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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Woermann, Karl: Goethe in der Dresdner Galerie, [3]
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Goetbe in der Dresdner Galerie.


Wie das niederlän-
dische Doppelbildnis
zweier Schwestern
mit einem Hunde
von 1563, wie das
Bildnis eines Ut-
rechter Kanonikus,
wahrscheinlich von
Anton Mor, wie
das männliche Bild-
nis, das wir heute
auf Barend von
Orley zurückführen,
und wie die Kopie
nach Memlings
Bildnis des Anton
von Burgund, als
echte Bilder des
großen Meisters an-
erkannt, die ersten
drei, übrigens wirk-
lich gute Bilder, auch gelobt, das zuletzt genannte, das
in der That mittelmäßig ist, durch den Zusatz „so ziemlich
gut" eher getadelt. Als ob ein echtes Gemälde Holbeins
jemals ein solches Zeugnis verdienen könnte!

Mit Unrecht wird die Echtheit von Elsheimers
feiner Landschaft mit der Flucht nach Aegypten, mit Recht
wird aber wieder die Eigenhändigkeit von Rubens Land-
schaft mit dem Escorial bezweifelt; und daß einige der
Bilder aus der Schule Caravaggios, die der Katalog
damals noch dem Meister selbst gab, als Werkstattsgut
erkannt wurden, ist den römischen Studien Meyers und
Goethes gegenüber beinahe selbstverständlich.

Mit ihren Urteilen über den Kunstwert der Bilder
wird man in vielen Fällen übereinstimmen. Freilich,
wenn Bilder so breit und flott hingesetzt sind, wie die
beiden köstlichen kleinen Bildnisköpfe des Frans Hals,
so werden sie als „unfertige Untermalungen" bezeichnet;
und die Meisterwerke Rembrandts, Goethes alte Lieblinge,
werden mit Zensuren wie „gut", „brav" u. s. w. doch
etwas kühl abgefertigt. Nur das herrliche Opfer Manoahs
hat das Zeugnis „sehr gut" erhalten; und vom Ganymed
heißt es doch: „Schöner Pinsel; eins seiner besten".
Der Klassizismus, dem Goethe und Meyer damals
huldigten, kommt daneben doch Wohl in der Bemerkung
zu Rembrandts köstlicher „Hochzeit Samsons" —
damals für das Fest Ahasvers gehalten — zum Aus-

Rembrandl. „Der Raub des Ganymed/

druck, wenn zu die-
sem Bilde bemerkt
wird: „gut, hat aber
fast das Ansehen
einer Parodie";
ebenso in der Be-
merkung zu Rubens
üppig gemalter,
farbenprächtiger
„Bathseba", die
wohl wegen ihrer
allerdings hart ge-
zeichneten Bein-
stellung einfach als
„schlecht" bezeichnet
wird. Am unver-
frorensten klassi-
zistisch mutet uns
das Lob an, das
Frans Floris, des
öden Nachahmers

der Italiener, leerer „Anbetung der Hirten" gespendet wird,
wogegen uns eine Reihe anderer Urteile der „Weimarischen
Kunstfreunde" durchaus nicht unannehmbar erscheinen
werden. Neben Ruisdaels „Jagd" steht: „vortrefflich, und
das beste vom Meister hier"; von Terborchs „Dame vor
dem Bett mit roten Vorhängen" heißt es: „fürtrefflich,
scheint ein Studium zu sein"; zu Joris van Sons
„Frühstück" wird bemerkt: „nicht übel, die Farbe nicht
recht getroffen, aber gut gemacht"; neben dem angeblich
von van Dyck gemalten Bilde der „Danae im Goldregen",
das noch heute gern kopiert wird, steht nichts weiter als:
„wird immer kopiert"; das leider vor einigen Jahren
gestohlene Bild Adr. Brouwers „ein Bauer, der das Maul
aufsperrt" erhielt kurz und bündig das Lob „geistreich".
Jedenfalls sieht man, daß Goethe sich in der Dresdner
Galerie den Niederländern, denen er sich in Italien ganz
entfremdet hatte, wieder zu nähern anfing.

Goethe wird seine Reinschrift als Vorarbeit zu
einem kritischen Aufsatz über die Gemälde der Dresdner
Galerie angesehen haben. Es ist schade, daß dieser Auf-
satz nicht zur Ausführung gekommen; er hätte der Galerie
nur Nutzen bringen können. Es wäre das erste Mal ge-
wesen, daß sie etwas von Goethe empfangen hätte. Nicht
lange darauf aber schenkte er ihr wirklich etwas, das sie
noch nicht vergessen hat. Es sind Verse, die, da sie 1808
geschrieben sind und Goethe nach 1794 erst 1810 wieder


Rembrandt. „Vas Dxser Manoahs."
 
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