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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Lange, Konrad von: Realismus, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0116

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von Prof. vr. Ronrad Lange.

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Plünderung eines galloronrani schon
Landhauses durch die Hunnen.


stellmig fehlte, weil sie nicht die nötige Technik hatten, weil ihre Bilder an die Wände der Kirchen, an
die Pergamente der Bücher gebunden waren. So ist also jeder Realismus etwas Relatives, etwas, was nur ^
im Verhältnis zu der betreffenden Zeit vollkommen verstanden und gewürdigt werden kann.

Dementsprechend ist natürlich auch der Grad, in welchem die Malerei die Natur verändert, in ver-
schiedenen Zeiten ein ganz verschiedener. Man kann nicht sagen: Soweit muß der Künstler die Natur ver-
ändern, weiter darf er nicht gehen, was darüber ist, das ist vom Hebel, sondern man kann nur sagen: Jede
Zeit, jeder ästhetische Standpunkt hat seine besondere Art, seinen besonderen Grad der Naturveränderung.
Wenn eine bestimmte Art der Naturverändernng längere Zeit geherrscht hat, so wird sie konventionell, d. h.
sie hört auf, Illusion zu erzeugen. Das Bedürfnis zunächst der Künstler, weiterhin der knnstgebildeten Laien
drängt nach stärkeren Illusionen hin. Diese stärkeren Illusionen sind nur durch eine größere Annäherung an
die Natur, durch eine neue Technik, durch strengere Beherrschung der Anatomie, der perspektivischen Gesetze, des
Kolorits u. s. w. zu erreichen. Folglich wird z. B. im fünfzehnten Jahrhundert in den Niederlanden die Oel-
malerei ausgebildet, in Italien die Perspektive strenger begründet. Alle technischen Verbesserungen gehen Hand
in Hand mit einem gesteigerten Jllusionsbedürfnis. Das gesteigerte Jllusionsbedürfnis führt zur Verbesserung
und Verfeinerung der Technik, die Verfeinerung der Technik wirkt wieder zurück, indem sie ein stärkeres Jllusions-
bedürfnis hervorruft, eine realistischere Ausbildung der Kunst möglich macht. So haben z. B. die Landschafter
der Schule von Barbizon eine Menge von Kompositionsmittelchen verschmäht, die die klassizistische Landschaft für
nötig gehalten hatte. So hat man z. B. in der Porträtmalerei bis in unser Jahrhundert an dem hohen Seitenlicht
festgehalten, das den Vorteil bot, die Formen des Gesichts möglichst plastisch herauszumodellicreu. Seitdem aber die
malerische Technik sich in einem Grade verfeinert hat, daß man auch Köpfe, die von hinten beleuchtet sind,
d. h. ganz im Schatten liegen, plastisch herausarbeiten kann, geht man häufig von dieser konventionellen Licht-
führung ab und stellt sein Modell unmittelbar vor ein an der Hinterwand angebrachtes Fenster. Dies als
falsch zu verdammen, wäre natürlich ganz verkehrt. Nur wird man allerdings die Forderung erheben dürfen,
daß trotz dieser schwierigen Beleuchtung doch die volle Illusion erzielt wird. Die Berechtigung, solche Motive
anzuwenden, ist also eine einfache Machtstage. Wer es kann, der darf es, wer nicht, dem ist es versagt.
Ganz ebenso ist es auch in den anderen Künsten. Wenn z. B. die Düse beim Dialog auf der Bühne dem
Publikum ganze Scenen hindurch den Rücken dreht, so hat sie dazu das Recht, weil ihre technischen Mittel,
 
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