. Er setzt ihre Klärung
voraus und bietet die wirtschaftliche Möglichkeit, ihre Durch-
führung an einer entscheidenden Stelle in Angriff zu nehmen.
Der Reichsbankneubau erhält durch die Verbindung mit dieser
Aufgabe die Möglichkeit einer städtebaulichen Eingliederung,
die seiner Bedeutung entspricht und seiner architektonischen
Erscheinung den notwendigen Rahmen schafft. Andererseits
muß mit besonderem Nachdruck auch für den neuen Straßen-
zug eine künstlerische Planung gefordert werden, eine räum-
liche Gestaltung, die die üblichen Zufälligkeiten und Kom-
promisse eines Durchbruchs so weit als nur irgend möglich
überwindet, und der ungewöhnlichen Städtebau-technischen
Aufgabe die ebenso großen Städtebau-künstlerischen Möglich-
keiten abgewinnt, die in ihr liegen.
Auf die zahlreichen Einzelprobleme, die in dieser Gesamt-
aufgabe eingeschlossen sind, soll nur andeutungsweise ein-
gegangen werden. Ein Neubau der Reichsbank ist auch tech-
nisch, vor allem grundrißlich, von großem, über den Einzelfall
hinausgehenden Interesse. Den Ansprüchen der in lebhafter
Entwicklung begriffenen Reichsbank entspricht kein Grundriß,
der sich nur den augenblicklichen Forderungen anpaßt. Es
muß vielmehr ein Organismus gefunden werden, der darüber
hinaus auf lange Sicht internen Änderungen des Bankbetriebes
Spielraum läßt, also eine weitgehend typische Lösung. Der
Zug zum Typus, zu einem regelmäßigen System, liegt über-
haupt im Wesen aller Großbauten. Die individualistischen An-
sprüche eines solchen Typus mit den einbindenden städtebau-
lichen Ansprüchen zu einer Einheit zu verschmelzen ist ein sehr
schwieriger Teil der Gesamtaufgabe. Die Rücksichtnahme auf
die benachbarten historischen Bauten, vor allem auf das
Schloß, verlangt sehr wichtige und verantwortungsvolle Ent-
scheidungen. Schließlich ist die rein architektonische Gestal-
tung des Neubaues von größtem Interesse. Nach der architek-
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J. UMLAUF, BERLIN
Die Aufgabe
Der Neubau der Reichsbank, der in der Größe ungefähr
dem Reichstagsgebäude gleichkommen wird, ist eine Aufgabe
von großer öffentlicher Bedeutung und verpflichtet in unserer
an großen Bauaufgaben armen Zeit zu einer besonders hohen
Leistung. Wenn die Gestaltung dieses Baues seiner Aufgabe
entsprechen soll, dann muß seine Erscheinung im Stadtgefüge
der öffentlichen Bedeutung der Reichsbank entsprechen. Diese
Beziehung herzustellen, ist die primäre Gestaltungsaufgabe
jedes öffentlichen Baues, überhaupt jedes Großbaues, und die
Voraussetzung für die Entfaltung einer bedeutenden architek-
tonischen Erscheinung. Die beste architektonische Leistung
bleibt ohne städtebauliche Auswertung tot.
Diesen Ansprüchen öffentlicher Bauten an den Stadt-
organismus entspricht aber auch eine Verpflichtung ihm gegen-
über. Großbauten sind Kristallisationspunkte im Stadtgefüge
und in der Stadtentwicklung und können bei richtigem Einsatz
ganze Stadtteile beherrschen und ordnen. Das Gefüge einer
Großstadl- braucht solche Bauten dringend zur Gliederung
seiner Massen, und in besonders hohem Maße braucht sie
Berlin, das infolge seiner ebenen Lage völlig auf die archi-
tektonische Akzentuierung angewiesen ist. Es ist deshalb eine
Verpflichtung der Oeffentlichkeit gegenüber, daß jede
Gelegenheit zur Erstellung eines Großbaues städtebaulich
ausgewertet wird.
Diese beiden Ansprüche bedingen und steigern sich gegen-
seitig. Sie sind Teile einer Aufgabe. Beide Teile auf der
Grundlage wirtschaftlicher Möglichkeiten zusammenzuführen,
ist die Aufgabe organischen Städtebaues.
Bei dem Gedanken an einen Neubau der Reichsbank gilt
daher die erste Frage seiner Stellung im Stadtgefüge. Im
Falle des Reichsbankneubaues liegen in dieser Hinsicht weit-
gehende Bindungen vor. Die Reichsbank ist der Mittelpunkt
einer Ansiedlung von Großbanken, und dieses „Bankenviertei"
wiederum ist für das Leben der Berliner City von großer,
vielleicht von ausschlaggebender Bedeutung. Städtebaulich
ist es zweifellos erwünscht, solche organischen Zusammen-
hänge zu erhalten, und auch die Reichsbank hat von sich
aus daran festgehalten. Solche Zusammenhänge begrenzen
die Diskussion um den Bauplatz praktisch auf das Banken-
viertel. Wenn aber der Bau schon im Bankenviertel bleibt,
legen die wirtschaftlichen Vorteile des Zusammenhangs mit
dem alten Reichsbankbau und auch Gründe der Tradition
es nahe, den Neubau in der Nachbarschaft des Altbaues zu
errichten. Diese Annahme wird zur feststehenden Voraus-
setzung, wenn man die städtebauliche Situation dieses Ge-
bietes betrachtet.
Die alte Reichsbank steht zwar heute an einem städtebaulich
unbedeutenden Punkt inmitten der City (Abbildung 1). Aber
dieser Punkt und sein Nachbargebiet, zum größten Teil
Sanierungsgebiet, wird von der größten und dringendsten
städtebaulichen Zukunftsaufgabe Berlins überschnitten, von
dem seit Jahrzehnten geplanten und öffentlich diskutierten
Ost-West-Durchbruch durch die City. Dieser Durchbruch ist
ein Teilabschnitt des Straßenzuges, der die direkte Verbindung
zwischen den beiden großen Zentren Berlins herstellen soll,
zwischen dem Gebiet um die Gedächtniskirche, dem Sammel-
punkt des Westens einerseits (Hardenbergstraße, Kantstraße,
Kurfürstendamm, Rankestraße — Kaiserallee), und dem
Alexanderplatz, dem Tor nach dem Osten andererseits (Prenz-
lauer, Greifswalder, Landsberger, Frankfurter Allee), die bisher
keine organische, sondern nur eine provisorische und zufällige
Verbindung besitzen. Darüber hinaus schneidet er auch das
Tiergartenproblem an, denn mit seiner Hilfe könnten der Tier-
garten und die Linden vom Durchgangsverkehr weitgehend
entlaste! und damit ihrer eigentlichen Bestimmung wieder-
gegeben werden. Dieser Straßenzug wird eine Rückgratlinie
im Organismus des künftigen Berlin bilden und erfordert
Planungen von größtem Weitblick.
Alle Projekte für diesen Durchbruch berühren das Nachbat-
gebiet der alten Reichsbank. Ein großer Neubau auf diesem
Gelände muß daher von ausschlaggebender Bedeutung für
die Durchführung dieser Pläne werden. Er setzt ihre Klärung
voraus und bietet die wirtschaftliche Möglichkeit, ihre Durch-
führung an einer entscheidenden Stelle in Angriff zu nehmen.
Der Reichsbankneubau erhält durch die Verbindung mit dieser
Aufgabe die Möglichkeit einer städtebaulichen Eingliederung,
die seiner Bedeutung entspricht und seiner architektonischen
Erscheinung den notwendigen Rahmen schafft. Andererseits
muß mit besonderem Nachdruck auch für den neuen Straßen-
zug eine künstlerische Planung gefordert werden, eine räum-
liche Gestaltung, die die üblichen Zufälligkeiten und Kom-
promisse eines Durchbruchs so weit als nur irgend möglich
überwindet, und der ungewöhnlichen Städtebau-technischen
Aufgabe die ebenso großen Städtebau-künstlerischen Möglich-
keiten abgewinnt, die in ihr liegen.
Auf die zahlreichen Einzelprobleme, die in dieser Gesamt-
aufgabe eingeschlossen sind, soll nur andeutungsweise ein-
gegangen werden. Ein Neubau der Reichsbank ist auch tech-
nisch, vor allem grundrißlich, von großem, über den Einzelfall
hinausgehenden Interesse. Den Ansprüchen der in lebhafter
Entwicklung begriffenen Reichsbank entspricht kein Grundriß,
der sich nur den augenblicklichen Forderungen anpaßt. Es
muß vielmehr ein Organismus gefunden werden, der darüber
hinaus auf lange Sicht internen Änderungen des Bankbetriebes
Spielraum läßt, also eine weitgehend typische Lösung. Der
Zug zum Typus, zu einem regelmäßigen System, liegt über-
haupt im Wesen aller Großbauten. Die individualistischen An-
sprüche eines solchen Typus mit den einbindenden städtebau-
lichen Ansprüchen zu einer Einheit zu verschmelzen ist ein sehr
schwieriger Teil der Gesamtaufgabe. Die Rücksichtnahme auf
die benachbarten historischen Bauten, vor allem auf das
Schloß, verlangt sehr wichtige und verantwortungsvolle Ent-
scheidungen. Schließlich ist die rein architektonische Gestal-
tung des Neubaues von größtem Interesse. Nach der architek-
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