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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schultze-Naumburg, Paul: Die Komposition in der modernen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0218

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Die Komposition in der modernen Malerei, von Paul Schultze-Naumburg.

von zeitgenössischen Künstlern an, die mir hinsichtlich der Komposition bemerkenswert erscheinen und bei denen
man die Richtigkeit des Gesagten prüfen kann.

Da ist vor allen Böcklin. Auf seiner italienischen Villa (Bilderbeilage) schneidet er die Pinie mitten durch
und bringt vor allem dadurch das wundervoll Geschlossene in die Erscheinung des Bildes, das ganz undenkbar
wäre, wenn der Höhe des Baumes zu liebe die Bildsläche höher angenommen wäre, als Böcklin sie eben wollte.
Bei Pötzelbergers „Fränkischer Landschaft" (Bilderbeilage) ist es vielleicht auffällig, daß der Horizont so hoch
liegt; aber gerade darin liegt der Hauptreiz, da er dadurch den Eindruck des Blickes in ein Thal hinunter erreicht.
Meisterhaft versteht Dill die Forderungen des Kompositionellen (Abb. a. S. 167). Auch er bringt ganz merkwürdig
den Eindruck des Geschlossenen in seine Werke, dadurch, daß er nur die sprechenden Punkte in das Bereich der Bild-
fläche zieht und das Wogen der Linien auf derselben aufs feinste abwägt. Palmiss poetische deutsche Land-
schaft (S. 173) würde ohne die durchschnittenen Bäume im Vordergrund nicht so geschlossen wirken; in Zumbuschs
anmutigem kleinen Bilde (S. 169) bilden die vertikal durchschneidenden Linien eigentlich das malerische Motiv,
nicht etwa das kleine Figürchen im Hintergrund, das ja eigentlich nur einen Fleck bildet. Auf ganz dieselben
oder ähnliche Dinge könnte ich bei allen folgenden Werken aufmerksam machen: wie Zügel (S. 170) seinen Haupt-
accent auf das Terrain mit den Tieren legt und nur einen ganz kleinen Fleck Himmel bringt (wie andere wieder
einmal nur den Himmel zum Motiv erwählen). Diez (Bilderbeilage) schildert so stimmungsvoll das alte Raub-
nest, dessen Mauern deshalb so düster emporragen, weil die Figuren ganz tief unten flach vorüberziehen. Wie
schön laufen bei Hofmann (S. 169) die Linien des Geländes und der Bäume, mitten durchschnitten von der
stehenden Figur, die oben und unten fast den Rahmen berührt. Bei llhde (S. 164) trägt zu dem Eindruck,
als ob der Engel von links hineinträte, nicht wenig der Umstand bei, daß die Figur etwas überschnitten ist;
Stucks „Kreuzigung" (untenstehend) verdankt ein gut Teil ihrer monumentalen Wucht und Kraft ihrer eigen-
tümlichen Verteilung im Raum. Man mache einmal den Versuch, den Rcchmen des Bildes zu vergrößern und
man wird finden, daß das Bild an — Größe verliert. Ganz ähnliches gilt bei Lieb er mann, bei dessen
Werken der Eindruck der Größe und des mächtigen Ernstes auch durch die Art, den Raum zu begrenzen, mit
hervorgerufen wird. Das scheinbar so zufällig arrangierte Bild „In den Dünen" (S. 161) ist im Grunde eine
so fein abgewogene Komposition, dessen Linien und Flächen aufs intimste geprüft sind, wie es nur irgend ein
anderes Bild sein könnte, dessen Komposition rascher zu erkennen ist. — So bei Volz (S. 174 u. 175) und
Burns (S. 168). Auch beim Selbstporträt Zorns (Abb. a. S. 34 d. 13. Jahrg.) finden wir eine eigentüm-
liche Raumverteilung, die durchaus nicht etwa auf eine bloße Marotte des Malers zurückzuführen ist; gewiß hat
ihm hier der Spiegelausschnitt, in dem er das Ganze gemalt hat, um seiner kompositionellen Verteilung wegen
gefallen und so hat er auch das Bild gemalt. Ein ganz besonderes Raffinement zeigt Khnopff mit seinem
erlesenen Geschmack in seinem seltsamen, der Münchener Neuen Pinakothek gehörenden Bilde „I loclc rn^ ckoor

upon m^ssll", das wir bei einer anderen
Gelegenheit abbilden werden. Wer das
Bild bereits kennt, achte neben der
Ueberschneidung der Frauengestalt nur
einmal auf die Verteilung der geometri-
schen Figuren und der drei Lilien vorn.

Damit man nicht meine, ich hätte
es stets auf einen engen Naturausschnitt
oder gar auf die Modernen allein abge-
sehen, füge ich noch einen Ludwig
Richter bei (S. 173), der es versteht,
seine Flüche, die sehr viel erzählt, so in
wogenden Wohlklang der Linie einzuteilen
und in die so entstehenden Flächen eine
Fülle von Einzelformcn so einzuordnen
und vor allem: untcrzuordncu, daß ein
geschlossenes Ganze entsteht.

Doch so könnte man die Beispiele
ins Unendliche ausdehnen. Ich denke,
daß der Leser begriffen hat, um was es
sich handelt. Vielleicht verhilft ihm das
Gesagte, Schönheiten da zu finden, wo
er vorher nur Schrullenhaftes zu sehen
vermeinte.


Franz Stuck piox.
 
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