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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Das neue Burgtheater in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0062

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Von Rarl von vincentl


Joseph Fux, dem Chef des Ausstattungwesens, in Tempera gemalte Hauptvorhang, welcher die in den
Bühnendarstellungen sich wiederspiegelnden menschlichen Leidenschaften zu einer gewaltigen reichbewegten Allegorie
zusammenfaßt, die, auf der Pandora-Idee aufgebaut, sich in Komposition wie Ausführung als eine bedeutende
Leistung der dekorativen Historie darstellt.

In allen dem Hofe vorbehaltenen Prachträumen erreicht der verschwenderisch schmückende Gedanke,
welcher das ganze Haus durchdringt, seinen köstlichsten Ausdruck. In den Vestibülen, Logen-Salons, Gängen
und auf den Sondertreppen, überall ist nur das vornehmste Material zur Verwendung gelangt, orientalische
Breche, pyrenäischer und wälscher Grünmarmor, belgischer Rotviolett- und roter Serpentin-Marmor, dunkelblau-
geäderter Pavonazzo, gelbwolkiger egyptischer Alabaster (Onyx) n. s. w. So bestehen beispielsweise die Treppen
aus Carrara, die Geländer ans Onyx in reich durchbrochener Arbeit; die Hoffesttreppe schmückt oben der
Eisenmengersche Fries, welcher den Kampf der Naturgewalten und deren Bezähmung durch die Grazien
darstellt und durch rhytmische Bewegtheit der Komposition nicht minder, als tief gesättigtes Kolorit sich aus-
zeichnet. In der koloristischen Behandlung des Kunstmarmors in Verbindung mit dem echten sind die reizendsten
Effekte erzielt; violette Töne wechseln mit gelblichen, lichtgrüne mit rötlichen bei Gewänden und Verkleidungen;
das Ornament treibt entzückende Blüten und monumentale Spiegel vervielfältigen das Bild. Überall in den
zartesten Farben abgestufte brochierte Seidenstoffe, Aubusson-Teppiche, stilvolle Kron-und Wandleuchter, kost-
bares Getäfel, skulptierte Kamine, vergoldetes Gitterwerk an den Plafonds, erhabenes Schnitzwerk, ziselierte
Goldbronze. Wo die Hoffesttreppe in den Kaisergang ausmündet, ist in einer Mauernische auf einem Onyx-
sockel Benks wunderliebliche „Klytia" als Leuchtstatue ausgestellt (Abb. s. S. 36); Sonueublumenstengel
verranken sich über dem Haupte, das zu den glühenden Blumen emporblickt; andre künstlerische Beleuchtungs-
körper aus Pavonazzo und Goldbronze, von Tilgner modelliert, schmücken den Podest der Treppe und den
Vorraum zum Kaisergang; es sind Hermen von Kindergestalten umgeben.

Weder die musterhaften Einrichtungen der Bühne mit ihrem beweglichen Podium, und sinnreichen
szenischen Vorrichtungen, welche unterirdischer Wasserkraft gehorchen, noch die Beheizungs- und Lüftungs-
vorrichtungen, so einfach in ihrer scheinbaren Kompliziertheit, gehören in den Rahmen dieser von künstlerischen
Gesichtspunkten ausgehenden Darstellung des Prachtbaues. Frische Luft liefert dem Hause der Saugapparat
im nahen Volksgarten, die verdorbene entweicht durch den Lüftungshut des Kuppeldaches, wo Benk's vergoldeter
Aeolus den Windfang zu spielen hat. Ein Schlußwort würde das Dekoralionen-Haus verdienen, wo Fux und
Lehner nach Vorbildern und Mustern aus den vornehmsten Sammlungen und Knnstkabinetten die unvergleichliche
Bühnenausstattung zu diesem schönsten Schauspielhause geschaffen haben. Eine Stunde in diesem „Museum Fux"
würde jedoch einen besonderen Artikel zur Folge haben und dafür steht der Raum nicht zur Verfügung. Es
genüge also die Bemerkung, daß hier eine vollständige Umgestaltung des Systems für Theaterdekoration nach
künstlerischen Grundsätzen angestrebt und wohl auch in einem gewissen Grade erreicht wurde. Das im Dekoralionen-
Haus geschaffene Werk ist gewiß nicht am wenigsten geeignet, dem Wiener Burgtheater den Namen eines
Mustertheaters zu verdienen, welcher ihm aus kaiserlichem Munde geworden ist.

Lunrkten-Vild. von Robert Ruß
A. A/ kofburgtheater in Wien

Di- Kunst fLr Alle IV

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