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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Wagenfeld, Wilhelm: Kulturelle Förderung der Heimindustrie: Denkschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0387

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Kulturelle Förderung der Heimindustrie

DENKSCHRIFT VON W. WAGENFELD, WEIMAR-BERLIN.

Die Heimindustrie ist heute durchweg eingestellt auf die Er-
zeugung billiger Massenwaren von der Hand.

Kennzeichnend ist die besondere wirtschaftliche Struktur
dieser Industrie: Der Heimindustrielle oder Heimarbeiter be-
kommt seine Aufträge vom Verleger oder vom Exporteur und
liefert diesen auch die fertige Ware. Er muß selbst die Kosten
seines Arbeitsmaterials tragen und die Unkosten seines Be-
triebs. Oft ist der Heimindustrielle verpflichtet, das Roh-
material für seine Arbeit vom Auftraggeber zu beziehen,
üblich ist in der Heimindustrie die Mitarbeit aller Familien-
angehörigen. Auf diese billigen Arbeitskräfte ist die Heim-
industrie großenteils aufgebaut. Außerdem bedingen die Er-
zeugnisse fast immer eine von Kindheit an geübte Geschick-
lichkeit und eine angeborene Kunstfertigkeit. Die besonders
niedrigen Gestehungskosten und die trotz der Massen-
produktion unentbehrliche Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit
in der heimindustriellen Bevölkerung waren wohl dafür ent-
scheidend, daß diese Industrie trotz der Entwicklung der
maschinellen Techniken erhalten blieb.

Die Erzeugnisse der Heimindustrie haben nur selten einen
künstlerischen oder handwerklichen Wert.

Aussehen und Qualität bestimmen die Verleger und Expor-
teure. Die Ware entspricht also dem kulturellen Niveau des
Handels. Einzelne handwerkliche Leistungen über den Massen-
durchschnitt hinaus sind immer geblieben. Ebenso blieb trotz
aller Nivellierung der landschaftliche Charakter der Erzeug-
nisse erhalten, wenn nicht von vornherein die Ware ein orts-
fremdes Gepräge zeigen sollte, oder die Kunstfertigkeit keinen
Ausschlag gab, weil die niedrigen Löhne den alleinigen
Anlaß boten für die heimindustrielle Produktion.

Die handwerklich bemerkenswerten Erzeugnisse der Heim-
industrie sind immer beeinflußt vom kunstgewerblichen Nenner
der Verkaufsplätze: Dürerhäuser, Kunstgewerbehäuser und
Kunstgewerbeabteilungen der Kaufhäuser.

Ursprüngliches, selbständiges Können und Schmücken als
landschaftliche Kultureigenheit ist in der Heimindustrie nur
selten zu finden. Meistens ist die als „Volkskunst" bezeichnete
Produktion nicht mehr als die sentimentale Verbrämung des
Nützlichen mit Elementen vergangener Gebrauchskunst.

Jeder Versuch einer kulturellen Neubelebung der Heim-
industrie, jeder Versuch einer handwerklichen Förderung kann
nur dann zum Ziel führen, wenn damit neue Absatzmöglich-
keiten für die Erzeugnisse dieser Industrie erstehen. Dem
Heimindustriellen geht es zuerst um das nackte Leben! Das
muß gesichert werden! Davon ist auszugehen!

Die Entwicklung der Heimindustrie ist zum großen Teil auf
das Engste verknüpft mit der Entwicklung des Exports. Es gibt
in der Heimindustrie Warengattungen, die ohne Exportmöglich-
keiten niemals aufgekommen wären. Vom Rückgang des Exports
wurde diese Industrie deshalb mit besonderer Härte getroffen.

Für viele der Heimarbeiter bleibt darum kein anderer Weg,
als auf anderen Arbeitsgebieten eine neue Existenz zu suchen.

Einen praktischen Weg für die Eingliederung der Heim-
arbeiter in ein verwandtes Arbeitsgebiet zeigte in Thüringen
der Besitzer der Brehmenstallhütte in Ernstthal a. Rennsteig auf
dem Thüringer Wald: Aus kleinen Anfängen wurde hier eine
Glashütte geschaffen, die heute eine Belegschaft von 200 bis
300 Leuten aufweist (Schwankung nach der Saison). Diese Be-
legschaft rekrutierte sich zum großen Teil aus heimindustriellen
Glasbläsern.

Die Hütte nahm zuerst eine kunstgewerbliche Produktion auf:
mit alter handwerklicher Technik, wie sie früher in den Wald-
hütten betrieben wurde, stellte sie Gebrauchsgläser und Zier-
gläser her, die auf den kunstgewerblichen Markt angewiesen
waren. Abnehmer waren also die finanziell sehr unzuver-
lässigen Kunstgewerbehäuser in erster Linie.

Der Besitzer der Hütte sah bald die Erfolglosigkeit des
Wegs und stellte sich um auf die Fabrikation von Parfüm-
flaschen aus einem vorzüglichen Preßglas. Die frühere Pro-
duktion wurde nur in sehr beschränktem Maße beibehalten
ohne praktische Bedeutung für den Betrieb.

Der Weg war richtig, weil für die Parfümflaschen in
allen Ländern eine große Nachfrage bestand und 200 bis
250 Menschen mit ihren Familien eine Existenz hatten. Wenn
dagegen der Hüttenbesitzer die Glaswarenerzeugung auf den
Kunstgewerbemarkt gerichtet hätte, so wäre dieser wohl um
eine Anzahl von Gläsern in alter handwerklicher Technik be-
reichert, aber das Opfer hierfür wären 800 bis 1000 hungernde
Deutsche gewesen.

Wo bei uns nach wirtschaftlicher Voraussicht eine Neu-
belebung der Heimindustrie zum Erfolg führen kann, da ist vor
allen anderen Ländern wohl immer Deutschland selbst der
Markt solcher Erzeugnisse. Zwangsläufig wird damit erreicht,
daß sich dieser Teil der Heimindustrie umstellt von Wert-
begriffen des Exportmarktes auf Wertbegriffe des deutschen
Marktes. Weil hier zu allererst nur mit einer Käuferschicht zu
rechnen ist, die an die Ware qualitativ hohe Forderungen
stellt, werden in der Heimindustrie durch wirtschaftlichen
Zwang gute handwerkliche Leistungen aufkommen, wo bisher
nur eine mechanische Handarbeit die Anforderungen des
durchschnittlichen Exports erfüllte.

Die Erzeugnisse der Heimindustrie müssen dabei in weit-
gehendem Maße auf den Nutzgebrauch im Haushalt eingestellt
werden. Heimindustrieller Tand ist mehr als bisher in eine
Richtung zu leiten, die seine Verwendung zu Festdekorationen
herausfordert.

Hierfür sind in heimindustriellen Gebieten Kurse einzurichten,
in denen die handwerkliche Schulung durchzuführen ist mit
dem Ziel, über den wirtschaftlichen Erfolg als Grundlage der
Existenz zu neuen kulturellen Leistungen zu gelangen.

Die Berufsschulen in heimindustriellen Gebieten sind längst
von den Ländern in den Dienst der Förderung dieser Industrie
gerückt. Aber zum größeren und besseren Erfolg werden diese
Schulen dann kommen, wenn sie die jungen Heimarbeiter

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