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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Weidler, Charlotte: Europäische und arabische Architektur in Afrika
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0048

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nicht das Geringste am Grundriß und — wie mir Marabu und
Kaid wiederholt versicherten — auch nichts an der Außen-
architektur verändert hat.

Namen von Architekten sind nicht überliefert. Der Einzelne
interessiert nicht. Alle haben sich der Gemeinschaft unter-
zuordnen. Hierin besteht eines der grundlegenden Gesetze
der großen Wüste. Die arabische und besonders die moza-
bitische Jugend hat nicht das bei uns selbstverständliche Recht,
sich ein eigenes Leben und eigene Lebensformen zu schaffen.
Im Orient haben Traditionen ein langes Leben und an dem
Begriff: „So ist es, Allah hat es gewollt", rüttelt man nicht.
Es kommt überhaupt niemand auf den Gedanken, daß man es
könnte. Für den arabischen Baumeister gilt es nicht, eine
jeweils neue Form, einen ästhetischen Persönlichkeitsausdruck
und immer eine originale Lösung zu finden. Der arabische
Architekt hat sich im Gegenteil dem Willen des Auftraggebers
unterzuordnen. Seine Aufgabe ist immer, die schon von den
Vorfahren als Vorbild erkannte Form zu erreichen. Es ändert
sich mit der Zeit wohl die Größe der Aufgabe, aber nicht
das Gesetz der Form. Die überlieferte Form ist unter allen
Umständen sein Vorbild. Kann er es mit den gewünschten
praktischen Raumerfordernissen in Einklang bringen, so hat er

seine Aufgabe gelöst. Man duldet keine Experimente, keine
künstlerische Eigenwilligkeit. Traditionsbewußtsein ist in orienta-
lischen Ländern stärker als Persönlichkeitskult. Man schätzt
nicht die Gedanken der Jugend, sondern nur die Leistung des
reifen Mannes. Nur ihm steht die geistige Schöpfung auf
Grund einer langen Erfahrung zu. Was man an der Jugend
liebt, ist das Glück des körperlichen Jungseins, Frische der Be-
wegung, Ausdauer, das Bewußtsein, daß noch das ganze Leben
vor ihr liegt und die sichere Handhabung der Waffen. Der
junge angehende Baumeister lernt nicht auf einer Schule ästhe-
tisches Formgefühl, sondern er arbeitet von Anfang an prak-
tisch und theoretisch bei einem Handwerker des Stammes.
Er lernt den in Jahrhunderten praktisch erprobten Grundriß
kennen. Er lernt mit dem Baumaterial umgehen, das immer aus
der Landschaft genommen wird, seien es Steine, Lehm, Holz
oder — Salzplatten wie im Schottj bei Ouargla. Aus den
Reihen dieser Handwerker entwickeln sich im Laufe der Jahre
die Baumeister.

Die Einteilung aller arabischen Wohnhäuser stimmt überein.
Von der Straße führt im Winkel ein Gang, eine Art Korridor,
auf den zentral gelegenen Hof, um den sich alle Räume des
fensterlosen Hauses gruppieren. Der Hof gibt Luft und Licht.

Landschaft bei Melika. Im Vordergrund eine arabische Wasserleitung, die in regenreichen Zeiten Wasservorrat für die Stadt ansammeln soll. Der
Wassermangel der Sahara nimmt in erschreckendem Maße zu. Seit 8 Jahren fiel kein Regen mehr. Die Oasen verdursten langsam. Das Wasser der
Brunnen kommt aus einer Tiefe von 150 m und reicht kaum für den Trinkbedarf, keinesfalls aber für die Bewässerung der Oasis

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