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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1889, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0397

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von Dtto Brandes

Tendenz wahrheitsgetreuer Naturschilderung und Erzeugung
einer Stimmung. Satns „Nenuphars", auf dem Wasser
schwimmende Wasserrosen in Abendstimmung, sind eine
außerordentliche Leistung nach dieser Richtung hin. Auch
ist mir Palls Späthcrbstlandschaft mit geborstenen, zum
Teil moosbewachsenen Eichen für ernstes Naturstudium und
ein offenes Herz für das Wald-
leben ein interessanter Beleg
gewesen. Petitjeans Sonnen-
biider geben in jedem Salon
zu verdientem Lobe Anlaß.

Ganz ausgezeichnet sauber und
liebenswürdig sind auch die
Lansyerschen Pavillons aus
dem Petit Trianon und Mon-
vels verlassenes, blumenum-
sponnenes, verfallenes Haus
erweckt trotz des flimmernden
Sonnenscheins, der darauf
lagert, eine überaus wehmütige
Stimmung.

Das nackte, oder vielmehr
das ausgezogene Bild ist in
unzähligen Exemplaren ver-
treten. Das Studium des
menschlichen Körpers mag ja
als der Krönung der Schöpfung
den Künstler reizen, aber ohne
prüde zu sein, müssen wir uns
doch gegen die Ausstellung
solcher Boulevardsnymphen und
Montmartre - Göttinnen ver-
wahren. Vielfach aber geben
sich die Künstler nicht einmal
die Mühe ihren Modellen solche
archäologische Masken vorzu-
binden, sondern lassen dieselben
splintcrfasernackt, als ob es
gar keine Strafgesetzpara-
graphen gäbe, im Walde um-
herhüpfen. Dergleichen Bilder
mögen in den Boudoirs ge-
wisser Damen, aber nicht in
öffentlichen Ausstellungen ihren
Platz finden. Das Lüsterne
als Selbstzweck kann künst-
lerisch ausgestaltet werden, der
Appell an die Lüsternheit in
scheinbar harmloser Form ist
unkünstlerisch. Es ist selbst
nichts gegen die Darstellung
grober Sinnlichkeit einzuwen-
den, wie sie uns Bin et in
seinem Bilde „Die Liebenden"
schildert. Hinter einem distel-
bewachsenen Zaune, am Rande eines Baches, hat sich ein
Paar niederen Standes zusammengefunden; es hält sich
eng umschlungen und küßt sich auf den Mund. Auch dieses
Bild ist ein Dokument; es zeigt uns, wie man heute und
wohl zu allen Zeiten in diesen Kreisen geliebt hat, es ist ein
durchaus realistisches Bild, das sinnlich, aber nicht lüstern
ist. Es will keine andern Empfindungen erwecken, als
die, welche es zur Darstellung bringt. Es ist wahr,

darum ist es künstlerisch und verdient, auch in technischer
Beziehung durch die flotte Art der Malerei und durch
die seltene Kraft, mit der die sinnliche Intensität wieder-
gegeben, vollkommen die Aufmerksamkeit, die ihm von
den Besuchern des Salons gezollt worden.

Sehr schlecht ist in diesem Salon der Humor fort-

Venrdig. von ksaus kserriiianu

gekommen. Mau kann sage», er beschränkt sich auf drei
Bilder: auf eine anmutige Schöpfung Delachaux „Tie
Spinnstube", in welcher zwei alte Frauen einem junge»,
reizenden Mädchen in der schweren Kunst des Spinnens
Unterricht erteilen. Es ist ein feines, mit schelmischem
Humor ausgesührtcs, gut charakterisiertes, im hellsten,
durch ein großes Fenster fallendes Licht gemaltes Bild,
Hierbei will ich nicht unerwähnt lassen, daß derartige
 
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