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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Herman Vogel-Plauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0356

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vom Herausgeber

277

Hat Vogel denselben Reichtum der anmutig spielenden,
ganz den märchenhaften zugewandten Erfindungskraft wie
der Meister, so ist er als durch ein halbes Jahrhundert von
ihm getrenntes, in reichlicheren Verhältnissen ausgewachsenes
modernes Menschenkind, doch weit entfernt von dessen tief,
ja fast pietistisch religiösem Zug
wie von seinen Verherrlichungen
der Armut, Demut und Genüg-
samkeit, von jener nrsächsischen
„Kartosfelpoesie", wie sie von
übermütigen jungen Leuten einst
getauft ward. Man sieht statt
ihrer überall den frischen Jäger,
der bei hübschen Mädchen gar
oft des Betens vergißt, was
Richtern nie passieren konnte.

Auch das Philistertum der Pop-
pitzer Vorstadt in Dresden, das
bei jenem eine so große Rolle
spielt, kennt der jüngere, an
einen wohlhäbigeren Stil des
Lebens Gewöhnte nicht mehr.

Ebenso fehlt ihm ganz der sen-
timentale Zug, den Pletsch und
Mohn fast noch mehr haben
als Richter, während der erstere
überhaupt eine viel engere, fast
nur auf die eigene Faniilie be-
schränkte Welt hat und Mohn
sich mehr ans landschaftliche
Stimmungsbild hält. Dagegen
sieht man bei Vogel überall
Scheffels Einfluß, mit dessen be-
haglich frischem Geiste er sich
offenbar getränkt hat. Moderner
ist er auch darin, daß er in
seinen Bildern mehr Licht- und
Schattenwirkungen verwendet, wie
in der reizenden Jagdszene, über-
haupt realistischer zu Werke geht.

Wie er überall eine Menge feiner
der Natur sehr glücklich ab-
gelauschter Züge bringt, das sieht
man besonders in den vortreff-
lichen Kindergruppen aus seinem
„Kinderparadies" (siehe S. 275,

278, 280), wo man z. B.
nur die Fußstellungen der ver-
schiedenen Kleinen zu betrachten
braucht, um zu sehen, wie viel
weiter er in der Naturbeobachtung
geht, als selbst Richter. Hier
finden wir den unaufhörlich fort-
schreitenden Künstler denn auch erst zur vollen Meister-
schaft durchgerungen, da er mit den denkbar geringsten
Mitteln doch die Phantasie mächtig anzuregen und zugleich
einen seltenen Schönheitszauber über die Schilderung der
naiven Kindernatur zu breiten versteht, so daß man dieser
Publikation, welche mit begleitenden Versen von Julius

Lohmeier in diesem Jahre bei Kühner L Berger in Berlin
erscheint, einen großen Erfolg schon jetzt mit Bestimmt-
heit Voraussagen kann, da sie wie alles was Vogel
macht, ganz getränkt mit echter Poesie und alles eher
denn eine bloße Abschrift der Natur ist. Wie denn der

Jagdsrühpück aus drr Einsiedelei, von Hermann Vogel

Künstler in all seinen Werken uns das Gefühl gibt,
daß er sein Pulver noch lange uicht verschossen habe, wir
im Gegenteil sein bestes erst noch von ihm zu erwarten
hätten. Hier wäre ihm nun freilich nur zu wünschen,
daß er auch die richtigen Aufgaben erhielte, wie sie ihm
Grimms Märchen oder Scheffels Werke bieten.
 
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