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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schumacher, Fritz: Etwas vom Einrahmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0200

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152

Etwas vom Einrahmen, von Fritz Schumacher.

leichtern, da die Gefahr nahe liegt, daß wir gleichzeitig
mit dem kleinen Bilde auch andere Sachen mit dem
Auge umspannen würden. Diese isolierende Wirkung ist
sehr oft der Grund, weshalb ein neutraler Rand nötig
erscheint, ehe der Rahmen das Ganze abschließt. So
lange man sie erreichen kann mit dem natürlichen Rande
des Blattes oder dem Karton, auf den es geheftet ist,
sollte man im allgemeinen dabei bleiben, und erst wenn
dies nicht möglich ist, sollte man zum Surrogat der
Passepartouts greifen. Je weniger ein solches Passe-
partout auffällt, umso besser; daher ist ein weißes Papier
einem getönten in der Regel vorzuziehen und das getönte
hat eigentlich erst dann Berechtigung, wenn so viele Helle
Töne im Kunstblatt selbst enthalten sind, daß seine
Wirkung durch die Vermehrung des Weiß zu sehr ver-
schwimmen und die Konzentrierung verlieren würde. —
Von dem Rahmen, der nun den Weißen Rand abschließend
umgicbt, kann man im allgemeinen sagen: je schlichter,
je richtiger. Ein Aquarell verträgt noch eine gewisse
Durchbildung in der Form des Profils, so sieht man bei
den Engländern Aquarelle oft in sehr zart gezeichneten
weißen und mattgrünen Umrahmungen recht vorteilhaft
erscheinen, — bei graphischen Blättern ist vielleicht die
ganz schlichte, etwas nach innen geneigte Leiste, eventuell
mit ganz feinen Goldstreifchen abgesetzt, — das aller-
geschmackvollste. Naturholz oder eine diskrete, die Maserung
nicht verdeckende Tönung durch Beizen ist dabei Vorbe-
dingung. Im ganzen aber muß der Rahmen eben dies
Bescheidnere, Primitivere haben, denn er gehört nicht
wie beim Oelgemälde zum wesentlichen Bestandteil des
ganzen Werks, sondern man muß bei solchen Kunstblättern
gleichsam das Gefühl behalten, daß man sie auch aus
dem Rahmen herausnehmen und in eine Mappe legen


F. Geselschap 6e1.

(1895).

könnte. Diesem Charakter hat Van de Velde jüngst
einen neuen Ausdruck gegeben, indem er in die Ver-
täfelung eines Raumes Glasplatten einfügte, hinter denen
man seine Kunstblätter durch einen einfachen Mechanis-
mus einschieben kann. Es ist das wohl das Ideal in
der Einrahmungsfrage von Zeichnungen, Lithographieen,
Radierungen und dergleichen; man kann die Blätter, die
einen umgeben, wechseln, wann man will, und die größt-
mögliche Konzentrierung auf den Gegenstand wird erreicht,
ohne daß er sich breit macht.

Leider kann man diese Art des Eiurahmens nur
wenigen Leuten empfehlen, aber auch derjenige, welcher
keine Vertäfelung im eignen Zimmer zur Verfügung hat,
vermag dem Raume, in dem er haust, heutzutage seinen
Geschmacksstempcl zu geben, wenn er die guten und so
wohlfeilen Kunstblätter, die unsere Zeit bietet, statt öder
Oclbildimitationen oder gar schlechter Oelgemälde richtig
und diskret gerahmt zur Ausstattung seiner Umgebung
mehr heranzieht. Wir haben hierin eines der wesent-
lichsten Mittel, um das Wohnhausschema, in das die
Großstadt den Unbegütcrten nun einmal erbarmungslos
bannt, etwas zu durchbrechen. In diesem Bestreben
spielt auch der Rahmen seine bescheidene Rolle und auch
er vermag in uns etwas von täglichem künstlerischen
Behagen zu erwecken, wenn wir gelernt haben, auf die
Feinheit in der Wirkung dekorativer Elemente zu achten
und sie zu empfinden.

-« Gedanken, st-

Um populäre Schönheit ist es eine eigentümliche Sache.
Was für ein schönes Mädchen gilt, läßt den Künstler meistens
kalt und erst ein schöner Mann. schwabenmajer.

Das Kunsturteil des Dilettanten und des Meisters unter-
scheidet sich darin, daß elfterer dabei das Kunstwerk mit sich
in Uebereinstimmung zu bringen sucht, letzterer sich mit dem
Kunstwerk. Grillparzer.

Lin gutes Werk der darstellenden Kunst ist dasjenige,
das alle Fragen, die sich in uns erheben können, sobald wir
erkennen, was dargestellt sein soll, unmittelbar aus sich selbst
beantwortet; oder vielmehr angesichts dessen es überhaupt
zu keiner (auch unbewußten) Frage, zu keinem Suchen, zu
keinem Gefühl der Unbefriedigung kommt. Während »ns
das Naturobjekt die angegebenen Fragen, zum mindesten für
die einheitliche Wahrnehmung, in der Regel nicht beant-
wortet, vielmehr stets der einzelne Mahrnehmungsakt der
Ergänzung durch andere bedarf, wenn jene Fragen beant-
wortet werden sollen; während also der Natureindruck stets
die Ursache weiteren Suchens in sich trägt, läßt es, im
Gegensätze hiezu, das gute Kunstwerk zu keinerlei Fragen
dieser Art kommen. Daraus aber ergiebt sich unmittelbar
das Verständnis jener Beruhigung, jener wohlthuenden
Wirkung, die uns das Merkmal des guten Kunstwerks ist:
nicht um „Schweigen des Millens" im metaphysischen Sinne,
sondern einfach intellektuelle Arbeitsersparnis ist es, was uns
in jener wohlthuenden Wirkung entgegentritt. Die Fragen,
die wir den Naturobjekten gegenüber durch eiue Reihe von
Wahrnehmungen lösen, haben wir dein „guten" Kunstwerk
gegenüber gar nicht nötig zu stellen — sie werden von dem-
selben unmittelbar beantwortet, vom Beschauer in einem
einheitlichen Wahrnehmungsakt erschlossen.

„Hur Psychologie des künstlerischen Genusses/'
lS-it ;. „Allg. Ztg." sSSS. Nr. 2sZ.)


Karl Schneider.
 
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