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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Die Fresken von Carl Gehrts in der Düsseldorfer Kunsthalle
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Die Fresken von Larl Gehrts in der Düsseldorfer Aunsthalle.

freien Entfaltung hart und mühsam. In Byzanz sehen
wir sie „mit gebundenen Flügeln", man verlangt von ihr,
daß sie sich von den hergebrachten, starren Formen nicht
entferne. Sie rettet sich durch Flucht von dem unerträg-
lichen Zwange und findet nach einem langen, mühseligen
Wege durch die vom Krieg zerstörten Länder liebevolle
Aufnahme in einem Kloster im Abendlande. In diesem
Bilde kommt auch der Zug feinen, schalkhaften Humors
zur Geltung, der Carl Gehrts Märchen- und Gnomen-
bildern einen so liebenswürdigen Reiz verleiht. Von


den zwei Mönchen an der Klosterpforte erschrickt der
jüngere, als er die junge weibliche Gestalt Einlaß hei-
schend erblickt, während der ältere ihr, da sie vom Himmel
stammt, freundlich Einlaß gewährt. Wir sehen nun im
weiteren, wie die Kunst in den Klöstern gepflegt wird,
wie das Volk Teil an ihr nimmt und wie eine neue,
herrliche Blütezeit für sie kommt, wie sie wieder thronend

die Huldigungen der Päpste und der Kardinäle, der be-
rühmtesten Männer und Frauen entgegen nimmt. Es ist
die Epoche ihres Glanzes in der Renaissancezeit. Tann
schildert eine Lünette den Einfluß der Kunst auf das
Kunstgewerbe jener Zeit, wo sie herabsteigt in die Werk-
stätten der Handwerker und diese lehrt, durch Anwendung
schöner Formen die Gebrauchsgegenstände zu veredeln.
Nun aber kommt die Zeit des Rokoko mit seinen sinn-
lichen Ausartungen und lüsternen Versuchungen. Die
Kunst aber befreit sich auch hier wieder und wird eine
Freundin des Volkes, dieses unterweisend. Diese Lünette
bildet den Abschluß der Reihe. Die auf den unteren
Wandflächen gemalten zwei großen und vier kleineren
Fresken sind Kulturbilder, Hauptepochen der Kunstentwick-
lung darstellend. Bedeutend wirken die beiden großen
Bilder auf den Langseiten des Treppenhauses (s. Bilder-
beilage d. H.). Das eine stellt die Zeit der höchsten
Blüte der Kunst in Griechenland dar; die gegenüber be-
findliche die zweite große Blütezeit der Kunst in der
Renaissance. Auf dem griechischen Bilde zeigt Phidias
dem Volke das Modell des olympischen Zeus auf der
Akropolis. Die Menge umgiebt bewundernd das Werk.
Unter den Gestalten sind hervorragend kenntlich gemacht:
Perikles und Aspasia, Jktinos, der Architekt und Sokrates.
Man sieht auch den Parthenon und im Hintergründe das
Erechtheion. Die Komposition wirkt groß und vornehm
in den Hellen Tönen der Farbengebung, die dem Lichte
des hellenischen Himmels entsprechen. Farbenreicher und
glänzender ist das gegenüber befindliche Bild der Blüte-
zeit der Renaissance. Hier thront auf einem erhabenen
Marmorsitz inmitten eines italienischen Parks die Kirche,
eine hohe, edle Gestalt, umgeben von den größten Künst-
lern und Mäcenen, die herbeieilen, ihr zu dienen. Links
sind sinnreich gruppiert die Italiener, rechts die Deutschen,
Niederländer und Spanier. Der Zug der nordischen
Künstler nach dem Süden ist hier dargenellt, und die Be-
grüßung Dürers durch Rafael vermittelt die Verbindung
der beiden Gruppen sehr glücklich. Jede der dargestellten
Künstlergestalten ist charakteristisch und sinnreich zu der
Gruppe, zu der sie gehört, in Beziehung gebracht. Das
Bild hat durch den malerischen Reiz der Trachten jener
Zeit die stärkste Wirkung in der Farbe. Zu bewundern
ist die feine Modellierung, welche Gehrts in der meister-
haften Behandlung der Technik der Freskomalerei erreicht
hat. Von den vier kleineren Bildern der Langwände
stellt das erste mit der Bezeichnung „Im Anfang" die
Anfänge der Kunstübung in vorgeschichllicher Zeit dar.
Ein Bildner legt die letzte Hand an ein von ihm ver-
fertigtes Götzenbild, eine Runen-Inschrift in den Stein
meißelnd. Die Familie des Naturvolks, dem der Bildner
angehört, betrachtet staunend und andächtig sein Werk.
Das Bild „Unter Roms Kaisern" läßt uns einen Archi-
tekten sehen, der einem Cäsaren den Plan zu einem neuen
prächtigen Palast vorlcgt und erläutert. Das folgende
Bild ist eine Darstellung aus dem Mittelalter, romanischer
Epoche. Mönche sind in einem Klosterhof in voller Thätig-
keit, den eben vollendeten Neubau zu schmücken. Das
letzte Bild, die neue Zeit, stellt Winckelmann, den großen
Kenner und Lehrer der Kunst des Altertums dar, der
Asmus Carstens, Thorwaldsen und Schinkel, die zu
seinen Füßen sitzen, die Größe und Schönheit der Antike
lehrt, aus deren Verständnis nach langem Verfall eine
neue Kunst erblühen soll. Carl Gehrts hat in diesen
 
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