Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

DOI Artikel:
Grosse, Julius: Selfmademen, [3]: Genrebilder aus dem Künstlerleben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0121

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Genrebilder aus^dem Aünstlerleben. von Julius Grosse

89

den ich nicht verstanden habe und zuletzt weist sie das
Blumenmädchen zur Thür hinaus und da sie nicht gehen
will, hebt sie die Hand ans — um sie zu schlagen. Da
schreit die Arme aus und jetzt erst erkenne ich die Kathi
und reiße sie an mich und auf und davon mit ihr —
aber das Schloß steht in Flammen und versinkt hinter
uns. —

„Da mit einemmale wache ich auf und merk erst,
daß es nur ein Traum war, aber zum Tod erschrocken
war ich doch. — Und Ruhe ließ es mir auch nicht mehr,
bis ich aufstand und Licht mache und endlich den Brief
lese. — Und gelesen Hab ich ihn — es war herzzerreißend
für mich — da lesen Sie ihn selbst — oder lassen Sie
das andre nur — nur die Hauptsachen hier ganz am
Ende. —

„Nun leb wohl, lieber Kasimir — so hieß es —
und was ich noch sagen wollt: Die alte Frau Bas ist
nun auch gestorben und der Loderer hat eine andre ge-
heiratet, denn ich bin Dir treu geblieben. Aber nun bin
ich ganz allein und werd wohl zu fremden Leut in Dienst
treten müssen, denn hinüberfahren in das Amerika, wo
ich noch Freunde hätte, das mag ich nicht. Ich Hab halt
immer noch auf Dich gehofft und geharrt, Du bist ja
ein Ehrenmann und wirst mich nicht zu Grund gehen
lassen in meinem Jammer. —-

„Sehen Sie, den Brief hätte ich nun verlieren können
und hätte ihn auch schon verloren, aber die Komteß selbst
hat ihn mir gegeben. Es hat schon so sein sollen, daß
ich um meine Pflicht nicht herumkomme. War ich nicht
ein ehrloser Wicht, wenn ich mich da noch besinnen wollt.
Weiß Gott, die Stelle hätte ich gern genommen gestern,
denn ich dachte gleich an die Kathi. Wer konnte wissen,
daß eine Komteß dazwischen kommen würde. Nun nehme
ich die Stelle auf keinen Fall, aber das Mädchen hole
ich mir, es wird schon gehen und muß gehen, wenn wir
einteilen. Und gleich heute reise ich hin, ehe es mich
reut. —

„So sprach der wunderliche Mensch — mochte es
begreifen, wer da wollte. Mir kam solche Denkart da-
mals wie eine selbstquälerische Schrulle vor und ich sagte
ihm das auch. —

„Aber da fuhr er empor.

„Wie, ist ein Wort nicht heilig? — kann man
seinem Gewisseil entlaufen? Und der Brief und der
Txaum — der kam vom Himmel her, um mich daran
zu mahnen, Was ich schuldig bin. Ich müßte doch ein
Schurke sein, wenn ich die Arme verkommen ließ im
Elend. Drum will ich mich rasch binden, ehe ich meine
Ehre verschiebe. Es muß sein. Wäre ich nicht daher
gefahren in die Versuchung, wer weiß, ich hätte die Kathi
wohl noch Jahre lang warten lassen in meiner Unent-
schlossenheit— jetzt heißt es handeln und Farbe bekennen!
Auf der nächsten Kreuzung in Halle steige ich ans und
fahre weiter nach Stuttgart — bloß damit ich wieder
ruhig bin in meinem Gewissen. —

„Da war nun nichts mehr zu reden. Vor solcher
Herzensredlichkeit kann man nur Ehrfurcht haben, wenn
sie auch beinah der Thorheit ähnlich sah. Auf der nächsten

Station haben wir Abschied genommen, und Kasimir
Hanuschka ist weitergefahren nach Stuttgart, um seinem
Glück zu entfliehen. —

„Oder eigentlich auch nicht, wie man es nehmen
will. Der Begriff vom irdischen Glück ist auch nur in-
dividuell und für jeden Einzelnen ein verschiedener. Kasimir
Hanuschka hat das Heim gefunden. Es ist ihm alles nach
Wunsch gegangen. Der alte Knabe hat sein Wort eingc-
löst und seine Jugendliebe geheiratet. Heute ist er Pro-
fessor und hat das Hans voll Kinder. Er baut Villen,
restauriert alte Burgen und ist ein glücklicher, zufriedener,
hochangesehener Mann geworden. Mehr kann inan ans
Erden nicht verlangen. —

„Und Komteß Mizi? —

„Ja mit dieser Episode hat es noch ein kurioses
Ende genommen. Noch unterwegs damals hat Kasimir
an seinen vornehmen Bruder geschrieben. Er verzichte
auf alles, auf die Stelle und ebenso auf die Komteß,
denn ihn binde ein älteres Wort und jener verlorene
Brief, den sie aufgehoben, habe ihn daran erinnert. —

„Darauf kam keine Antwort. Erst nach Jahr und
Tag, als Hanuschka längst verheiratet war und bereits
seinen Ältesten auf den Knien schaukelte, kam ein Brief
vom Grafen Wilderich.

„Du närrischer alter Kasimir. Eigentlich wollte ich
Dir schon längst den Kopf waschen und sehr böse Dinge
sagen. Heute muß ich Dir nachträglich danken und mein
erstes sei es, Dir über unsre damalige Entrevue ganz
reinen Wein einzuschenken, auch im übrigen einige Be-
kenntnisse nachzuholen. Ich sagte Dir damals schon, daß
ich mich eigentlich selbst für Komteß Mizi interessierte —
und seit langer Zeit schon, bis auf einmal ihre Kaprice
für Dich entschied, das heißt für Dein Phantasiebild. Ich
hoffte, daß sie von ihren Launen zurückkommen würde,
wenn sie erst Dich selbst kennen gelernt. Nur in dieser
Absicht veranstaltete ich damals jene Zusammenkunft. Aber
gerade das Gegenteil trat ein. Du gewannst vollkommen
ihr Herz und ich sah mein Spiel verloren — allerdings
nur bis zum folgenden Tage. Knall und Fall reistest Du
ab und schicktest auch noch Deinen ausdrücklichen Verzicht
— damals uns beiden vollkommen unbegreiflich.

„Komteß Mizi war nicht bloß tief gekränkt, ja em-
pört über Deine Handlungsweise, sie wurde ernstlich gc-
mütsleidend. Erst später, als sie von Deiner Heirat er-
fuhr und vom Zusammenhang, den ich mit mühsamer
Erkundigung allmählich herausgebracht — erst dann hat
sie Dir verziehen, und gestern ist sie meine Frau gewor-
den. Hoffentlich richtest Du nun dennoch meinen Park
ein und baust meine Villa aus. Wir bitten Dich beide
recht schön darum — und so weiter.

„So hat denn auch der Graf sein Ziel erreicht und
ich meine, das Passende ist beiderseits zum Paffenden
gekommen. —

„Im übrigen ist die Historie auch eine Illustration
zum Leitmotiv von den Selfmademen und von den
Protegierten — in anderm Sinn auch eine beinah
humoristische Variation des Themas von den feindlichen
Brüdern."

Di- Allnst für Alle IV,

12
 
Annotationen