Der Kampf der elektrischen Glühlampe um ihre formale
Selbständigkeit
RICHARD L F. SCHULZ, BERLIN
Der Verfasser, eines der ältesten und rührigsten Werkbundmitglieder, hat sich mit seinen ausgezeichneten Arbeiten auf dem
Gebiete der Herstellung von Beleuchtungskörpern in der Zeit des Aufschwungs des deutschen Kunstgewerbes einen weithin
bekannten Namen gemacht. Es dürfte unseren Leserkreis daher besonders interessieren, in den folgenden Ausführungen zu
erfahren, wie er zu den gegenwärtigen Fragen dieses Gebietes Stellung nimmt.
Muß heute jemand sich damit beschäftigen, Beleuchtungs-
körper für seine Wohnung anzuschaffen, so kommt er, wenn
er diese Angelegenheii nicht nur vom geschmacklichen, son-
dern auch vom wirtschaftlichen Standpunkte aus betrachtet,
in Streit mit seinem Gefühl und seiner Vernunft. Die Läger der
Geschäfte bieten eine ungeheure Auswahl von Beleuchtungs-
körpern an. Sein gefühlsmäßiger Geschmack hetzt den Käufer
von einem Stück zum anderen, bis er müde vom Sehen den
Vorschlägen des geschickten Verkäufers folgt und danach seine
Wahl trifft.
Schaltet er sein Gefühl aus und betrachtet er die Angelegen-
heit mit kalter Vernunft, so wird er finden, daß die einfachsten
Lampen doch wohl die vorteilhaftesten für ihn sind. Er
empfinde!- die verzierte Gestaltung der Stücke als einen Ueber-
fluß und eine Preisfrage.
Die Gewohnheit lehrt, daß in der Mitte eines Raumes ein
Beleuchtungskörper hängen muß, daß aber zum Beispiel eine
einfache Kugelbeleuchtung diese Frage löst und jede andere
kompliziertere Formgestaltung eines Beleuchtungskörpers in
lichttechnischer Leistung übertrifft. So gibt es noch viele Mög-
lichkeiten für die Beleuchtung, einfach in der Form und doch
lichttechnisch überzeugend zu sein. Die Entwicklung der Be-
leuchtung von Räumen geht unaufhaltsam dahin, daß man
viele Bestandteile des bisherigen Körpers fortlassen wird und
nur noch die Lichtleistung, sei sie direkt oder indirekt, mit
den einfachsten Mitteln zur Geltung kommen lassen wird. Das
schattenlose indirekte Licht ist nicht allgemein beliebt; es ist
auch wirtschaftlich im Nachteil gegenüber der direkten Be-
leuchtung.
Den Lichttechniker wird die Frage beschäftigen müssen: Wie
beleuchtet man einen Raum durch eine angenehm für das Auge
wirkende Beleuchtung ohne eine Beschirmung irgendwelcher
Art. Der Beleuchtungskörper leitet seine Berechtigung, im Räume
zu hängen, nur von althergebrachter Gewohnheit ab. Für alle
früheren Beleuchtungsquellen, wie Kerzen, Oel, Petroleum, Gas
war dieses Imraumehängen bedingt. Für die elektrische Licht-
spendung ist das Hängen nicht unbedingt nötig. Heute ist
Birne mit Fassung ohne Hahn
Soffilten mit Fassung, geschlossen und offen. Photo:
Finsler. Aus dem Buch „Licht und Beleuchtung"
1928 (Verlag Hermann Reckendorf).
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Selbständigkeit
RICHARD L F. SCHULZ, BERLIN
Der Verfasser, eines der ältesten und rührigsten Werkbundmitglieder, hat sich mit seinen ausgezeichneten Arbeiten auf dem
Gebiete der Herstellung von Beleuchtungskörpern in der Zeit des Aufschwungs des deutschen Kunstgewerbes einen weithin
bekannten Namen gemacht. Es dürfte unseren Leserkreis daher besonders interessieren, in den folgenden Ausführungen zu
erfahren, wie er zu den gegenwärtigen Fragen dieses Gebietes Stellung nimmt.
Muß heute jemand sich damit beschäftigen, Beleuchtungs-
körper für seine Wohnung anzuschaffen, so kommt er, wenn
er diese Angelegenheii nicht nur vom geschmacklichen, son-
dern auch vom wirtschaftlichen Standpunkte aus betrachtet,
in Streit mit seinem Gefühl und seiner Vernunft. Die Läger der
Geschäfte bieten eine ungeheure Auswahl von Beleuchtungs-
körpern an. Sein gefühlsmäßiger Geschmack hetzt den Käufer
von einem Stück zum anderen, bis er müde vom Sehen den
Vorschlägen des geschickten Verkäufers folgt und danach seine
Wahl trifft.
Schaltet er sein Gefühl aus und betrachtet er die Angelegen-
heit mit kalter Vernunft, so wird er finden, daß die einfachsten
Lampen doch wohl die vorteilhaftesten für ihn sind. Er
empfinde!- die verzierte Gestaltung der Stücke als einen Ueber-
fluß und eine Preisfrage.
Die Gewohnheit lehrt, daß in der Mitte eines Raumes ein
Beleuchtungskörper hängen muß, daß aber zum Beispiel eine
einfache Kugelbeleuchtung diese Frage löst und jede andere
kompliziertere Formgestaltung eines Beleuchtungskörpers in
lichttechnischer Leistung übertrifft. So gibt es noch viele Mög-
lichkeiten für die Beleuchtung, einfach in der Form und doch
lichttechnisch überzeugend zu sein. Die Entwicklung der Be-
leuchtung von Räumen geht unaufhaltsam dahin, daß man
viele Bestandteile des bisherigen Körpers fortlassen wird und
nur noch die Lichtleistung, sei sie direkt oder indirekt, mit
den einfachsten Mitteln zur Geltung kommen lassen wird. Das
schattenlose indirekte Licht ist nicht allgemein beliebt; es ist
auch wirtschaftlich im Nachteil gegenüber der direkten Be-
leuchtung.
Den Lichttechniker wird die Frage beschäftigen müssen: Wie
beleuchtet man einen Raum durch eine angenehm für das Auge
wirkende Beleuchtung ohne eine Beschirmung irgendwelcher
Art. Der Beleuchtungskörper leitet seine Berechtigung, im Räume
zu hängen, nur von althergebrachter Gewohnheit ab. Für alle
früheren Beleuchtungsquellen, wie Kerzen, Oel, Petroleum, Gas
war dieses Imraumehängen bedingt. Für die elektrische Licht-
spendung ist das Hängen nicht unbedingt nötig. Heute ist
Birne mit Fassung ohne Hahn
Soffilten mit Fassung, geschlossen und offen. Photo:
Finsler. Aus dem Buch „Licht und Beleuchtung"
1928 (Verlag Hermann Reckendorf).
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