Geschliffenes und gepreßtes Glas
RICHARD L F. SCHULZ-BERLIN
In allen Museen der Welt befinden sich Erzeugnisse der
Glasmacherkunst, die aus den alten Kulturländern Asiens und
Europas stammen und die vor Jahrhunderten entstanden sind.
England weist erst Stücke aus dem 17. Jahrhundert auf. In
England, das heute in der Herstellung von Glaserzeugnissen
unserer Gebrauchskultur so hoch über allen Ländern der Erde
steht, wurde die Herstellung von Fensterglas erst im 15. Jahr-
hundert betrieben, und zwar so unvollkommen, daß man
holländisches, italienisches und französisches Glas den eigenen
Erzeugnissen vorzog. In der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts wurden in London durch fremde Glastechniker aus
Antwerpen, Lothringen und Frankreich auf Veranlassung der
Königin Elisabeth Glashütten errichtet. Aber erst das 17. Jahr-
hundert ist bedeutend für die Geschichte des englischen Glases,
weil hier das Bleikristall entstand, und die damals entstandenen
Stücke erfreuen sich bei allen Sammlern heute der größten
Wertschätzung. Man schreibt die Entstehung des Bleikristall-
glases dem Umstände zu, daß erstens die Holzfeuerung zum
Schmelzen des Glasflusses verboten wurde aus Mangel an
genügendem Holzbestand und die Steinkohlenfeuerung zur
Anwendung kommen mußte, und daß zweitens ein großer
Zusatz von Bleioxyden den Schmelzmassen zugesetzt wurde.
Ein genaues Datum der Erfindung des englischen Bleikristall-
glases ist nicht festzustellen, es ist nur sicher, daß es eine
englische Erfindung ist und daß als erste Hütte auf dem
Kontinent die Cristallerie von St. Louis im Elsaß im Jahre 1782
Bleikristallerzeugnisse nach englischem Rezept herstellte. Das
englische, durch Schleiftechnik veredelte Bleikristall, bedingte
schwere Formen, sie waren plump zu nennen im Vergleich
zu den eleganten Gläsern aus Italien, Spanien, Frankreich und
Deutschland mit ihrem farbigen Schmuck und leichten Schliffen
und Gravierungen. Auch heute noch ist englisches Kristall
(cut glas} schwerer in Form und Masse im Gegensatz zu den
Erzeugnissen anderer Länder. Die englischen Erzeugnisse aber
haben Würde, Gediegenheit, Brillanz, einen glockenhellen
Klang und Gebrauchswerte, die sie zu einem wirtschaftlichen
Faktor werden ließen, so daß sie mit Recht Erzeugnissen anderer
Länder, die verspielt in Form und Dekor sind, von ästhetisch
empfindenden Menschen vorgezogen werden. Trotz aller oben
genannten Vorzüge hat das Bleikristall doch einen Nachteil:
es nutzt sich im Gebrauch infolge seiner Weichheit dem Kali-
glase gegenüber schneller ab und verliert seine wunderbare
Brillanz. Bleikristall muß meist in Holzformen geblasen werden,
was eine einfache Formgebung bedingt und aus dem Block-
Metallform diese vollständig zu füllen; zu wenig, aber auch
zu viel Glasflußmasse gibt Ausschußware,
Schale aus Preßglas
Weber & Fortemps,
Glasfabrik, Sindorf
im Rheinland.
Foto M. Krajewsky,
Berlin
RICHARD L F. SCHULZ-BERLIN
In allen Museen der Welt befinden sich Erzeugnisse der
Glasmacherkunst, die aus den alten Kulturländern Asiens und
Europas stammen und die vor Jahrhunderten entstanden sind.
England weist erst Stücke aus dem 17. Jahrhundert auf. In
England, das heute in der Herstellung von Glaserzeugnissen
unserer Gebrauchskultur so hoch über allen Ländern der Erde
steht, wurde die Herstellung von Fensterglas erst im 15. Jahr-
hundert betrieben, und zwar so unvollkommen, daß man
holländisches, italienisches und französisches Glas den eigenen
Erzeugnissen vorzog. In der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts wurden in London durch fremde Glastechniker aus
Antwerpen, Lothringen und Frankreich auf Veranlassung der
Königin Elisabeth Glashütten errichtet. Aber erst das 17. Jahr-
hundert ist bedeutend für die Geschichte des englischen Glases,
weil hier das Bleikristall entstand, und die damals entstandenen
Stücke erfreuen sich bei allen Sammlern heute der größten
Wertschätzung. Man schreibt die Entstehung des Bleikristall-
glases dem Umstände zu, daß erstens die Holzfeuerung zum
Schmelzen des Glasflusses verboten wurde aus Mangel an
genügendem Holzbestand und die Steinkohlenfeuerung zur
Anwendung kommen mußte, und daß zweitens ein großer
Zusatz von Bleioxyden den Schmelzmassen zugesetzt wurde.
Ein genaues Datum der Erfindung des englischen Bleikristall-
glases ist nicht festzustellen, es ist nur sicher, daß es eine
englische Erfindung ist und daß als erste Hütte auf dem
Kontinent die Cristallerie von St. Louis im Elsaß im Jahre 1782
Bleikristallerzeugnisse nach englischem Rezept herstellte. Das
englische, durch Schleiftechnik veredelte Bleikristall, bedingte
schwere Formen, sie waren plump zu nennen im Vergleich
zu den eleganten Gläsern aus Italien, Spanien, Frankreich und
Deutschland mit ihrem farbigen Schmuck und leichten Schliffen
und Gravierungen. Auch heute noch ist englisches Kristall
(cut glas} schwerer in Form und Masse im Gegensatz zu den
Erzeugnissen anderer Länder. Die englischen Erzeugnisse aber
haben Würde, Gediegenheit, Brillanz, einen glockenhellen
Klang und Gebrauchswerte, die sie zu einem wirtschaftlichen
Faktor werden ließen, so daß sie mit Recht Erzeugnissen anderer
Länder, die verspielt in Form und Dekor sind, von ästhetisch
empfindenden Menschen vorgezogen werden. Trotz aller oben
genannten Vorzüge hat das Bleikristall doch einen Nachteil:
es nutzt sich im Gebrauch infolge seiner Weichheit dem Kali-
glase gegenüber schneller ab und verliert seine wunderbare
Brillanz. Bleikristall muß meist in Holzformen geblasen werden,
was eine einfache Formgebung bedingt und aus dem Block-
Metallform diese vollständig zu füllen; zu wenig, aber auch
zu viel Glasflußmasse gibt Ausschußware,
Schale aus Preßglas
Weber & Fortemps,
Glasfabrik, Sindorf
im Rheinland.
Foto M. Krajewsky,
Berlin