Möbelstoff, farbiges Leinen. Handarbetets Vänner, Stockholm.
Leinen und Leinenweberei
KURT HENTSCHEL, BERLIN
Leinen — der edle Faserstoff, einst hoch geschätzt und der
Stolz jedes Haushaltes, ist in den vergangenen Jahrzehnten
immer mehr aus seiner Vormachtstellung herausgedrängt wor-
den. Baumwolle und in letzter Zeit vor allem Kunstseide traten
an seine Stelle, da sie billiger waren und da ein besonderer
Vorzug des Leinens, seine Dauerhaftigkeit, bei dem schnellen
Wechsel der Moden an Bedeutung verloren hatte. So kam die
einst blühende deutsche Leinenindustrie in immer größere
Schwierigkeiten und schließlich in eine ausgesprochene
Notlage.
An Bemühungen aller Art, der Leinenindustrie zu helfen, hat
es nicht gefehlt. Leider war ein merklicher Erfolg nicht fest-
zustellen, das kaufende Publikum zeigte wenig Interesse für
Leinen. Um so überraschender und erfreulicher zugleich war
daher das schlagartige Einsetzen einer Kleiderleinenmode im
vergangenen Sommer, die der deutschen Leinenindustrie die
lange ersehnte Besserung brachte. Man griff zuerst zu dem
einfachen, groben, handgewebten Bauernleinen, dessen Cha-
rakter nachzubilden auch die mechanische Weberei bemüht
war. Leinenkleider, Leinenkostüme, Leinenmäntel beherrschten
das Straßenbild. Schon jetzt aber ist festzustellen, daß die
Leinenmode des Sommers 1934 ein anderes Bild bieten wird.
Das glatte Leinen hat nämlich in der Verwendung als Kleider-
leinen einige Mängel gezeigt, die seinen Erfolg gefährdeten.
Soweit diese Mängel allein auf Qualitätsverschlechterung der
Ware durch einzelne Fabrikanten zurückzuführen waren, dür-
fen sie als abgestellt gelten, da der Verband Deutscher Leinen-
webereien mit erfreulicher Gründlichkeit Qualitätsvorschriften
für Kleiderleinen aufgestellt hat. Vielen aber genügte der
Reiz, den die unregelmäßige Oberfläche des einfachen Leinens
bietet, nicht, man suchte nach modischen Effekten, wie man
sie von andern Stoffen her gewöhnt ist. Außerdem aber knittert
das glatte Kleiderleinen, wie es Leinen eben stets getan hat, so
daß die Leinenkleider und Leinenmäntel beim Tragen schnell
unansehnlich wurden und häufig gewaschen oder wenigstens
geplättet werden mußten.
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Leinen und Leinenweberei
KURT HENTSCHEL, BERLIN
Leinen — der edle Faserstoff, einst hoch geschätzt und der
Stolz jedes Haushaltes, ist in den vergangenen Jahrzehnten
immer mehr aus seiner Vormachtstellung herausgedrängt wor-
den. Baumwolle und in letzter Zeit vor allem Kunstseide traten
an seine Stelle, da sie billiger waren und da ein besonderer
Vorzug des Leinens, seine Dauerhaftigkeit, bei dem schnellen
Wechsel der Moden an Bedeutung verloren hatte. So kam die
einst blühende deutsche Leinenindustrie in immer größere
Schwierigkeiten und schließlich in eine ausgesprochene
Notlage.
An Bemühungen aller Art, der Leinenindustrie zu helfen, hat
es nicht gefehlt. Leider war ein merklicher Erfolg nicht fest-
zustellen, das kaufende Publikum zeigte wenig Interesse für
Leinen. Um so überraschender und erfreulicher zugleich war
daher das schlagartige Einsetzen einer Kleiderleinenmode im
vergangenen Sommer, die der deutschen Leinenindustrie die
lange ersehnte Besserung brachte. Man griff zuerst zu dem
einfachen, groben, handgewebten Bauernleinen, dessen Cha-
rakter nachzubilden auch die mechanische Weberei bemüht
war. Leinenkleider, Leinenkostüme, Leinenmäntel beherrschten
das Straßenbild. Schon jetzt aber ist festzustellen, daß die
Leinenmode des Sommers 1934 ein anderes Bild bieten wird.
Das glatte Leinen hat nämlich in der Verwendung als Kleider-
leinen einige Mängel gezeigt, die seinen Erfolg gefährdeten.
Soweit diese Mängel allein auf Qualitätsverschlechterung der
Ware durch einzelne Fabrikanten zurückzuführen waren, dür-
fen sie als abgestellt gelten, da der Verband Deutscher Leinen-
webereien mit erfreulicher Gründlichkeit Qualitätsvorschriften
für Kleiderleinen aufgestellt hat. Vielen aber genügte der
Reiz, den die unregelmäßige Oberfläche des einfachen Leinens
bietet, nicht, man suchte nach modischen Effekten, wie man
sie von andern Stoffen her gewöhnt ist. Außerdem aber knittert
das glatte Kleiderleinen, wie es Leinen eben stets getan hat, so
daß die Leinenkleider und Leinenmäntel beim Tragen schnell
unansehnlich wurden und häufig gewaschen oder wenigstens
geplättet werden mußten.
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