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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes: Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.42441#0037
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Sonntag, 23. Februar.

Nr.»

Herausgeber:
Curt Kieshauer
Fernruf 182«

MmDeiiW Mger-Mm
Bezugspreis monatlich 0,50 Reichsmark. Bei Postbezug
vierteljährlich 2,10 Reichsmark. Für ausgefallene Nummern
wird kein Ersatz geleistet. Der Jnsertionsprcis ist 10 Reichs-
pfennig für die achtgespaltene Millimcterzcile oder deren
Raum. Reklamen 0,40 RM ^pro mm-Zeile.

Mittelstands-Zettung
UMWWtt KMjblM iiir Sic Aüttesse« ius Miileiiittdks
WelWlM-MWW ZeililU
Zeitung für gesunde Wirtschaftsinteressen des gewerblichen
Mittelstandes, des Handwerks, Handels, Haus- und Grund¬
besitzes, der Landwirtschaft, freien Berufe und aller sich zum
___Mittelstand rechnenden Kopf- und Handarbeiter.
Jahrgang 1930

„Zwangsläufige" Ausgaben!
Gin Beitrag zur Alnanzwirtschast der Kommunen.

Unsere kommunalen Oberhäupter suchten
dach einem Prügeljungen für die katastrophale
Lage der kommunalen Finanzen und für den
restlosen Zusammenbruch jdes Kommunalkre-
dits. (Siehe dis Kölnische Zeitung Nr. 591 b
vom 28. Oktober 1929: „Der Kommunalkredit
versiegt. Zwölf Monate vor dem Nichts.")
Da sprach jemand das rettende Wort aus von
den „zwangsläufigen Ausgaben" der Kom-
munen und er gab damit allen das Stichwort.
Wo und wann heute ein kommunaler Regent
das Wort an seine Untertanen richtet, erklingt
'N seiner Rede dis Patentlösung „zwangsläu-
fige Ausgaben". Es heißt dann 77,5 Prozent
(Köln), ja 82 Prozent und selbst 90 Prozent
der kommunalen Ausgaben seien „zwangsläu-
fig" (90 Prozent siehe „Der eiserne Schmied"
Hagen vom 7. Dezember 1929). „Zwangsläu-
fige Ausgaben"! darunter versteht man Aus-
gaben, welche die Kommunen machen muffen,
weil sie durch Reichs- oder Landesgesetz hierzu
angehalten werden, z. V. Ausgaben für Schu-
len, Wohlfahrtspflege usw. Man muß nun
ohne weiteres zuqeben, daß die Kommunen
deute erhebliche Beträge für verschiedene Ge-
biete aufwenden' muffen, die ihnen durch
Reichs- oder 'Landesgesetz zugewiesen sind.
Weiter besteht auch Einigkeit darüber — aus-
genommen Sozialisten und unentwegte Fiir-
lorgestaatler —, daß die entsprechende Reichs-
vnd Landesgesetzgebung schnellstens u. gründ-
lichst geändert werden muß. Die bestehende
bittere Notwendigkeit gab zugleich aber den
Kommunen doch allen Anlaß — abgesehen
von sonstigen Gründen für äußerste Sparsam-
keit — ihrereits die Ausgaben möglichst zu
drosseln, soweit sie selbst frei darüber bestim-
men konnten., So würde jedenfalls ein
ordentlicher Hausvater gehandelt haben. Die
Kommunen taten das Gegenteil! Sie trie-
ben auf den frei von ihnen verwalteten Ge-
bieten eine hemmungslose Ausgabenpolitik,
wirtschafteten rücksichtslos aus dem Vollen,
Mach der Devise: „Aprcls nous de dclluge!"
(nach uns die Sündflut). Um Beweise braucht
Man nicht verlegen zu sein: man kann wirklich
aus dem Vollen schöpfen wie — die Kommu-
nen.
Beginnen wir mit dem Herrscher Kölns,
Herrn Dr. Adenauer. Den Steuerzahlern
Kölns seien folgende Anregungen für eine
vtwaige Petition an ihr Oberhaupt mitge-
keilt:
1. Die Press« (Internationale Presse-Aus-
stellung) brachte ein Defizit von 17 Mil-
lionen Reichsmark (oder ist es in Wirk-
lichkeit nicht noch höher?) War das eine
zwangsläufige Ausgabe?
2. Köln Hat hinnen kurzer Zeit seinenGrund-
besitz auf das Doppelte vermehrt: die
Stadt ist Eigentümerin von 24,5 Prozent
des gesamten Eemeindcweichbildes („Der
eiserne Schmied". Hagen vom 9. November
1929). Welche Zeit und welche Mittel
waren zu dieser Verdoppelung notwen¬
dig, wie hoch ist die jährl. Mehrbelastung
durch Zinsen- und Tilaungsdienst? Waren
diese ! Grundstückskäufe „zwangsläufige
Ausgaben"?
3. Die neue, kürzlich für den Verkebr freige-
aebene Rheinbrücke kostete 42 Millionen
Reichsmark. Kann es unter den heutigen
katastrophalen Verhältnissen gerechtfertigt
werden, ein derartiges Merk von größten
Ausmaßen zu schaffend Eine zwangs-
läufige Ausgabe?
4. Die Press« zum Beginn (oben 1.) und
zum Beschluß! Man hat für Fe stoffen
ausaogeben (also ver — trunken u. ver —
geffeu 35« 0vv RM., während im Etat
der Stadt Köln nur 50 ÜM RM. vorge-
sehen waren.

Die bei den Nummern 1—3 gestellteSchluß-
frage kann ich mir hier wohl sparen. Man
weiß nicht, wo anfanqen und wo aufhören,
wenn man Beweise bringen will für die hem-
mungslose, oft geradezu verschwenderische und
bodenlos leichtsinnige Ausgabenwirtschast
mancher Kommunen. Eino Fundgrube für
Beweismaterial ist in der „Zeitschrift für
Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik"
die Rubrik „Kommunale Chronik". Wenn
man die dort veröffentlichten Mitteilungen
der Kommunen über ihre Pläne, ihre Bau-
ten und Käufe liest, so sieht man selten cha-
rakteristisch, wie manche Kommunen mit dem
Telde um sich werfen. Nur einige Beispiele
(hier zitiert nach der Zeitschrift „Das Grund-
eigentum" vom 10. November 1929, S. 1295):
Diez a. d. Lahn beabsichtigt ein großzügiges
s natürlich) Luft-, Licht-, Sonnen- u. Schwimm-
bad für 1VV VV6 RM. zu errichten.
Chemnitz hat den Neubau eines Stadt-
bades für 6 000 000 RM. beschlossen.
Halle baut für die Kreisbank und das
Landratsaml ein HoMaus, Kostenpunkt
134VV60 RM.
Köln plant ein großes Markthallenprojekt
für 12 MO 000 RM.
Weitere, erwähnenswerte Beispiele für
„zwangsläufige Ausgaben« und den kommu-
nalen BetätigungÄ>rang:
Zeichrnakademie (für das Metallgewerbe)
baut Hanau <1 VW 000 RM.),
Großflughafen beschloß Neukirchen (Saar),
Krematorium baut Saarbrücken,
Musikhalle baut Zinken (Kreis Heiligen-
beil),
Reithalle baut Eutin,
Feuerwchrdepot (zeitgemäßes) baut Gotha
(225 MV RM.),
Tonsilmtheater baut Kottbus (Saal für
Tonfilmtheater im Neubau der Stadthalle)
(Baukosten der Stadthalle 2 000 MO RM.).
Hotels bauten oder bauen die Städte: Gel-
senkirchen, Duisburg, Bochum, Barmen, aus-
gerechnet alles Städte, die für den Fremden-
verkehr kaum in Frage kommen.
Dortmund hatte 1924 etwa 16—17 Millio-
nen RM. Schulden, heute hat es etwa 115
Millionen. Aber dafür hat Dortmund: die
Westfalenhalle, ein Stadion, das Arbeits-
physiologische Institut, die Pädagogische Aka-
demie, Schloß und Schloßpark Brüninghausen,
den Volkspark Fredenbaum usw. Alles
„zwangsläufige" Ausgaben?
Hören wir, was man den Kommunen ins
Stammbuch schreibt!
Der Abgeordnete Ladenbvrfs (in seiner
Rede vom 19. Januar 1930 gelegentlich der
Protestkundgebung des Berliner Mittelstan-
des gegen die vom Magistrat Berlin beabsich-
tigte'Erhöhung der Realsteuern — hier zi-
tiert nach dem „Grundeigentum" 1930 Seite
70):
„Und allen voran, wie immer im neuen
Deutschland, seine Rcichshauptstadt Berlin'
Aus dem Handgelenk werden hier seit Jahr
und Tag mit geradezu strafbarer Leichtfertig-
keit Millionen und aber Millionen ausge-
geben für Sport und Spiel und sonstige Be-
lustigungen, als wenn wir im wahrsten Sinne
des Wortes im Golde schwämmen . . Die
kostspieligsten Ausstellungen und Veranstal-
tungen werden arrangiert, lediglich deshalb,
damit die Herren Stadtoberhäupter hierbei
eine gute Figur machen, glänzen und gefeiert
werden. Ohne Rücksicht auf die Kosten wer-
den hier in Berlin in dieser Armutszeit ganze
Häuserblocks niedergeriffen, die unglaublichsten
Verkehrsodjekte geplant und in Angriff ge-
nommen, Millionen über Millionen verpul-

vert . . . Keines der sogenannten Sieger-
länder hat sich bis heute einen solchen Luxus
von Millionenbauten geleistet wie Berlin,
und neben Berlin fast alle anderen Groß-
städte in dieser Zeit des wirtschaftlichen Nie-
derganges zu leisten sich erlaubt haben. Man
zitiert heute so oft gerade von der linken Seite
den Schöpfer der Selbstverwaltung, den be-
rühmten Freiherrn vom Stein. Ich glaube,
wenn dieser Mann heute aufstehen könnte und
sehen würde: was aus dieser städtischen Selbst-
verwaltung gemacht worden ist — ich glaube:
89 v. H. der Stadtoberhäupter würden inner-
halb 24 Stunden von ihm znm Teufel gejagt
sein."
Professor Dr. Max Josef Wolff-Berlin
(Aufsatz „Die wirtschaftsfeindlichen Folgen
der kommunalen Finanzwirtschaft" in „Der
eiserne Schmied". Hagen vom 30. Nov. 1929):

„Mag auch die Korruption, die bei dieser
Gelegenheit zutage kam, nicht typisch sein, s»
ist doch typisch das frevelhafte, leichtsinnig«
Draufloswirtschaften mit dem Gelds der
Steuerzahler. Die Planlosigkeit beim Eingeheir
von Geschäften — man denke nur an den
Kohlenfelderkauf in Frankfurt a. M. — wird
nur noch übertroffen durch den Mangel cm
sachverständiger Kontrolle und dem Eifer, mit
dem Etatsüberschreitungen, Mißerfolge und
Inkorrektheiten vertuscht und vor der öffent-
lichen Kritik verheimlicht werden. Die Nei-
gung der Kommunalbürokratie und des mit
ihr verbundenen Parteiklüngels für ein wohl-
'tätiges Halbdunkel ist begreiflich, denn «in
Vekanntwerden ihrer Fehlschläge würde selbst
die getreuesten Anhänger stutzig machen."
Schluß folgt.

Warum denn den Nonngplan?
Bon H. Berkemeyer, Dortmund.
(Schluß.)

Wir kommen nun noch zur kurzen Zusam-
menfassung der Unterschiede und Auswirkun-
gen von Dawesplan und Poungplan. Die
Wirtschaftspartei war bekanntlich gegen das
Volksbegehren, da sie als wirtschaftlich einge-
stellte Partei die Schlagwortpolitisierung der
Massen ablehnen muß. Sie hat aber niemals
ein Hehl daraus gemacht, daß sie mit aller
Entschiedenheit gegen den Voungplan ist. Un-
sere Partei wird deshalb im Reichstag gegen
den Houngplan sein, und stets die Forderung
erheben, daß wegen so weittragender Schick-
salsentscheidung das Volk befragt, daß der
Reichstag aufgelöst werden muß. So allein
ist es möglich, die Entscheidung des Volkes zu
erfahren, denn beim Volksbegehren war der
Terror, vor allen Dingen in rein katholischen
Gegenden, io groß, daß das Volksbegehren
keineswegs als Stimmungsbarometer gelten
kann. Wir halten es deshalb im Interesse
der augenblicklichen Staatsform liegend, daß
dem Volke die Möglichkeit gegeben wird, sich
für und wider den Poungplan zu entscheiden.
Die grundsätzliche Einstellung unserer
Partei zum Poungplan geht von der Voraus-
setzung aus daß gegenüber Fremden unsere
Volksgenossen vorgehcn. Unsere Einstellung
unterscheidet sich so wesentlich von der Welt-
anschauung der international eingestellten
Parteien, die vor lauter Humanität den deut-
schen Menschen übersehen und vergessen. Erst
die Heimat, dann die Feinde: erst Brot, dann
Reparationen, ist die Richtschnur unserer Ein-
stellung zu den Kriegsentschädigungen, mit
denen das imperialistische Frankreich seinen
Uebermilitarismus finanziert, der die ge-
samte Welt beunruhigt, der wie ein Pesthauch
die Kriegsrüstungen zur krankhaften Ueber-
treibung reizt. Diese rüstungswahnsinnige
französische Nation zwingt so die übrigen
Staaten zu Rüstungsausgaben, die weit höher
sind, als die, die vor dem Kriege aufgewandt
wurden. In Italien sehen wir so als Reflex
eine politische Atmosphäre, die selbst den Mus-
solini zwingt, dem Volke das Ziel zu geben,
dem Könighause seine angestammten Kron-
güter, die seit 50 Jahren im Besitze Frank-
reichs sind, wieder zu beschaffen, -so treibt
Frankreich mit -dem Gelde Deutschlands die
anderen Nationen zu gleich wahnsinnigen
Rüstungen. Der Pazifismus in Deutschland
denkt aber nur daran, daß das abgerüstete
Deutschland noch abrüsten muß, anstatt gegen
die wahnsinn'M (hohen Kriegsentschädigungen
zu sein, dis jede Nation anreizcn, imperia-
listische Kriege vorzubereiten.
Wie schon oben erwähnt, schützt der Dawes-
vcrtrag unsere Währung. Zu dieser Bestim-
mung sah sich die internationale Hochfinanz
damals veranlaßt, um zu verhüten, daß auf

Grund der Rentenmark ein« Goldinflation in
der ganzen Welt herbeigeführt würde. Fer-
ner ist in ihm festgelegt, daß der Dawesver-
trag keine entgültige Regelung sei. Einer
unblutigen Neuregelung war somit der Weg
frei gegeben. Denn wir sind fähig, durch eine
positive Reichsbankpolitik, die unsere gesamt«
Kregsentschädigung in Deutschland festhält,
den Feind zu zwingen, eine vernünftig«
Kriegsentschädigungssumme festzusetzen, da
sonst der Feind in die unangenehme Lage
kommen würde, daß der Wachhund Frankreich
wegen Währungsschwierigkeiten ' abrüsten
müßte. Der doungplan kennt hingegen die-
sen Währungsschutz und das unblutige Mit-
tel, Deutschland zu befreien, nicht. Er ver-
langt, daß iährlich 6—700 Millionen ohne
Rücksicht auf die deutsche Währung trans-
feriert werden müssen. Diese Summe soll
fernerhin dazu dienen, die Mobilisierung der
deutschen Kriegsentschädigung zu verzinsen.
Diese Anleihepläne haben den deutschen Kre-
dit zerstört, sodaß die jetzige Krisis hundert-
prozentig verschärft wird. Dazu haben
Finanz-Politiker der Poungplan-Anhänger
mehrfach erklärt, saß wir diesen nur durch
Anleihen bezahlen können. Es ist deshalb
klar und einleuchtend, daß uns der Poungplan
die neue Inflation bringt, sobald wir nicht
in der Lage find, neue Anleihen aufzunehmen.
Diese Möglichkeit wird uns jedoch vom
Poungplan genommen, da in ihm die Be-
stimmung enthalten ist, daß auf Grund un-
serer ungeschützten Zahlungen und unseres
Kredites Milliardenanleihen auf dem Aus-
landsmarkt zu Gunsten der Gläubiger ausge-
nommen ws-den können, während die Ver-
zinsung durch unsere ungeschützten Zahlungen
bestritten werden soll. Diese Anleihen wür-
den nun den Auslandsmarkt für mehrere
Jahre voll und ganz in Anspruch nehmen, so-
daß Deutschland keine Gelegenheit mehr ha-
ben würde, den Voungplan durch Ausländs-
anleihen zu finanzieren Damit wäre -?e
Inflation eine unabwendbare Tatsache.
Nun könnte man die Frage crufrverseu,
aus welchem Grunde bisher der Dawesver-
trag nicht so angewandt wurde, wie es di«?
Interessen der deutschen Ration erfordern.
Der Hauptgrund liegt wohl iu der inter-
nationalen Einstellung der regierenden Par-
teien. Als zweiter Grund käme die Tatsache
in Frage, daß unsere Bürgermeister von einem
wahren Gründungstaumel befallen zu sein
scheinen. Auf Grund von Ausländsanleihen
wurden alle möglichen Gebäude und Anlagen
errichtet, die sich ein reiches Deutschland vor
dem Kriege nicht erlauben konnte. Diese Ge-
bäude sind aber in Wirklichkeit alle doppelt
bezahlt worden. Nicht Mein die Gestehungs-
 
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