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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Woermann, Karl: Goethe in der Dresdner Galerie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0273

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210

Goethe in der Dresdner Galerie.

empfinden aus, als
er sie als achtzehn-
jähriger Jüngling
zum erstenmale be-
trat?

Die Galerie war
damals in dem schon
1722 eigens für sie
hergerichteten,
1744 — 46 eigens
für sie um gebauten
Gebäude am Neu-
markt untergebracht,
das, in unserem
Jahrhundert aber-
mals neugestaltet,
gegenwärtig unter
dem Namen Jo-
hanneum das histo-
rische Museum und
die Porzellansamm-
lung beherbergt. Bei der Herrichtung der Räume hatte
man sich noch etwas enger, als man es heute in solchen
Fällen thut, an den ursprünglichen Begriff der Galerie
als eines langgestreckten Raumes gehalten. Das recht-
eckige Gebäude war freilich nicht besonders lang; aber
die „Galerie" zog sich an allen seinen vier Seiten ent-
lang und kehrte auf diese Weise, viermal gebrochen, in
sich selbst zurück. Eigentlich waren es zwei Galerien
in- oder nebeneinander. In der Mitte des Gebäudes
war ein Lichthof; und während die äußere Galerie ihre
Fenster nach den Straßen richtete, die das Gebäude
umgaben, empfing die innere Galerie, die daher etwas
dunkler war, ihr Licht von dem Hofe. So verstehen
wir Goethes Beschreibung: „Ich trat in dieses Heilig-
tum, und meine Verwunderung überstieg jeden Begriff,
den ich mir gemacht hatte. Dieser in sich selbst
wiederkehrende Saal, in welchem Pracht und Rein-
lichkeit bei der größten Stille herrschten, die blendenden
Rahmen, alle der Zeit noch näher, in der sie vergoldet
wurden, der gebohnte Fußboden, die mehr von Schauen-
den betretenen als von Arbeitenden benützten Räume

gaben ein Gefühl
von Feierlichkeit,
einzig in seiner
Art, das um so
mehr der Em-
pfindungähnelte,
womit man ein
Gotteshaus be-
^ tritt, als der
Schmuck so man-
ches Tempels, der
Gegenstand so
mancher Anbe-
tung hier aber-
mals, nur zu
heiligen Kunst-
zwecken aufge-
stellt erschien."
So verstehen wir
auch die Be-
schreibung, die

Goethes Freundin, die Malerin Louise Seidler, in ihren
„Erinnerungen", die Goethesche Schilderung ergänzend,
von der Galerie entwirft: „Zwei ineinander gebaute vier-
eckige Räume, sehr hoch und sehr gut gehalten, mit roten
Damasttapeten und parkettierten Fußböden. In der äußeren
Galerie hingen Niederländer, Deutsche und Franzosen; die
innere war den Italienern und Spaniern eingeräumt."
So verstehen wir endlich auch die Einteilung der dama-
ligen Kataloge, deren erste Ausgabe 1765 in französischer
Sprache erschienen war, während die erste deutsche Aus-
gabe erst 1771 herauskam. Diese Kataloge verzeichnen
die Bilder in der Folge, in der der Beschauer sie an den
einzelnen Wänden besichtigte. Ihr erster Teil umfaßte
die äußere, ihr zweiter Teil die innere Galerie; und in
der äußeren Galerie, um in dieser zu bleiben, wurden
die vier den Fenstern gegenüber gelegenen Wände be-
zeichnet als 1. die Seite gegen die Churfürstliche Reit-
bahn; 2. die Seite gegen die churfürstliche Rüstkammer;
3. die Seite nach dem Jüdenhofe; 4. die Seite gegen
die Stallgasse.

Die Mmswrwerke der Malerei aber, welche die
Dresdner Galerie damals schmückten, waren nahezu die-
selben, die noch heute die Kunstfreunde der ganzen Welt
vor sich versammeln. Der siebenjährige Krieg hatte dem
Sammeleifer König Augusts III., der denjenigen seines
Vorgängers, König Augusts des Starken, noch überboten,
ein jähes Ende bereitet. Der König und sein auch in
künstlerischen Dingen allmächtiger Ratgeber Graf Brühl
starben noch im Jahre des Friedensschlusses. Der kunst-
sinnige Kurfürst Friedrich Christian, dem nur zwei Mo-
nate zu herrschen vergönnt war, hatte nur Zeit zu dem
Versuch gefunden, der herrlichen Galerie eine würdige
Akademie der bildenden Künste an die Seite zu setzen.
Seinem Nachfolger, dem nachmaligen König Friedrich
August dem Gerechten, erwuchsen während der ganzen
langen Zeit seiner Regierung andere Aufgaben, als
die Bilderankäufe wieder aufzunehmen. Die Lage des

Landes hätte dies auch kaum gestattet. Den Eindruck,

den Goethe als Leipziger Student von der Lage Kur-
sachsens empfing, schildert er mit den Worten: „Nun
lagen die königlichen Schlösser zerstört, die Brühlschen
Herrlichkeiten vernichtet; und es war von allem nur ein
sehr beschädigtes
herrliches Land
übrig geblieben".

Uebrig geblieben
war freilich auch
die Gemälde-
galerie; und die
Verschwendung,
der man die
beiden sächsisch-
polnischenKönige
gerade wegen
ihrer beinahe un-
sinnig erscheinen-
den Gemäldean-
käufe geziehen,
stellte sich schon
damals, wie noch
heute, als eine
Kapitalanlage
heraus, deren
 
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