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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Der Erweiterungsbau der Reichsbank
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0034

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Jahren die Bank von England baute, blieb sie auch auf ihrem
Platz; das konnte man mit britischem Traditionalismus erklären
oder auch mit dem relativ geringen Umfang der Erweiterungs-
bauten, verglichen mit dem Hauptkörper. Für den Entschluß
der Reichsbank mögen vielleicht — wir wissen das nicht —
Rücksichten auf die bereits erfolgten Festlegungen in Grund-
stücken mitbestimmend gewesen sein. Doch sind ihr auch die
Gedankengänge des modernen Städtebaus über die Bedeutung
der City nicht unbekannt geblieben, und man wird annehmen
dürfen, daß der City-Gedanke bei den entscheidenden Er-
wägungen eine Rolle gespielt hat.

Wie auch der Hergang gewesen sein mag: die Tatsache
des beschlossenen Neubaus an dieser Stelle schafft eine voll-
kommen neue Situation für die städtebaulichen Fragen des
Berliner Stadtkerns. Zunächst einmal wird die Bedeutung dieses
Stadtkerns erneut scharf unterstrichen. Unbekümmert um das
Sterben großer Einzelhandelsbetriebe in ihrer nächsten Um-
gebung, unbekümmert um die Nachwehen der Bankenkrise,
um die Schwierigkeiten großer Teile der räumlich benachbarten
Berliner Exportindustrie — insbesondere der Konfektion —, un-
bekümmert schließlich um die neue Mode, Büropaläste im alten
Westen zu errichten, erklärt die Reichsbankleitung: mein Platz
ist hier, und hier bleibe ich. Dieses Faktum muß mit Not-
wendigkeit weitere Wirkungen nach sich ziehen.

Ob diese Wirkungen in rein städtebaulicher Beziehung so
weit reichen, wie es vor nunmehr zwei Jahren in einem Wett-
bewerbsentwurf des Berliner City-Ausschusses gedacht war,
wird man, mindestens für die nächste Zeit, bezweifeln müssen.

Nun, was das Reifen von Blütenträumen betrifft, so sind wir
nicht verwöhnt. Jener Vorschlag eines Wettbewerbs blieb im
Sande stecken — bei der großen Zahl der beteiligten Behörden
wäre das Gegenteil höchst überraschend gewesen. Aber es
ist doch interessant zu sehen, wie jetzt die umfassende Proble-
matik, die damals aufgezeigt wurde, an einem zentralen Punkt
praktisch angefaßt wird. Sogleich treten auch einige der städte-
bautechnischen Fragen in Erscheinung, die sich daraus ergeben.
Nach — vorläufig unbestätigten — Meldungen der Tagespresse
soll sich der Magistrat bereits mit einem Vorschlag beschäftigt
haben, nach dem sowohl die Oberwall- wie die Niederwall-
straße verbreitert werden sollen, um damit für den zum Teil
umzuleitenden Verkehr neue ausreichende Bahnen zu schaffen.
Mag es nun zunächst so oder auch anders werden — ein
Blick auf die Karte zeigt, daß damit die brennende Frage
einer organischen, der Funktion der City angemessenen Ver-
bindung von Leipziger Straße—Spittelmarkt sowie Unter den
Linden einerseits, Alexanderplatz andrerseits zwar von neuem
angerührt, aber noch keineswegs gelöst ist; diese Frage aber
ist gleichbedeutend mit der Frage einer inneren durchlaufenden
Ost-West-Verbindung überhaupt, d. h. mit einer Kernfrage für
die Lebensfähigkeit der City, ohne deren Lösung z. B. der
erneuerte Alexanderplatz nie richtig zum Leben kommen kann.

Die architektonische Aufgabe.

Vollkommen richtig, wenn der Bund Deutscher Architekten
einen Wettbewerb für eine so repräsentative Aufgabe ver-
langt. Ebenso richtig, wenn die Reichsbankleitung erklärt, die
innere Raumanordnung — also doch schließlich das wesent-

liche — könne nur von Leuten gemacht werden, die den
komplizierten Betrieb der Reichsbank genau kennen. Niemand
kann von der Reichsbank erwarten, daß sie allen Architekten,
die sich beteiligen wollen, diese Kenntnis des Betriebs ver-
mittelt. Wie es scheint — im Augenblick der Niederschrift sind
die Bedingungen des Wettbewerbs noch nicht bekannt —
hat man den Mittelweg gefunden, gewisse technische Aus-
arbeitungen, die vom Baubüro der Reichsbank hergestellt
werden, als Wettbewerbsunterlagen zur Verfügung zu stellen.

Hierzu in Parenthese: in einem wichtigen Punkt sind die
Informationen noch widersprechend, nämlich ob der alte Bau
erhalten werden oder ob er verschwinden soll — natürlich
ein ungeheurer Unterschied für die rein baukünstlerische Be-
handlung; eine befriedigende Lösung unter Fortbestand des
alten Baues scheint dem schlichten Laien fast undenkbar.

Aber auch hiervon abgesehen: je näher man sich das
Problem dieses Wettbewerbes ansieht, desto mehr häufen sich
die Schwierigkeiten. Man könnte sich denken, daß die Reichs-
bank sehr genaue Vorschriften über die aligemeine und sogar
über die spezielle Einteilung des Baukörpers und der Räume
gibt und ferner grundsätzlich einen modernen Zweckbau ver-
langt, für die Wettbewerber nur Einzelheiten freiläßt, so in
gewissen Grenzen die Wahl des Materials, die Gestaltung
einzelner Bauteile und besonders von Zubehörteilen (Innen-
ausstattung usw.). Gewiß wäre auch dann die Aufgabe noch
bedeutend. Aber sie würde doch nur einen ganz geringen Teil
des Ganzen erfassen. Und wäre man bei dieser Begrenzung
nicht veranlaßt, an Begriffe wie Fassadenarchitektur zu denken?

Man könnte sich eine erweiterte Aufgabestellung denken,
bei der die Anordnung der Hauptteile des Betriebs (Verwaltung,
Publikumsverkehr, Bankenverkehr usw.) unter bestimmten An-
forderungen für eine begrenzte Zahl von Lösungsmöglichkeiten
freigestellt würde. Damit würde die Aufgabe schon wesentlich
größeren Charakter gewinnen, sie könnte den Architekten als
Raumgestalter reizen. Aber wird sich solche Erweiterung ver-
tragen mit den Notwendigkeiten der Reichsbank selbst?

Daß ferner die bekannten Probleme eines jeden Architekten-
Wettbewerbs auch hier auftauchen, versteht sich am Rande:
Offener Wettbewerb oder geschlossener Kreis eingeladener
Teilnehmer? Ideenwettbewerb oder Auftragserteilung an den
Gewinner? Schließlich die Hauptfrage: Die Auswahl der Preis-
richter. Man darf gespannt sein . . .

Die eigentliche große Aufgabe aber, die bei dieser Ge-
legenheit im Wege des Wettbewerbs der Lösung näher ge-
bracht werden könnte, wäre die Planung für die städtebaulichen
Konsequenzen, die sich aus der Tatsache des Reichsbank-
neubaus ergeben. Vielmehr: sich ergeben sollten. Denn sie
ergeben sich keineswegs von selbst. Sie müssen gesucht und
erarbeitet werden. Der Haken ist, daß es dafür keinen Bau-
herrn gibt, sondern nur eine Fülle von sich überschneidenden
Zuständigkeiten. Vielleicht aber könnte die Reichsbank — wer
sollte es ihr verwehren? — wenigstens als Anhang zu den
Vorschlägen für ihr eigenes Gebäude auch ideenmäßige Vor-
schläge für die künftige Verkehrslage dieses Gebäudes ver-
langen. Sollte das unmöglich sein? Unmöglich gewiß nicht,
aber, seien wir offen, wahrscheinlich ist es auch nicht.

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