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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Hann, Pauline: New Yorker Kunstbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0239

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New Yorker Kunstbericht. Von j). kann.

(83


New Uorker Piunstbericht.

von p. Hann.

uch in diesem Winter wurde zu wohlthätigem Zwecke
eine Ausstellung der neuesten Porträts von Mit-
gliedern der New Jorker Gesellschaft nebst dem gebräuch-
lichen Anhänge der neuesten, das heißt erst kürzlich aus
englischen Schlössern zu den amerikanischen Geldleuten ge-
wanderten Gainsboroughs, Reynolds, Romneysrc.
veranstaltet.

Sie war die beste von allen; aber noch deutlicher
als ihre zwei Vorgängerinnen bezeugte sie, daß die
Pariser Porträtkunst in New Jork zur Alleinherrschaft
gelangt ist. Außer den Franzosen scheinen nur jene
Amerikaner, die deren getreue Nachahmer sind, mit Auf-
trägen von den reichsten Gesellschaftskreisen bedacht zu
werden. Einer der tüchtigsten, gesündesten der ameri-
kanischen Porträtisten, Chase, der vor wenigen Jahren
mit dem Bildnis seiner Frau alle Kunstverständigen in
Begeisterung versetzte, brachte nur ein Bild, das seiner
Tochter, wie ich glaube; Beckwith das glänzend ge-
malte seiner Frau, und der hervorragendste Amerikaner
im Porträtfach, allerdings einst auch von Paris stark beein-
flußt, jetzt aber längst im Besitz ausgesprochener Eigenart,
Sargent, entgeht der Vernachlässigung vermutlich nur
deshalb, weil er wohlweislich seinen Wohnsitz in Eng-
land behält, wo ihn seine Landsleute suchen müssen.
Er erschien mit dem ganz bedeutenden Bilde des soeben
verstorbenen Senators Bryce, einem Triumph der
Charakteristik; denn das kühne Eindringen in die ersten
finanziellen und politischen Reihen aus Armut und
Dunkelheit kann jeder Uneingeweihte aus dem energisch
drängenden Ausdruck, aus der virtuosen Darstellung des
sels-macie Mann erraten. Von dem vor einigen Jahren

verstorbenen Briten Holl ist das nächstbeste Männer-
bildnis der Sammlung voll Solidität in der Modellie-
rung des Kopfes, gewissenhaft in der Mache. Die
Frauen, die fast ohne Ausnahme dem Zauber von Paris
erliegen, verdanken ihm technisch virtuose, in Kleidung
und Accessorien höchst glänzende Gemäloe, die aber —
keine Amerikanerinnen, sondern elegante, verführerische,
oft gradezu ins Kokottenhafte hinüberspielende Fran-
zösinnen sind. Die spätern Generationen werden sich
ein vollkommen unwahres Bild von ihren Großmüttern
machen. Eine Fälschung des Charakters ist bei einem
Porträt eine bedenkliche Sünde. Bonnat entging ihr,
doch er zeichnet das Brustbild eines Mannes, Mr.
Hewitt, einer der besten Bürger und grämlichsten Son-
derlinge New Jorks. Carolus Duran, sonst der
pariserischeste Pariser, hat in seinem Porträt der Miß
Morton ausnahmsweise die Klippe vermieden und uns
zwischen Blumen ein holdseliges, geradezu naiv auf-
gefaßtes Mädchenbild vorgeführt, das allerdings auch
nicht speziell amerikanisch ist, sondern jedem Lande an-
gehören könnte. Boldini hingegen tritt technisch un-
übertrefflich, aber forciert lebendig auf, sein virtuos ge-
maltes Kinderporträt ist komödiantenhaft, das Kind einer
dekadenten Pariser, nicht einer gesundheitsstrotzenden New
Jorker Familie. Und der Franzose Chart ran und
der Spanier-Franzose Madrazo! Seit drei Jahren
verbringen sie, mit Aufträgen überhäuft, ihre Winter in
New Jork. Ihre Unterschrift trug eine ganze Anzahl
von Bildern an den Wänden der „Academy", wo die
Porträt-Ausstellung stattfand, und nun hat jeder noch
eine nachträgliche Sonderausstellung mit teilweise neuen
 
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