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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schubring, Paul: Ein Bundesgenosse?
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Raudner, Robert Hermann: Aphorismen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0062

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Lin Bundesgenosse? — von Paul Schubring.

§2

Charakteristik brauchte. Und fängt der
Schlußsatz der Oinotl-Symphonie Beethovens
etwa nicht in O-ckur an? Gerade die un-
bedingte Wahrhaftigkeit der Wagnerschen
Musik trifft auch wieder mit dem Bestreben
der heutigen Künstler zusammen, jede Schein-
dekoration zu vermeiden und jede Verhüllung
des wirklichen Materials zu verschmähen.

Die modernen Tapeten z. B. wollen im
Gegensatz zu ihren Vorläufern gar nicht
mehr Damast oder Leder nachahmen, sondern
gerieren sich als richtiges Papier, ohne Pla-
stische Wirkung und ohne geheimnisvolles
Vertuschen des Lokaltones. Diese Ehrlichkeit
ist freilich ein Grundzug unsrer ganzen Zeit
und für sie ließen sich zahlreiche Parallelen
im heutigen gesprochenen Drama ebensogut
finden, wie bei Wagner; doch das auszu-
führen wäre banal.

Wenn diese Beziehungen zwischen dem
modernen Kunstgewerbe und der modernen
Musik richtig sind, so ergiebt sich ein höchst
seltsames Faktum. Zum erstenmal leistet,
soweit wir die Geschichte der Kunst über-
schauen, hier die Musik der bildenden Kunst
Vorspann. Die Musik ist die jüngste Kunst,
sie fing erst an zu stammeln, als die anderen
Künste schon goldene Zeiten hinter sich hatten.

In der Regel war es so, daß die Poesie voranging, die
bildende Kunst folgte den neuen Impulsen etwa hundert
Jahre später; die Musik tritt in den Wettkampf erst seit
zwei Jahrhunderten mit ein. Sie gilt als die modernste
Kunst, als die, in welcher wir unser Empfinden am un-
mittelbarsten ausgesprochen fühlen. Nun wohl, wenn
dem so ist, dann muß der Weg, den sie einschlägt, der
richtige sein und die andern Künste dürfen getrost ihm
folgen. Vielleicht wird gerade das seltene Phänomen
ihrer Führerschaft den andern Künsten manchen Umweg

ersparen. Und noch eins: so wenig wie Wagner in
seiner „Musik als Ausdruck" je um neue Linien und
Farben verlegen gewesen ist, obwohl auch er immer
wieder dasselbe darzustellen hatte, nämlich Steigen und
Fallen der menschlichen Seele, so wenig wird der aus
innerer Fülle herausschaffende bildende Künstler je rat-
los werden, sondern immer neue Formen des Druckes
und der Bewegung, der Einziehung und Schwellung er-
finden können. ^ ^ .

Paul Schubrmg.

-L Aphorismen, s—

Bildende Kunst fordert ein feiner geartetes
Publikum, als Theater und Musik.

Die Erziehung des Gefühls für Kunst geht
mit der Erziehung der Freude an der Natur
Hand in Hand. Reinheit der Seele fördert
den Sinn.

Kinder bringen größtenteils Liebe zur Kunst
mit; im Laufe der Zeit aber wird dieselbe von
den Erwachsenen vielfach wieder zerstört.

Wer trotz vorhandener Mittel der Kunst
dennoch kein Vpfer bringt, sollte gar nicht
mitreden.

Ein Heim ohne künstlerischen Schmuck gleicht
Bücherfreunde. von Tito kessi. der Höhle eines Tieres. Baudner.
 
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