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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Ferdinand Keller
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0256

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19?

Lebenslust und Friede, von L. Klein-Chevalier

selbständig in Formensprache wie Färbung und entwickelt dabei abermals einen Reiz der Einzelcharaktere,
besonders der Jugend und der Frauen, in welchem er kaum hinter Makart zurückbleibt. Er gibt uns dabei
allemal das in der Historienmalerei so seltene Gefühl einer Kraft, die das, was sie sich als Aufgabe setzt, fast
spielend bewältigt, so daß diese Werke uns schon durch ihre Leichtigkeit in der Hervorbringnng des Schönen
unendlich erquicken.

Letzteres gilt nun auch ganz besonders von dem so vielbesprochenen neuesten Werke des Künstlers, das
er nicht im Auftrag, sondern aus reiner Begeisterung für den herrlichen Stoff begonnen hat: „Die Apotheose
Kaiser Wilhelm I." Dieser Griff mitten in die ruhmvolle neueste Geschichte unsers Vaterlandes hinein war ein
doppelt kühnes Wagnis; sowohl durch die Vermischung uns allen bekannter, darum notwendig der ver-
schiedensten Auffassung unterliegender historischer Personen mit allegorischen, dann durch das Schicksal selber,
welches die beiden Hauptpersonen des Bildes der Erde entrückte, während es gemalt ward. Daß letzteres ge-
schehen konnte, ohne der Komposition irgend welchen Schaden zu thun, ja daß es ihr im Gegenteil nützte, zeigt
vielleicht am besten, wie richtig der Künstler seinen Stoff aufgefaßt, als er ihn zu einer Art Vision gestaltete, die von
der gemeinen Wirklichkeit ganz absehend uns die Kräfte personifiziert, welche solch ungeheure Erfolge ermöglichten.
Also die stolze Heldenhaftigkeit einer Anzahl Mitwirkender, die Treue und Tüchtigkeit wie Kraft des Volkes,
Wahrheit und Recht, die den Zug führen, und endlich den Ruhm, der den Haupthelden krönt. Wie bei allen
Werken Kellers liegt auch hier der Hauptaccent auf dem wunderbaren malerischen Reiz, mit dem er diesen
Triumphzug des großen Kaisers ausgestattet hat, ein Reiz, mit dem freilich die nüchterne Phantasie mancher
kritischer Beschauer nicht Schritt zu halten vermochte. Daß er aber ausreicht, dem Bild eine ewige Dauer zu
sichern, davon könnte man überzeugt sein, selbst wenn die Charakteristik der Hauptfigur weniger meisterhaft
wäre, als sie es wirklich ist. — Wer das Bild auf der letzten Münchener Ausstellung sah, weiß auch, daß es
seinesgleichen nicht auf derselben fand, eben weil es einem echten Dichter in Farben angehörte. Man muß
sich schon vergegenwärtigen, welches mißtönende Geschrei die erste Erscheinung gerade der größten Kunstwerke
bei uns fast regelmäßig begleitet, von Schiller, Goethe und Beethoven bis auf Makart, Feuerbach und Richard
Wagner, man muß sich zurückrufen, welcher wütende Haß den dargestellten Helden selber oder seinen großen
Kanzler jahrzehntelang verfolgte, um es nicht wunderbar zu finden, daß auch diese reizvolle Schöpfung zuerst
ebensoviel Widerspruch als Beifall, selbst bei den Kollegen fand. Das ist leider menschlich und bestätigt im
Grunde bloß die große Wirkung, welche das Kunstwerk ansübte.

Es bleibt uns nun übrig, zu zeigen, wie sehr dies doch ganz idealisierende Bild dennoch im heimischen
Boden wurzelt. Man braucht da nur die einzelnen Figuren, soweit sie nicht Porträte sind, darauf anzusehen,
so verleugnen sie ihre süddeutsche Abstammung nirgends; besonders die Frauen und Kinder zeigen überall die
vollen, unverkümmerten Formen, die man am Oberrhein von Frankfurt bis Basel noch häufiger als, Südtirol
ausgenommen, sonst irgendwo in Deutschland trifft, wie denn auch das Sonnige, Leuchtende des Bildes jenem
schönen und milden Himmel des Rheinlandes entspricht. Schlägt aber jedes große Kunstwerk eine Brücke aus
der Gegenwart in die Zukunft, so zeigt uns auch dieses in seiner Anknüpfung an den letzten klassischen Künstler
germanischen Stammes, an Rubens, daß es den Weg weiter geht, den jener so ruhmreich gezeigt, und weist
demgemäß auf die Spätrenaissance und auf ihre malerische Freiheit hin.

Wie nun Keller, gleich seinem Vorbild, alle Richtungen der Malerei, Historie, Porträt, Landschaft und
Tiermalerei mit gleichem Erfolg getrieben hat, so ist er auch in der Skulptur kein Laie geblieben, sondern
modelliert mit großer Gewandtheit sich seine Hauptgruppen gewöhnlich in Thon, bevor er sie malt. War aber
 
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