Deutsches Goldschmiedehandwerk
WILHELM LÖTZ, BERLIN
Wenn wir in diesem Heft im größerem Umfang Gold-
schmiedearbeiten zeigen, so scheint das auf den ersten Blick
ein wenig zeitgemäßes Unterfangen zu sein. Denn das Gold-
schmiedehandwerk befindet sich schon all die Jahre in einer
schweren Krise. Es gerät immer mehr, wie jedes Kunsthand-
werk, in die Gefahr, gegenüber der Industrie an Boden und
auch an Beachtung zu verlieren. Der Markt ist gerade für
die Erzeugnisse des Goldschmiedehandwerks sehr gering, da
die Preise außer durch die subtile Arbeit auch durch den
Materialwert sehr hoch werden müssen. Weiterhin fehlen heute
die Auftraggeber für besondere Einzelstücke wie Ehrengaben,
oder mindestens fehlt eine Tradition der Auswahl und Bestel-
lung bei denen, die solche Arbeiten erwerben. Das andere
Sondergebiet der Goldschmiederei, die Schmuckherstellung,
krankt daran, daß die Schmuckträger billigen, unechten
und auffallenden Schmuck, der sich rascher der Mode an-
gleicht und dekorativ wirkt, tragen. Das Geld für Edelmetall-
erzeugnisse scheint zu fehlen, zumindestens fehlt die Sitte, diese
Arbeiten zu erwerben und zu verwenden.
Eine Veröffentlichung von Goldschmiedearbeiten trifft heute,
wenn man nach Markt und gesellschaftlicher Sitte geht, nicht
auf eine verständnisvolle Leserschicht.
Es gibt heute aber außer diesen soziologischen und wirt-
schaftlichen Erwägungen auch noch wichtigere Gründe für eine
Publikation über ein solches Thema. Die Frage des Lebens
und Sterbens des Kunsthandwerks wird glücklicherweise nicht
von solchen höchst ungeistigen Faktoren bestimmt. Sie wird
gefordert von einem dem Menschen angeborenen Suchen nach
Werten und von einem ganz eindeutig gerichteten Schaffens-
trieb. Man kann nicht etwas totsagen, weil es nicht oder wenig
gekauft wird oder werden kann.
In den folgenden Ausführungen sollen zwei Gedankengänge
verfolgt werden. Es soll dargelegt werden, daß das Kunst-
handwerk mit tiefen geistigen Strömungen unsrer Zeit ver-
bunden ist, ohne daß damit auch gesagt sein soll, daß das
heutige Kunsthandwerk schon die wirkliche Erscheinungsform
dieses Ideengehaltes darstellt. Weiterhin soll darauf hin-
gewiesen werden, daß das Goldschmiedehandwerk eigentlich
der Inbegriff dessen ist, was man Kunsthandwerk nennt. Ob
in der Vielgestaltigkeit unsres Lebens das Kunsthandwerk wieder
die zentrale Stellung einnehmen kann, wie in früheren Zeiten,
kann nicht angenommen werden, aber eine geistige Höher-
stellung und eine stärkere Bindung an das Wesen der Zeit
muß notwendigerweise auch eine stärkere Verankerung des
künstlerischen Handwerks im Leben mit sich bringen und damit
eine stärkere wirtschaftliche Grundlage.
Das Erzeugnis des Kunsthandwerkers pflegt, gemessen am
Industrieprodukt, einen besonderen Wert darzustellen, der mit
Material- und Arbeitswert nicht erschöpft ist. Man schätzt die
besondere Art der Arbeit mehr als die angewandte Mühe,
die selbstverständlich ist, die aber gar nicht in Erscheinung
treten soll. Der Handwerker bemißt dabei seine Arbeit auch
nicht nach Zeit und Erlös. In früheren Zeiten der Blüte des
Kunsthandwerks war der Ansatz der wertvollen Arbeit eine
Leistung im Dienst einer Idee, meist der religiösen oder der
staatlichen Repräsentation. Dieser Mehrwert war eine Leistung,
zu der man durch sein Können verpflichtet war, man dachte
aber nicht daran, dafür eine Entlohnung zu erhalten; ob
Schuster oder Goldschmied, die Arbeit wurde entlohnt, nicht
aber ihr besonderer Wert. Wir haben uns daran gewöhnt,
daß der Kunsthandwerker höheren Lohn erhält, daß wir, genau
wie beim Künstler, den Kunstwert zahlen. Aber die Arbeit
wird nicht geleistet des Lohnes willen, sondern aus der Freude
an der Formung des Materials heraus.
Der Kunsthandwerker gewöhnt sich heute ab, für seine Arbeit
wesentlich mehr zu verlangen, als für eine Handarbeit recht
und billig ist. Das ist auch gut so. Denn damit wird das kunst-
handwerkliche Erzeugnis erschwinglich nicht nur für bestimmte
Kreise. Auch der Begriff des Sammlerwertes, der im Verkaufs-
preis schon berücksichtigt wurde, verschwindet allmählich.
Damit erhält das Kunsthandwerk eine gesündere und volks-
tümlichere Basis. Diese Scheidung zwischen einem reinen
Arbeitswert und -erlös und einem dank besonderer natürlicher
Begnadung hinzukommenden, aber nicht bezahlbaren künst-
lerischen Wert trifft zusammen mit den Ideengängen unseres
heutigen Lebens und Schaffens und seiner Eingliederung in das
Volksganze.
Es ist von Bedeutung, daß wir im Erzeugnis des Kunsthand-
werkers und des Handwerkers überhaupt wieder den Wert
der Arbeit in der Besonderheit des handwerklichen Prozesses
erkennen. Wir sehen, nicht wie beim Industrieprodukt nur
die fertige Ware und ihren Wert für die Verwendung, für die
man sie erwerben will, also den Wert ihrer Funktion, sondern
wir bewerten es als Geschaffenes. Es wurde oft gesagt, daß
der besondere Wert des handwerklichen Erzeugnisses in der
Einmaligkeit liege; in einer Zeit, in der alles so sehr typisiert
werde, so führte man aus, werde gerade das individuelle Er-
zeugnis mehr und mehr geschätzt. Das ist falsch und gefähr-
lich, wenn man dabei an das individuelle und besondere
Aussehen des Erzeugnisses selbst denkt, es ist aber unbestreit-
bar richtig, wenn man an den höchst individuellen Schaffens-
prozeß denkt.
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WILHELM LÖTZ, BERLIN
Wenn wir in diesem Heft im größerem Umfang Gold-
schmiedearbeiten zeigen, so scheint das auf den ersten Blick
ein wenig zeitgemäßes Unterfangen zu sein. Denn das Gold-
schmiedehandwerk befindet sich schon all die Jahre in einer
schweren Krise. Es gerät immer mehr, wie jedes Kunsthand-
werk, in die Gefahr, gegenüber der Industrie an Boden und
auch an Beachtung zu verlieren. Der Markt ist gerade für
die Erzeugnisse des Goldschmiedehandwerks sehr gering, da
die Preise außer durch die subtile Arbeit auch durch den
Materialwert sehr hoch werden müssen. Weiterhin fehlen heute
die Auftraggeber für besondere Einzelstücke wie Ehrengaben,
oder mindestens fehlt eine Tradition der Auswahl und Bestel-
lung bei denen, die solche Arbeiten erwerben. Das andere
Sondergebiet der Goldschmiederei, die Schmuckherstellung,
krankt daran, daß die Schmuckträger billigen, unechten
und auffallenden Schmuck, der sich rascher der Mode an-
gleicht und dekorativ wirkt, tragen. Das Geld für Edelmetall-
erzeugnisse scheint zu fehlen, zumindestens fehlt die Sitte, diese
Arbeiten zu erwerben und zu verwenden.
Eine Veröffentlichung von Goldschmiedearbeiten trifft heute,
wenn man nach Markt und gesellschaftlicher Sitte geht, nicht
auf eine verständnisvolle Leserschicht.
Es gibt heute aber außer diesen soziologischen und wirt-
schaftlichen Erwägungen auch noch wichtigere Gründe für eine
Publikation über ein solches Thema. Die Frage des Lebens
und Sterbens des Kunsthandwerks wird glücklicherweise nicht
von solchen höchst ungeistigen Faktoren bestimmt. Sie wird
gefordert von einem dem Menschen angeborenen Suchen nach
Werten und von einem ganz eindeutig gerichteten Schaffens-
trieb. Man kann nicht etwas totsagen, weil es nicht oder wenig
gekauft wird oder werden kann.
In den folgenden Ausführungen sollen zwei Gedankengänge
verfolgt werden. Es soll dargelegt werden, daß das Kunst-
handwerk mit tiefen geistigen Strömungen unsrer Zeit ver-
bunden ist, ohne daß damit auch gesagt sein soll, daß das
heutige Kunsthandwerk schon die wirkliche Erscheinungsform
dieses Ideengehaltes darstellt. Weiterhin soll darauf hin-
gewiesen werden, daß das Goldschmiedehandwerk eigentlich
der Inbegriff dessen ist, was man Kunsthandwerk nennt. Ob
in der Vielgestaltigkeit unsres Lebens das Kunsthandwerk wieder
die zentrale Stellung einnehmen kann, wie in früheren Zeiten,
kann nicht angenommen werden, aber eine geistige Höher-
stellung und eine stärkere Bindung an das Wesen der Zeit
muß notwendigerweise auch eine stärkere Verankerung des
künstlerischen Handwerks im Leben mit sich bringen und damit
eine stärkere wirtschaftliche Grundlage.
Das Erzeugnis des Kunsthandwerkers pflegt, gemessen am
Industrieprodukt, einen besonderen Wert darzustellen, der mit
Material- und Arbeitswert nicht erschöpft ist. Man schätzt die
besondere Art der Arbeit mehr als die angewandte Mühe,
die selbstverständlich ist, die aber gar nicht in Erscheinung
treten soll. Der Handwerker bemißt dabei seine Arbeit auch
nicht nach Zeit und Erlös. In früheren Zeiten der Blüte des
Kunsthandwerks war der Ansatz der wertvollen Arbeit eine
Leistung im Dienst einer Idee, meist der religiösen oder der
staatlichen Repräsentation. Dieser Mehrwert war eine Leistung,
zu der man durch sein Können verpflichtet war, man dachte
aber nicht daran, dafür eine Entlohnung zu erhalten; ob
Schuster oder Goldschmied, die Arbeit wurde entlohnt, nicht
aber ihr besonderer Wert. Wir haben uns daran gewöhnt,
daß der Kunsthandwerker höheren Lohn erhält, daß wir, genau
wie beim Künstler, den Kunstwert zahlen. Aber die Arbeit
wird nicht geleistet des Lohnes willen, sondern aus der Freude
an der Formung des Materials heraus.
Der Kunsthandwerker gewöhnt sich heute ab, für seine Arbeit
wesentlich mehr zu verlangen, als für eine Handarbeit recht
und billig ist. Das ist auch gut so. Denn damit wird das kunst-
handwerkliche Erzeugnis erschwinglich nicht nur für bestimmte
Kreise. Auch der Begriff des Sammlerwertes, der im Verkaufs-
preis schon berücksichtigt wurde, verschwindet allmählich.
Damit erhält das Kunsthandwerk eine gesündere und volks-
tümlichere Basis. Diese Scheidung zwischen einem reinen
Arbeitswert und -erlös und einem dank besonderer natürlicher
Begnadung hinzukommenden, aber nicht bezahlbaren künst-
lerischen Wert trifft zusammen mit den Ideengängen unseres
heutigen Lebens und Schaffens und seiner Eingliederung in das
Volksganze.
Es ist von Bedeutung, daß wir im Erzeugnis des Kunsthand-
werkers und des Handwerkers überhaupt wieder den Wert
der Arbeit in der Besonderheit des handwerklichen Prozesses
erkennen. Wir sehen, nicht wie beim Industrieprodukt nur
die fertige Ware und ihren Wert für die Verwendung, für die
man sie erwerben will, also den Wert ihrer Funktion, sondern
wir bewerten es als Geschaffenes. Es wurde oft gesagt, daß
der besondere Wert des handwerklichen Erzeugnisses in der
Einmaligkeit liege; in einer Zeit, in der alles so sehr typisiert
werde, so führte man aus, werde gerade das individuelle Er-
zeugnis mehr und mehr geschätzt. Das ist falsch und gefähr-
lich, wenn man dabei an das individuelle und besondere
Aussehen des Erzeugnisses selbst denkt, es ist aber unbestreit-
bar richtig, wenn man an den höchst individuellen Schaffens-
prozeß denkt.
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