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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Woermann, Karl: Goethe in der Dresdner Galerie, [3]
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van Karl Woermann.


in Dresden war, durch seinen
Besuch von 1794 eingegeben
sein werden — die oft an-
geführten Verse auf die
Sixtinische Madonna, die
Goethe 1808 in Karlsbad
„einer hohen Reisenden",
der Kurprinzessin Auguste
von Hessen, ins Stamm-
buch schrieb:

„Der Mutter UrbilS, Köni-
gin der Frauen,

Ein Wunderpinsel hat sie
ausgedrückt,

Ihr beugt ein Mann mit
liebevollem Grauen,
Goethe, Louise Seidler Ein Weib die Knie in

piux, <8>o. Demut still entzückt."

Diese Verse stehen aller-
dings weder ihrer selbst wegen noch der Madonna willen
da. Sie sind herausgerissen aus einem aus vier Oktav-
slanzen gefügten Huldigungsgedichte an die Prinzessin, die
Goethe mit Raphaels Madonna vergleicht. Die ganze
Strophe lautet:

„§o wandelst du, dein Ebenbild zu schauen,

Das majestätisch uns von oben blickt,

Der Mutter Urbild, Königin der Frauen,

Ein Wunderpinsel hat sie ausgedrückt.

Ihr beugt ein Mann mit liebevollem Grauen
Ein Weib die Knie in Demut still entzückt;

Du aber kommst, ihr deine Hand zu reichen,

Als seiest du zu Hans bei deines Gleichen."

Als Ganzes ist das Gedicht in weiteren Kreisen ver-
gessen. Jene vier
Zeilen aber, die in
der That mit grie-
chischer Plastik und
italienischem Wohl-
laut den Eindruck
des seltenen Bildes
wiedergeben, sind
bis auf den heutigen
Tag unvergessen ge-
blieben. Sie werden
noch heute fast in
jeder deutschen
Schrift über Ra-
phael oder über
seine Madonna di
San Sixto wieder-
holt.

Tann kam Goethe,
wie schon angedeutet,
erst 1810 wieder nach Dresden. Es war Mitte September.
Er kam von Teplitz und verweilte zehn Tage in Sachsens
Hauptstadt. Wie er jetzt in der Galerie empfangen wurde,
erzählt jene Malerin Luise Seidler, die, als Beamten-
tochter im Schlosse zu Jena geboren, Goethe von klein
auf flüchtig gekannt hatte, ihm seit dieser Zeit aber näher
trat. Lassen wir die Künstlerlin selbst erzählen:

„Eines Morgens, während ich in der Galerie
arbeitete, erscholl die Kunde: „Er ist da! Er ist auf
der Galerie!" „Ich habe ihn gesehen", rief Frommann,
„ich habe ihn gesprochen. Er ist in der besten Laune!"
Die Schwägerin meinte: „Ich weiß nicht, ob es nötig

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ist, ihm entgegen zu gehen. Ich denke, wir warten ihn
hier ab." Diese Meinung drang durch. Aber als die
imponierende Gestalt des Dichterfürsten, die trotz seiner
einundsechzig Jahre in voller männlicher Schönheit strahlte,
am äußersten Ende der Galerie sichtbar wurde, da flog
sie ihm doch schnell entgegen. Ich blieb allein, über-
rascht, verdutzt, zurück. In kindischer Verlegenheit darüber,
daß mir der Moment entschlüpft war, ihn auch gleich
zu begrüßen, flüchtete ich mich in eine Fenstervertiefung.
Hier hörte ich, wie Goethe näher kam und an meiner
Staffelei stehen blieb.

„Das ist ja eine allerliebste Arbeit, diese heilige
Cäcilie nach Carlo Dolci!" hörte ich sagen, „wer hat
sie gemacht?" Man nannte ihm meinen Namen; als er
ihn erfahren hatte, schaute er um die Ecke und sah mich
in meinem Verstecke stehen. Ich fühlte das Blut in meine
Wangen steigen, als
er mir liebreich
die Hand bot. In
väterlich wohlwol-
lendem Tone drückte
er seine Freude aus,
mir hier zu begegnen
und ein Talent, von
welchem er früher
nie etwas gewußt,
an mir zu finden."

„Wo wohnen Sie,
mein Kind?" fragte
er weiter.

An einer anderen
Stelle ihrer „Er-
innerungen" , er-
zählt die Seidler:

„Als meine Nach-
barin bemerkte, daß

Goethe später oft in der Galerie auf- und abwandelte
und über Gemälde sprach, bat sie mich, ihn gelegentlich
über die Bedeutung einer Schnecke zu fragen, welche im
Vordergründe einer gegenüber hängenden „Verkündigung
von Mantegna" — wir wissen heute, daß das Bild von
Fr. Cossa, nicht von Mantegna, herrührt — „angebracht
war. Ich benutzte einen günstigen Augenblick dazu, als
der Dichter am nächsten Morgen, wie gewöhnlich, die
Galerie besuchte. „„Diese Schnecke ist ein Zierrat, meine
Freundin, welche die Laune des Malers hier angebracht
hat (ich hole Sie heute im Wagen ab, wir fahren zusammen
sp azieren)" ", flüsterte
er mir inzwischen in
aller Schnelligkeit zu;
dann fuhr er in seinem
vorigen Tone fort:

„„Die Maler haben
oft solche Phantasien
und Einfälle, denen
nicht immer ein tiefer

Sinn zu Grunde
liegt.""

Das Bild hing an
einem der Pfeiler zwi-
schen den Fenstern der
inneren Galerie. Hier - ^ -

.. Goetbe. Nach einem Relief

treffen wir Goethe also unb°,ann,°r Hand um w,e.

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