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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Rückert, Otto: Die Darstellung des Werkstoffes "Farbe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0065

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Ganz ähnlich verhält es sich bei den einfachen Holz-
anstrichen, die kraft des verhältnismäßig einfachen Aufbaues
der ausgezeichneten Oberflächenwirkung der Lackanstriche
entbehren. Die buntfarbigen Holzanstriche wirken überdies in
glatter, einfacher Ausführung derb und unschön, eine Tat-
sache, die bereits die alten Maler dazu bewog, diese Art von
Anstrichen zu beleben.

Den Ausgangspunkt solcher Belebungen der Holzanstriche
bildete von jeher das Ausehen der Holzstruktur, die sogenannte
Maserung, die besonders im vergangenen Jahrhundert auf das
raffinierteste nachgeahmt wurde. Die älteren Maler verzichteten
teils bewußt auf die Imitation, teils waren sie nicht imstande,
ein solches Verfahren durchzuführen, und solche naive
Darstellungen irgendwelcher Holzmaserungen verleiteten uns
lange zu der Anschauung, als sei es notwendig und verdienst-
lich, auf diese Darstellungsverfahren zurückzugreifen. Der
moderne Maler, dem verbesserte Werkzeuge zur Verfügung
stehen, sollte auf solche Versuche von Hause aus verzichten
und dazu übergehen, seinem Werkzeug neue Möglichkeiten zu
entlocken. Starke Anregungen erfuhr das Handwerk aus der
Kenntnis ostasiatischer Lackarbe'rten. Die Kammzugtechnik
sowohl wie die sogenannte Lasurtechnik, die Erstellung farbig
sinnvoll belebter Lackschliffe, sie alle zielen ebenfalls auf eine
unauffällige Auflockerung des gesamten Anstriches ab. Die
besonders durch den Kammzug hervorgerufene Aufrauhung des
Anstriches ist im gewissen Sinne ein Schutz gegen die lästigen
Stoßflecken und gegen sonstige Verschmutzungen, wie sie
häufig bei vielgebrauchten Gegenständen (z. B. Türen) aufzu-
treten pflegen. Dadurch aber, daß alle diese Arbeitsverfahren

einen praktischen Wert besitzen, ist ihre Berechtigung vollauf
gewährleistet. Mit der Aufführung dieser technischen Vor-
gänge ist der Schatz der Möglichkeiten der Darstellung des
Werkstoffes Farbe noch lange nicht erschöpft. Es sei nur an
die Wandmalerei bzw. an die der muralen Malerei dienenden
Darstellungsmöglichkeiten (Fresko, Sgraffito usw.) erinnert.
Aber alle diese Darstellungsverfahren sind das Ausdrucks-
mittel des bildenden Künstlers und nicht des Handwerks, dessen
Aufgaben von ganz anderen Erwägungen getragen werden.
Für den handwerklichen Maler gilt es zunächst, die als Bauteile,
Hausrat und technische Konstruktionen gekennzeichneten Sach-
werte durch den Einsatz guter Anstriche gegen Verfall, Fäulnis
und Rost zu schützen. Daß angesichts des künstlerischen und
menschlichen Wertes, den solche Dinge zumeist besitzen, das
farbige Aussehen dieser Schutzanstriche keine gleichgültige
Rolle spielt, ist durchaus begreiflich. Das Farbliche aber, das
auf ästhetischen Erwägungen beruht, ist nur e i n Mittel, um
das Aussehen eines gefärbten Gegenstandes zu steigern. Das
andere Mittel aber, das nicht nur allein dem ästhetischen Vor-
haben entspringt, sondern darüber hinaus auf bestimmte
Zweckforderungen abgestellt ist, ist und bleibt die aus dem
Werkzeug gewordene Darstellung des Werkstoffes. Die Me-
Ihoden dieser Darstellung sind wie alle handwerklichen Mög-
lichkeiten erlernbar; sie bilden demnach das wesentliche
Rüstzeug eines Handwerks, während das künstlerische, in
unserem Falle die Farbgebung, auf die Weckung und Ver-
tiefung besonderer Anlagen oder aber auf die unmittelbare
schöpferische Vorstellung von der sinnlich-sittlichen Wirkung
der Farbtöne zurückgeht.

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