Stoffe und Materialien
WILHELM LÖTZ, BERLIN.
Die Industrie kann man theoretisch einteilen in eine Gruppe, ungefähr Darstellung des Industrie-Stammbaums eines Be-
die Materialien herstellt, die für die zweite Gruppe Roh- leuchtungskörpers.
material zur Herstellung von Fertigerzeugnissen sind. Früher Allerdings sei hier auch darauf hingewiesen, worauf später
lag der Prozeß der Materialzurichtung und Materialherstellung zurückzugreifen ist, daß in neuerer Zeit das Bestreben vor-
räumlich mit dem der Verarbeitung zu Fertigerzeugnissen näher handen ist, Querverbindungen wirtschaftlicher Art von der
zusammen. Das heißt, der primitive Handwerker bereitete aus Rohstoffbearbeitung bis zum Fertigerzeugnis herzustellen,
den Naturprodukten sein Arbeitsmaterial meist selbst. Es gibt Große Verlage haben Druckereien, eine Platinschmelze steht
natürlich Gewerbe, bei denen sich diese Trennung schon sehr in engster kommerzieller Bindung mit einer Quarzlampenfabrik
früh einstellte, wie bei Müller und Bäcker, bei Papiermühle und und einer Fabrik für die Herstellung keramischer Farben. Die
Drucker, aber im wesentlichen fand die durchgreifend kon- I. G. Farben fertigen Fotomaterial, kosmetische Präparate, Me-
sequente Trennung erst später, aber meist schon vor der dikamente. Die Konzern- und Ringbildung geschieht oft nicht
Industrialisierung statt. Im Zeitalter der Industrie wurde der nur waagrecht zwischen Firmen, die nur Rohstoffe, nur
Arbeitsprozeß vom Naturmaterial bis zum Fertigerzeugnis noch Zwischenmaterialien oder nur Fertigwaren gleicher Branche
mehr in verschiedene Prozesse, die in verschiedenen Betrieben produzieren, sondern auch senkrecht, so daß sich Reihen, Quer-
ihren Platz hatten, unterteilt. Außerdem lösen sich die Bin- Verbindungen von der Materialbearbeitung bis zum Fertig-
dungen zwischen den beiden Gruppen in vielfältigere Be- erzeugnis bilden. Aber betriebstechnisch bleiben die Prozesse
Ziehungen auf. überlegen wir uns einmal, welcherlei ver- getrennt, sie werden dadurch oft noch mehr differenziert,
schiedene Materialien an einem Buch Verwendung finden yy-as bedeutet diese Vielfältigkeit der Bearbeitungsprozesse?
und wieviel Spezialprozesse der Materialbearbeitung und Einmal, daß der Herstellungsprozeß vom Naturmaterial bis
-Zurichtung vorausgehen und auf wieviel Betriebe sie sich ver- zurt1 Rohmaterial für die Fertigwarenindustrie komplizierter ge-
teilen. Nur einige seien genannt: Papierfabrik, davor die worden ist. Das hat seinen Grund darin, daß wir an das
Holzschliffmühle und die chemische Fabrik, Druckereifarben- Material viel höhere Ansprüche zu stellen gelernt haben. Aber
fabrik, davor wieder die chemische Fabrik, für das Leinen die <-|as bedeutet ferner, daß wir uns von der Verwendung des
Weberei und die Fabrik für Stoff-Farben, bei Drahtheftung die reinen Naturmaterials immer mehr entfernen, weil das Natur-
Spezialmetallwarenfabrik, die ihr Rohmetall wieder aus einer material, wenn es in die Hände der Fertigwarenindustrie ge-
Schmelze bezieht und so fort. Seltsam ist, daß man beim |angtj schon senr weit zugerichtet ist. Es ist durch verschiedene
Rückwärtsverfolgen eines solchen Stammbaumes fast immer proZesse, chemische und mechanische, denaturiert worden,
zuletzt auf die chemische Industrie trifft. Wir zeigen hier eine Wir sprechen heute von Kunstmaterialien, wenn dieser Prozeß
sehr synthetischer Natur ist, vor allem, wenn er unter Mit-
wirkung stark den Charakter verändernder chemischer Pro-
zesse erfolgt. Theoretisch nur — aber nicht praktisch — werden
die Stoffe aus den chemischen Grundstoffen erzeugt.
Der Grundcharakter dieser Denaturierung ist wohl der, daß
das Material in seiner Struktur und daher in seinem Verhalten
zum Produktionsprozeß gleichmäßiger ist als das organische
Material, dessen organische Struktur den Sinn verloren hat,
wenn es nicht mehr als gewachsener Organismus, sondern als
bearbeitetes Material fungiert.
Die Materialherstellungs- und Bearbeitungsindustrie gruppieren
rietei/wertc sich nun um andere Gesichtpunkte als früher, wo es sich um
Belieferung eines oder einiger Betriebe für Fertigwaren
handelte. Die chemische Fabrik, man denke an die I. G. Farben,
beliefert fast alle Industrien direkt oder indirekt. Sie grup-
pieren sich um bestimmte Prozesse und Produktionsformen und
ßfcywfcAe Baumwou- ; Zetistoffwerhe "\\\* * Hüttenwerke oft erschließt ein Abfallprodukt ganz neue Möglichkeiten und
Märkte. Die Fertigwarenindustrie von heute findet auf dem
Markt der Rohwaren eine viel reichhaltigere Sortenliste vor
als der frühere Handwerker, der fast allein auf die Natur-
materialien angewiesen war. Praktisch bedeutet das, daß,
Wo/oC Rohttofft Btrgwerk* wenn wir ein Objekt erzeugen wollen, wir eine größere Aus-
wahl unter den in Frage kommenden Materialien haben. Wer
Der industrielle Stammbaum eines elektrischen Beleuchtungskörpers. heute Möbel herstellen will, kann Holz nehmen, aber er kann
BeleutAtt/.lysMörperfabriA
110
WILHELM LÖTZ, BERLIN.
Die Industrie kann man theoretisch einteilen in eine Gruppe, ungefähr Darstellung des Industrie-Stammbaums eines Be-
die Materialien herstellt, die für die zweite Gruppe Roh- leuchtungskörpers.
material zur Herstellung von Fertigerzeugnissen sind. Früher Allerdings sei hier auch darauf hingewiesen, worauf später
lag der Prozeß der Materialzurichtung und Materialherstellung zurückzugreifen ist, daß in neuerer Zeit das Bestreben vor-
räumlich mit dem der Verarbeitung zu Fertigerzeugnissen näher handen ist, Querverbindungen wirtschaftlicher Art von der
zusammen. Das heißt, der primitive Handwerker bereitete aus Rohstoffbearbeitung bis zum Fertigerzeugnis herzustellen,
den Naturprodukten sein Arbeitsmaterial meist selbst. Es gibt Große Verlage haben Druckereien, eine Platinschmelze steht
natürlich Gewerbe, bei denen sich diese Trennung schon sehr in engster kommerzieller Bindung mit einer Quarzlampenfabrik
früh einstellte, wie bei Müller und Bäcker, bei Papiermühle und und einer Fabrik für die Herstellung keramischer Farben. Die
Drucker, aber im wesentlichen fand die durchgreifend kon- I. G. Farben fertigen Fotomaterial, kosmetische Präparate, Me-
sequente Trennung erst später, aber meist schon vor der dikamente. Die Konzern- und Ringbildung geschieht oft nicht
Industrialisierung statt. Im Zeitalter der Industrie wurde der nur waagrecht zwischen Firmen, die nur Rohstoffe, nur
Arbeitsprozeß vom Naturmaterial bis zum Fertigerzeugnis noch Zwischenmaterialien oder nur Fertigwaren gleicher Branche
mehr in verschiedene Prozesse, die in verschiedenen Betrieben produzieren, sondern auch senkrecht, so daß sich Reihen, Quer-
ihren Platz hatten, unterteilt. Außerdem lösen sich die Bin- Verbindungen von der Materialbearbeitung bis zum Fertig-
dungen zwischen den beiden Gruppen in vielfältigere Be- erzeugnis bilden. Aber betriebstechnisch bleiben die Prozesse
Ziehungen auf. überlegen wir uns einmal, welcherlei ver- getrennt, sie werden dadurch oft noch mehr differenziert,
schiedene Materialien an einem Buch Verwendung finden yy-as bedeutet diese Vielfältigkeit der Bearbeitungsprozesse?
und wieviel Spezialprozesse der Materialbearbeitung und Einmal, daß der Herstellungsprozeß vom Naturmaterial bis
-Zurichtung vorausgehen und auf wieviel Betriebe sie sich ver- zurt1 Rohmaterial für die Fertigwarenindustrie komplizierter ge-
teilen. Nur einige seien genannt: Papierfabrik, davor die worden ist. Das hat seinen Grund darin, daß wir an das
Holzschliffmühle und die chemische Fabrik, Druckereifarben- Material viel höhere Ansprüche zu stellen gelernt haben. Aber
fabrik, davor wieder die chemische Fabrik, für das Leinen die <-|as bedeutet ferner, daß wir uns von der Verwendung des
Weberei und die Fabrik für Stoff-Farben, bei Drahtheftung die reinen Naturmaterials immer mehr entfernen, weil das Natur-
Spezialmetallwarenfabrik, die ihr Rohmetall wieder aus einer material, wenn es in die Hände der Fertigwarenindustrie ge-
Schmelze bezieht und so fort. Seltsam ist, daß man beim |angtj schon senr weit zugerichtet ist. Es ist durch verschiedene
Rückwärtsverfolgen eines solchen Stammbaumes fast immer proZesse, chemische und mechanische, denaturiert worden,
zuletzt auf die chemische Industrie trifft. Wir zeigen hier eine Wir sprechen heute von Kunstmaterialien, wenn dieser Prozeß
sehr synthetischer Natur ist, vor allem, wenn er unter Mit-
wirkung stark den Charakter verändernder chemischer Pro-
zesse erfolgt. Theoretisch nur — aber nicht praktisch — werden
die Stoffe aus den chemischen Grundstoffen erzeugt.
Der Grundcharakter dieser Denaturierung ist wohl der, daß
das Material in seiner Struktur und daher in seinem Verhalten
zum Produktionsprozeß gleichmäßiger ist als das organische
Material, dessen organische Struktur den Sinn verloren hat,
wenn es nicht mehr als gewachsener Organismus, sondern als
bearbeitetes Material fungiert.
Die Materialherstellungs- und Bearbeitungsindustrie gruppieren
rietei/wertc sich nun um andere Gesichtpunkte als früher, wo es sich um
Belieferung eines oder einiger Betriebe für Fertigwaren
handelte. Die chemische Fabrik, man denke an die I. G. Farben,
beliefert fast alle Industrien direkt oder indirekt. Sie grup-
pieren sich um bestimmte Prozesse und Produktionsformen und
ßfcywfcAe Baumwou- ; Zetistoffwerhe "\\\* * Hüttenwerke oft erschließt ein Abfallprodukt ganz neue Möglichkeiten und
Märkte. Die Fertigwarenindustrie von heute findet auf dem
Markt der Rohwaren eine viel reichhaltigere Sortenliste vor
als der frühere Handwerker, der fast allein auf die Natur-
materialien angewiesen war. Praktisch bedeutet das, daß,
Wo/oC Rohttofft Btrgwerk* wenn wir ein Objekt erzeugen wollen, wir eine größere Aus-
wahl unter den in Frage kommenden Materialien haben. Wer
Der industrielle Stammbaum eines elektrischen Beleuchtungskörpers. heute Möbel herstellen will, kann Holz nehmen, aber er kann
BeleutAtt/.lysMörperfabriA
110