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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Ausstellungen von 1888, [9]: die Bildhauerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0014

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Die Münchener Ausstellungen von (888. Die Bildhauerei, von Friedrich Pccht

dieser Versuch in unsrer ganzen Ausstellung nur einmal und zwar mit unbestreitbarer Genialität gemacht
wurde, von Keller, der dann gerade deshalb angefallen ward, als wenn er ein Verbrechen begangen
hätte! Nichtsdestoweniger ist seine Verherrlichung unsres großen Kaisers offenbar eine Lerche, die einen neuen
Tag verkündet, wie sehr sich auch die Fledermäuse dagegen wehren mögen. Sehen wir nun zu, ob sich in der
Bildhauerei ähnliche Spuren vorfinden. An sogenannten Idealfiguren fehlt es ihr keineswegs, bringt doch
allein Herr Eberlein deren ein halbes Dutzend mit unbestreitbar glänzendem Talent. Ja seine Psyche ist so-
gar ein ganz reizendes Mädchen, das den Grazien des Canova immerhin noch weit vorzuziehen wäre in ihrer
anmutigen Natürlichkeit. Aber freilich ihr unsterblicher Teil ist sehr viel kleiner ausgefallen als der sinnlich
reizende, sterbliche. Auch sein Amor, der die Psyche im Olymp empfängt, ist eine schön gedachte Gruppe,
Großes ist aber weder in dieser, noch in Eberleins übrigen, immer sehr verführerischen und talentvoll gemachten
Figuren. Weit eher wäre das in der „Trauernden Gattin" Hoffarts zu finden, die eine Rose ans dem Grab
des Dahingeschiedenen nicderlegt (Abb. III, S. 307). Hier ist Größe und Adel der Form wie Bewegung unstreitig
vorhanden, obwohl der junge Künstler weit nicht an Eberleins Können hinanreicht. — Auch Echtermeiers
Figuren der Gräcia und Roma sind die erstere voll antiker Anmut, die zweite voll Ernst und Größe. Ver-
walt» in Schwerin gibt dann eine sterbende Kleopatra, nicht ohne das Dämonische dieses Weibes ahnen zu
lassen, und Bermann hat in seiner den Morgen bedeutenden Frauenfigur das Erwachen gut gegeben. Am
genialsten ist freilich unbedingt Reinhold Begas' „Elektrischer Funke" in einer Gruppe voll sprühenden Feuers
gelungen (Abb. III, S. 183). Keine andre Männerfigur entwickelt solchen Nerv. In gleicher Richtung bewegt sich
Maisons kolossale Brunnengruppe für Fürth, welche die „Dienstbarmachung der Elemente" durch einen Centaur
darstellt, der über einen Flußgott wegsetzt, seinerseits aber durch den Dampf gefesselt wird. Das ist mit Glück anf-
gebant und voll Energie und Kenntnis ausgeführt. Von tiefer Empfindung wie seinem Studium zeugt Gamps
„Gekreuzigter", und Beyrers „Pieta" hält sich geschickt in der Tradition altdeutscher Holzschneiderei. Der
Dresdener Henze gab dann eine „Scientia" mit all dem grübelnden Ernst, der dieser Dame zukömmt,
freilich nicht ohne an eine gar bekannte Sybille Michel Angelos auffallend zu erinnern. — An die Antike
im besten Sinne gemahnt neben Echtermeier am meisten der Merkur Adolf Hilde brands in Florenz, aber
legt zugleich auch von einer Feinheit des Naturstudiums Zeugnis ab, die den Gedanken an bloße Nachahmung
ganz fern hält. Dies ist nun Robert Cauers gefesseltem Prometheus nicht in gleichem Maße gelungen. Angenehme
kleine Bronzen geben dann Herter in einer „Aspasia" und Hultzsch in einer „Waldquelle" voll anmutiger
Frische, während Hirts „Arethnsa" für diese antike Dame doch etwas zu naturalistisch geriet (Abb. III, S. 307).
Sehr glücklich humoristisch und nebenbei sehr fein studiert ist Sommers in Rom „Weinschlauchdieb" undZa-
dows in Berlin „Fischerknabe" (Abb. III, S. 321) und „Spielkameraden" sind voll naiver Frische. Locks „Dädalus
und Ikarus" ist wenigstens nicht ohne Kühnheit gegeben. Ganz reizend und eigenartig modern mutet dann eine
die „Mutterliebe" darstellende Gruppe von Mayer in Rom an, und durch köstlichen Humor erfreut Möllers
schelmische Knabenfigur „Rat'einmal!" Nachreiners „Philoktet" ist wenigstens ein guter Akt. Siemerings
„Germania" erscheint mehr theatralisch als eigentlich machtvoll und großartig (Abb. III, S. 347). Ich schließe mit
Diez' echt deutscher und eben deshalb vortrefflicher Gruppe der „Heimkehr" für das Siegesdenkmal in Braun-
schweig, wo der sich des gesund heimkehrenden Sohnes freuende Vater ein so echter Sachse ist, daß das Ganze
schon dadurch allein Rasse erhält. — Damit hätten wir erschöpft, was Deutschland an Idealfiguren gebracht,
bei denen meistens die Komposition besser ist, als die oft noch des feinen Studiums entbehrende Ausführung,
in der Hildebrand und Diez jedenfalls am meisten leisten.

Dasselbe gilt ungefähr auch für die zahlreichen historischen Figuren und Büsten. So leiht Siemerings
Reiterstatue von Moltke dem alten Feldherrn mindestens zehn Kopflängen, was gar nicht wahr ist, da er im Gegen-
teil einen mächtigen Kopf hat, wie alle großen Männer. Besser in dieser Beziehung ist B aerwalds Kolossalfigur
Kaiser Wilhelm I. (Abb. S. 4), welche auch die Haltung desselben ziemlich glücklich wiedergibt, wie man das doch
bei Zeitgenossen, die jeder gesehen hat, durchaus verlangen muß. — Sehr glücklich, leicht und frei sind dagegen
Ferd. von Millers Figur des Geigenmachers Mathias Klotz von Mittenwald (Abb. III, S. 274) und sein General
Mosquera in Bogota, während man sich seinen „Columbus" nur schwer so jung vorstellen kann, obwohl er
wenigstens keinem deutschen Professor gleicht, wie der des Rüben. — Henze gab dann die Figur der Spitzen-
klöpplerin Barbara Uttmann als echt altdeutsche Bürgerfrau. Unter den vielen Büsten sind die unsres alten Kaisers
von Begas, ganz besonders aber die von Kops wohl die besten. Der letztere hat auch einen vortrefflichen
Döllinger gebracht. Den gegenwärtigen Kaiser bringen Begas, und wie mir scheint, noch geistvoller und energischer
Schott in Berlin (Abb. III, S. 323). Ganz vortrefflich ist dagegen Begas' Kaiser Friedrich (Abb. III, S. 9),
während seine Marmorbüste Bismarcks (Abb. III, S. 181) leider nicht hält, was das so geistreiche als lebendige
Gipsmodell versprach. Auch einige bemalte Büsten, so eine von Max Klein, sind aus Berlin gekommen, gerade
genug koloriert für einen Totenkopf, für Lebendige aber iminer noch zu viel. Daß man dieser gelehrten, aber ganz
unkünstlerischen Marotte noch immer nicht endgilüg entsagt! Dagegen wirkt das von Eberlein eingeführte gelbliche
Färben des Marmors durchaus angenehm, da es ihm das Kalte, Tote nimmt, was er neu hat. Zn den besten der
 
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