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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Zu Wilhelm Diez' 50. Geburtstage, den 17. Januar 1889
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0153

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vom Herausgeber

daß wir ihn schon mit ein paar Worten schildern müssen, da er weit mehr dem der alten Niederländer, als
unsrer jetzigen Maler gleicht.

In Bayreuth als der Sohn eines liberalen und darum quieszierten, nur an Kindern reichen Pfarrers
geboren, zeichnete unser Wilhelm, sobald er nur einen Bleistift halten konnte, sowohl die Geschöpfe seiner Ein-
bildungskraft, noch häufiger aber alles, was er um sich sehend, irgend Frappantes gewahrte. In der Schule
machte er dagegen sehr geringe Fortschritte in den Wissenschaften, umso größere aber in der auf Tischen und
Bänken oder Wänden geübten Porträtierkunst. Da ihm die Mitschüler seine Studien bald abkauften, besonders
wenn er ihre Lehrer nicht gerade geschmeichelt darstellte, so brachte ihm das zwar viel Ruhm, aber auch noch
empfindlichere Bestrafungen ein. Deshalb lhat ihn der Vater schon im zwölften Jahre in die Gewerbeschule,
deren Zeichnungslehrer, sein Talent rasch erkennend, sich seiner lebhaft annahm. Er veranlaßte den Vater,

Marketender. von lv. Diez

statt seinen Sohn die lernfähigsten Jahre mit Gymnasialstudien verlieren zu lassen, im vierzehnten Jahr nach
München an die polytechnische Schule zu schicken, nachdem er in Bayreuth ohnehin zwar alle Kirchweihen und
Viehmärkte besucht, alle englischen Reiter, Bänkelsänger und Strolche mit Liebe begleitet, den Ruf seiner bürger-
lichen Tugenden aber nicht gerade gefördert hatte durch solch ungewöhnliches Gebühren. In München nun,
wo er bald ganz auf seine eignen Hilfsquellen angewiesen blieb, bildete er sein Talent schnellster Auffassung
und charakteristischer Wiedergabe der Dinge unaufhörlich aus, ward ständiger Gast in allen Vorstadtkneipen,
hielt bei allem Volkslärm an den Thoren und Märkten seine Ernte und ward dadurch ein so gewandter
Skizzierer, daß es ihm bald ermöglichte, durch Illustrationen aller Art seinen Unterhalt zu verdienen und
zugleich in halb Bayern herum zu kommen, um Aufnahmen zu machen.

Schon nach zwei Jahren vertauschte er das Polytechnikum mit der Akademie, wo er sich aber mit
deren gipsernen Göttern ebensowenig befreunden konnte, als mit ihrem systematischen Unterricht, und daher
bald sein ewiges Herumschweifen fortsetzte. Nie ohne Skizzeubuch ausgehend, selten ohne Beute heimkehrend,
erlangte er denn auch allmählich eine solche Fertigkeit im Zeichnen, daß er nunmehr anfing, Aufsehen zu

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