Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

DOI Artikel:
Neue Bücher und Kunstblätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0141

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
;05

Neue Wüchse und RuuM'äitee.

Wenn irgend ein Fortschritt der Kunst unserer Zeit zweifel-
los, so ist es der kolossale, welchen die vervielfältigenden Künste
nach der Seite der Technik hin gemacht haben. Eine Radierung,
welche so täuschend die ganze Freiheit einer an sich schon außer-
ordentlich leicht hingeworfenen Pastellzeichnung wicdergiebt, wie
die, welche W. Unger von Fr. Aug. von Kaulbachs „Hebe" im
Verlage der Photographischen Union in München hat erscheinen
lassen (Preis 20 M., numerierte Japandrucke vor der Schrift
100 M.), wäre noch vor dreißig Jahren geradezu undenkbar gewesen
bei uns. Freilich ist es nicht nur die glänzende Meisterschaft der
kupferstecherischen Behandlung, die uns an dieser „Hebe" entzückt,
ja sie thut das nicht einmal in erster Linie. Denn noch mehr
fesselt uns das, was Fr. v. Aug. Kaulbach unzweifelhaft zuerst in
die Münchener Kunst gebracht: die köstliche Unbefangenheit des
Ausdrucks in diesem Mädchenkopf, die so hinreißend anmutvoll
wirkt. Da ist doch nicht die Spur mehr von gemachtem Wesen,
von jener Berechnung und Koketterie, oder gar von jenem
„Sitzgesicht", das man an allen vor 1870 in München, ja in
ganz Deutschland gemalten Frauenköpfen unfehlbar wahrnimmt
und von denen die Kaulbachschen zuerst eine glänzende Ausnahme
machten in ihrer entzückenden Natürlichkeit! Das ist ein so präch-
tiger Backfisch wie man ihm nur selten im Leben, und noch viel
weniger in der Kunst begegnet, wo — in der alten wie der
neuen — gerade die Unbefangenheit zu den allerseltensten Eigen-
schaften gehört, die wie gesagt in München fast nur F. A. v. Kaul-
bach unter den Lebenden eingeführt hat, während sie vor ihm
höchstens einmal irgend einem Genremaler wie Defregger und
auch da rar genug geriet. Daß der Radierer das aber so voll-
ständig wiederzugeben verstund, das macht sein Blatt zu einem
der fesselndsten, die wir seit langem gesehen.

C. W. Allers. Rund um die Erde. (Stuttgart, Union.
40 M.) Nachdem er solchergestalt in seiner Unruhe alle fünf
Weltteile abgelaufen, wird nachgerade für diesen quecksilbernen
Hamburger nur noch der Mond übrig bleiben, um uns auch von
ihm zu berichten. Was er uns hier aus Indien erzählt, kann
sich aber an rein künstlerischem Interesse weder mit seinen frühesten
Hamburger Arbeiten noch mit seinen bayerischen Jagdgeschichten
messen. Damit ist nun freilich nicht gesagt, daß man hier die
merkwürdig scharfe Beobachtung des Charakteristischen jeder Er-
scheinung und den erquicklichen so humorvollen Sinn für jede
Art malerischer Schönheit vermißte, die Allers so rasch seinen
großen Ruf verschafft haben. Aber man kann nicht in sechs
Monaten „rund uni die Erde" herumfahren und ein dickes
Buch über das Gesehene zeichnen und schreiben, ohne daß diesem
die Spuren der Eile sehr deutlich anzusehen wären. Allers ist
daher unstreitig auf dem besten Wege, sein bewundernswertes
Talent zu ruiniren, wenn er uns jetzt auch noch beständig durch
dasselbe fesselt, wie hier gerne anerkannt werden soll. Aber er
verstand einst mehr als nur angenehm zu unterhalten.

Hausschatz moderner Kunst. (Wien, Gesellschaft für
vervielfältigende Kunst. H. 6—13 ä 3 M.) Von all den mancherlei
diesjährigen Weihnachtsproduktionen ist diese, die wir schon im
vorigen Jahre besprochen haben, unstreitig eine der interessantesten.
Bringt sie uns doch fast durchwegs vortreffliche Radierungen nach
Bildern unserer ersten Meister, so daß man hier einen wahrhaft
lebendigen Begriff von der zeitgenössischen Kunst bekommt, wie
sonst nirgends. Und einen sehr vorteilhaften dazu, da die Radierung,
wie wir bereits Eingangs unserer Rundschau bemerkten, besser
geeignet ist, den spezifischen Charakter moderner Künstler wieder-
zugeben, als irgend eine andere Technik. Wir zweifeln deshalb
sehr, ob ein früheres Jahrhundert uns erquicklicher anmuten würde,
als das hier durch Max und Makart, Feuerbach und Defregger,
Liebermann und Lenbach, Schreyer und Fagerlin oder Braith
vertretene. — Denn, was diese moderne Kunst vor allen ihren
Vorgängern auszeichnet, ist die größere Freiheit, die dem ge-
bundenen Wesen jener gegenüber so wohlthuend wirkt. Jene sind
immer im Banne der Religion oder doch der Tradition, von denen
man bei einem Böcklin oder Max absolut nichts mehr wahrnimmt.
Und diese so wohlthuende Freiheit ist erst eine Errungenschaft
der neuesten Zeit, von der man bei einem Schwind, Canon,
Bode u. a. nur erst recht wenig wahrnimmt. Offenbar sind es
auch die Landschafter wie Böcklin, H. v. Bartels, Ed. Schleich,
welche diese Freiheit zuerst errungen haben, während sie bei den
Historienmalern fast nur Max in auffallendem Maße besitzt. Jeden-
falls kann man das Werk denen gar nicht genug empfehlen, welche
die deutsche Kunst in ihrem vollen Werte schätzen lernen wollen.

Die Kunst für Alle XIV.

Angefügt an dieses noch im Erscheinen begriffene Liese-
rungswerk sei eine mittlerweile zum Abschluß gekommene Publi-
kation: „Victor Tilgners" ausgewählte Werke (Wien,
Löwy, 60 M-). In den uns vorliegenden Schlußlieferungen
hat zu unserer großen Genugthuung der im vorigen Jahre
ausgesprochene Wunsch besonders die meisterhaften Büsten, des
Künstlers stärkste Seite, berücksichtigt zu sehen, eine sehr erwünschte
Erfüllung gefunden. Denn wenn uns der Geschmack von Tilgners
Idealfiguren meist zu süßlich erscheint — besonders bei dem
ganz tanzmeisterlich gehaltenen Mozart-Monument, so erfreut
uns bei den Porträtbüsten fast immer die scharfe Charakteristik,
und jedenfalls auch das große malerische Talent des Meisters.
Als Probe aus dem schönen Werke geben wir in einer
Beilage dieses Heftes ein Grabdenkmal des viel zu früh Ge-
schiedenen.


R. Schoener, Rom. (Wien, E.M. Engel. 30 M.) Dies
offenbar zum Andenken für die unzähligen deutschen Besucher der
ewigen Stadt bestimmte, von einem ihrer besten Kenner geschriebene
und mit geschicktester Benutzung aller Hilfsmittel der modernsten
Technik und der Mitwirkung einer Anzahl der berühmtesten
römischen Künstler hergestellte Werk gehört jedenfalls zu den weit-
aus wertvollsten Gaben der heurigen Verlagsthätigkeit. Denn giebt
es uns in seinen 290 meist unmittelbar nach der Natur mit hervor-
ragendem Geschmack aufgenommenen Lichtbildern den Eindruck der
Bauwerke der ewigen Stadt mit überraschender Wahrheit und Un-
mittelbarkeit, so hält es sich bei dieser Wiedergabe doch ganz an
das, was den deutschen Besucher zumeist interessiert — erst das
antike und dann das päpstliche Rom, und läßt das seit dreißig
Jahren entstandene, moderne mit kluger Berechnung fast ganz
weg, um uns den Eindruck nicht zu verderben. So entstand
etwas von vollendeter Harmonie, wenn auch begreiflich gar vieles,
so speziell die Werke der Malerei, fast keine Ausnahme mehr
finden konnte. Wir glauben aber kaum, daß irgend ein Werk
über die ewige Stadt existiert, das einem alten oder neuen
Besucher derselben solches Vergnügen bereiten, d. h. ihn mit solch
unwiderstehlicher Gewalt mitten in dieselbe versetzen könnte.

Albert Hertel. Die alte Kaiserstadt Goslar. Zwölf
Aquarelle. Text von Max Jordan. (Goslar, Franz Jaeger, 100 M.


 
Annotationen