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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Heilbut, Emil: Die französische Ausstellung in Kopenhagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0092

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Die französische Ausstellung in Kopenhagen

käme mar: aus Italien her, resolut zu den Zungen und
ruft, der neuste Tag ist doch der beste.

Auf eine interessantere Kunst hat in der That
die Sonne nie geschienen; zu keiner Zeit sah man so
nervöse Zuckungen, eine so menschliche Handschrift der
Pinsel, solche Unmittelbarkeit in der Übertragung der Ein-
drücke auf die Leinwand. Ein lustiges Gefühl schwellt
die Adern, namentlich dem, der da schreibt, und er sieht
wieder einen Sinn darin, zu schreiben, da er bemerkt, daß
er vielleicht einiges dazu thun könne, seinen Gegenstand
mehr und mehr verstanden zu finden.

So mag er es auch wieder vor sich verantworten,
über diesen Gegenstand, über Kunst sich auszulassen, denn
es wäre ihm sonst ein fast zu erbärmlicher Beruf. Zu
dem Schaden, welchen man in seiner Ausübung manch-
mal andern thun muß, bringt er den weiteren, daß man
auch über Dinge sich verbreitet, über die zu schreiben gleich
überflüssig erscheint, wie es vorher war, daß sie gemalt
wurden. Man entledigt sich solcher Aufgaben, indem mau
denkt, es hat sein müssen, man durfte nicht zugeben, daß
solche Bilder etwa gut wären; doch welch andre Sache ist
es, an wirklich würdige Gegenstände heranzutreten und mit
der nährenden Empfindung, zum Positiven zu nützen, den
Laien sagen zu können, die Dinge sind schön!

Wenn man in Kopenhagen durch diese französische
Abteilung geht, zittert der Boden und die Postamente
schwanken mit den Bildsäulen, die Bilder schlagen gegen
die spanischen Wände, an die sie gehängt sind. Aber
man achtet des Ausstellungsprovisoriums kaum. Die
Säulen sind regengetränkt, die Cyklopen bauten fester, der
Palazzo Pitti, der Palazzo Riccardi, der Palazzo Strozzi,
das sind solidere Bauten. Bei den Statuen ist der Gips
vorherrschend, doch Form und Gehalt ist edel. Die
Säulen sind nicht von Granit, doch atmen sie griechischen
Geist. Ein so wahrhaftiger Geist der schönen Einfachheit
aller Zeiten, welchen man antiken Geist nennt, durchzieht
alles hier errichtete und entstandene, eine so schöne Ver-
achtung alles schwindelhaften, falschen, faulen, dekorativen,
zeigt sich in der ganzen Veranstaltung ausgeprägt, daß
man auf den toten Gips der wunderschönen Statuen
klopfen möchte um dabei zu denken: hier oder nirgends
ist Marmor.

Merkwürdig ist, daß durchaus nicht immer das zeit-
weilige Wesen einer Nation sich in ihrer Kunst auszu-
sprechen braucht, diese vielmehr nicht selten ohne Zusam-
menhang mit dem Leben der Zeit, sich selber lebt. Wir
sehen in den politisch wilden Tagen der italienischen Re-
naissance die Kunst milde und idealistisch, und im heutigen
Frankreich, das von Parteikämpfen zersetzt und in dem
der Pulsschlag stürmisch, die Ausdrucksweise theatralisch
ist, das Knnstgebict der Plastik einheitlich behandelt, ohne
Verirrung in's Malerische aufgefaßt, in der Geste keusch
und zurückhaltend. Paul Dubais ist der größte Künstler
dieses Zweiges in Frankreich und die Schule der fran-
zösischen Bildhauer die erste der heutigen Welt. Ihr Ge-
meinsames ist die seine Vollendung der Form, die wie
antike Ruhe in der Bewegung; es ist vielleicht niemand
bei ihnen genial wie unser verstorbener Wagmüller, glän-
zend Ivie Reinhold Begas; dagegen sind sie fast alle frei
von den malerischen Jrrtümern, in die Wagmüller ver-
fiel, und von zu viel Geist, von zu viel Krausheit, die

es

daß einen nicht das Gefühl des Modernen auch wieder
erfaßte und in freudige Erregung versetzte. Bei dem alten

Salambö. von I. A. IN. Jdrac
Glyptothek Ny-Larlsbcrg

und ewigen Streit: hie Antiqui, hie Moderni, hier alte
Meisterschaft, dort junges Wagen schlägt man sich, und
 
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