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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Hann, Pauline: Ein Aprilscherz: Novellette
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0279

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Ein Aprilscherz. Novelette. von H. Ljann

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Hugo Lichtner habe sich mit einem steinreichen Verwandten,
der ihn zu seinem Erben machen wollte, entzweit, weil
er um jeden Preis Stillleben malen mußte. Ich bitte
Sie — Stillleben! Wenn es Konradins Tod, oder Orest
an der Leiche Ktytemnestras oder Judith und Holofernes
gewesen wären, an welche Rupert in jugendlichem Größen-
wahn beispiellos viel Farbe und Leinwand verschwendete,
das hätte diesem Respekt eingeflößt, aber sich enterben
lassen, um grüne Gurken, einen Teller Trauben, ein Glas
mit Goldfischen abzukonterfeien, das konnte er, der sich
als Vertreter der großen Kunst fühlte, dem armen Jungen
nicht verzeihen. Für Lichtner hatte der erste April bald
365 Tage; kaum war er mit Mühe und Not einer
Schlinge entronnen, dann stolperte er mit dem arglosesten,
vertrauendsten Lächeln von der Welt in die zweite hinein.

„Kinder", erklärte Rupert in dem salbungsvollen
Ton, den er zuweilen annahm, „wenn es uns gelingt,
ihm die himmelblaue Binde über den Augen zu lockern,
dann haben wir ein großes Werk vollbracht und ver-
dienen, daß auf unfern dereinstigen Grabsteinen die Worte
„Wohlthäter der menschlichen Rasse" eingemeißelt werden."

Aber unsre Bemühungen erschienen nicht von dem
kleinsten Erfolg gekrönt, der Blasengel blieb leichtgläubig
und arglos, als wäre er erst gestern aus den Wolken
auf die sündige Erde niedergeflattert.

Einmal hatte er uns im Atelier ausgesucht,
nachdem sich Professor P., unter dessen Anleitung
unser Triumvirat damals arbeitete, in sein
Allerheiligstes zurückgezogen. Ta ging die
Thür auf und ein kleiner, abscheulicher Seiden-
pintsch sprang uns kläffend an die Beine.

Jeder von uns wäre mit Vergnügen bereit
gewesen dem Köter einen herzhaften Fußtritt
zu versetzen, allein hinter ihm raschelte ein
seidenes Frauenkleid, eine wunderhübsche,
junge Dame mit blitzenden Zigeuueraugen,

Wangen eines Pfirsichs und einem bezaubern-
den Stumpfnäschen kam in das Atelier, als
hätte sie der Aprilwind hereingeweht, und
statt des Fußtritts bückte sich jeder herab,
um den Rücken des Scheusals zn tätscheln,
das uns zum Dank dafür nach den Fingern
schnappte.

„Ich wünsche den Professor zu sprechen",
sagte das Fräulein mit einem Lächeln, das
selbst einen Stein erwärmt hätte, „mein
Name ist Ilona Balogh, Porträtmalerin
aus Pest."

Wir wußten schon von ihr. In den
paar Tagen, die sie in unsrer Stadt verweilte,
hatte sie der jüngeren Künstlerschaft (vielleicht
auch der älteren, doch davon schweigt des
Sängers Höflichkeit), soweit sie in ihre Nähe
geraten, durch ihre Schönheit und ihre pikanten
Einfälle die Köpfe verwirrt. — Dienstbeflissen
stoben wir auseinander. Rupert schob ihr
den pomphaftesten der Krönungssessel hin,
ich breitete dem gräulichen Vierfüßler einen
kostbaren, persischen Teppich unter, Karl Schön-
born pochte an des Meisters Thür, — wie
ich vermute nicht ohne Herzklopfen, da dieser,
wenn er sich zurückgezogen, eine Störung
nicht allzu freundlich willkommen hieß —

nur Hugo Lichtner stand wie ein gemeißelter Engel da
und starrte mit verzückten Augen auf die junge Dame.

Fräulein Ilona bemerkte es — sie hätte sonst auch
stockblind sein müssen — und rückte ihren Stuhl, uni sich
dem Bereich seiner Blicke zu entziehen; doch auch jetzt
mochte sie die hypnotisierten Augen auf sich gerichtet
fühlen, denn sie schürzte die Lippen wie in gutmütigem
Spott.

Ich war wütend. War dies unsre grüne Unschuld,
unser keuscher Joseph, den wir trotz aller mephistophelischen
Versuchung, und trotzdem die hübsche Nanni in unsrer
Künstlerkneipe sich mehr als nötig in der Nähe des
seraphischen Blondkopfs zu schaffen machte, nie zu der
geringsten Aufmerksamkeit gegen das schöne Geschlecht be-
wegen konnten? Fräulein Balogh mußte annehmen, das
die Czikos auf ihrer Pußta mehr Lebensart besaßen, als
ihre jungen Künstlerkollegen. Ein vergnügtes Grinsen,
das sich über Ruperts Gesicht zog, dämpfte meinen Ärger.
Was hatte er wohl wieder ausgcheckt, um Hugo das
Leben zu verleiden? Soeben war der Professor in die
Thür getreten und geleitete den gut empfohlenen Gast in
sein Privatkabinett.

„Habt ihr bemerkt, Ivie sie den Posaunenengel
angesehen hat, so — ergriffen möchte ich es nennen?"
fragte Rupert. Sein Augenblinzeln, dem bei mir, dem

Es gibt rin lVirdrrsrhrn! Aus Benjamin vautiers Skizzenbuch
 
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