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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schumann, Paul: Konstantin Meunier
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0337

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262

Konstantin Meunier.

von Paul Schumann.

ir haben in unseren Tagen auf dem Gebiete der
ästhetischen Wertung gar manches Merkwürdige
erlebt: mehr als einen haben wir in seinem Alter sang-
und klanglos dahingehen sehen, der vor Jahrzehnten ein

hochangesehener Künstler war; wir sahen anderseits, daß
jungen Künstlern, kaum daß sie an die Oeffentlichkeit
getreten waren, hohe Anerkennung zu teil wurde, die
ihnen vielleicht für ihre weitere Entwickelung zum Nach-
teil gereichte, wir erlebten aber auch zweimal das erhebende
Schauspiel, daß Künstlern, fast an der Schwelle des
Greisenalters, Plötzlich alle die Ehren und Erfolge zu-
fielen, die sie Jahrzehnte hindurch umsonst erstrebt hatten.
Bei Hans Thoma liegt dieses hocherfreuliche Ereignis
schon einige Zeit zurück, bei Konstantin Meunier,
dem Brüsseler Bildhauer, ist es kaum zwei Jahre her,
daß er gelegentlich einer größeren Sonderausstellung bei
Bing in Paris plötzlich als einer der ersten lebenden
Bildhauer gefeiert wurde, während vorher sein Name
kaum über seine engere Heimat hinausgedrungen war.
Der Triumph aber, den er in Paris gefeiert, wiederholte
sich alsbald in Dresden, in Berlin, in Wien: heute ist
der Name Konstantin Meunier überall bekannt, wo man
der Kunst nur einige Teilnahme entgegenbringt.

Meunier steht heute im 68. Lebensjahre. Er hat
ein hartes Leben hinter sich. In Brüssel als letztes von
sechs Kindern geboren, verlor er im Alter von zwei
Jahren den Vater; die Mutter mußte sich mühselig den
Lebensunterhalt für die Verwaisten durch Handarbeit ver-
dienen. Konstantins Bruder, der Kupferstecher I. B.
Meunier, leitete den ersten Zeichenunterricht des Knaben,
dann trat dieser in die Brüsseler Akademie, später in die
Werkstatt des Bildhauers Fraikin ein. Schon damals
war er ein begeisterter Anhänger der Antike, deren volles
Verständnis ihm freilich erst sehr viel später aufging.

Jedenfalls vermochte aber die damalige klassizistisch-konven-
tionelle Uebung der Plastik ihm nicht zu genügen, so
wandte sich Meunier, angeregt durch die Bilder des
„Malers der Armen", Charles Degroux, der Malerei zu.
Sein erstes Gemälde, das „St. Rochus-Spital" (1857),
stellt eine Krankenschwester dar, die den Leichnam einer
eben verstorbenen ärmlichen Frau wäscht. Aehnliche
Stoffe aus dem Leben der Armen, Verwaisten und Ent-
erbten, der Trappisten, der verfolgten Bauern u. s. w.,
sowie religiöse Stoffe beschäftigten Meunier auch in der
Folge. Sie entsprachen dem Ernst der Lebensauffassung,
den er sich in seiner freudlosen Jugend inmitten der Armen
erworben hatte. Im Jahre 1880 führte ihn ein Auf-
trag, sich mit Illustrationen an einem litterarischen Werke
zu beteiligen, in das belgische Bergwerks- und Industrie-
gebiet (le borinage). Hier packte ihn „die tragische und
wilde Schönheit" des Landes und des Lebens; es über-
kam ihn, wie er selbst schreibt, wie die Offenbarung eines
Lebenswerkes, das sich ihm Plötzlich aufdrängte. „Ein
unendliches Mitleid ergriff mich. Obwohl ich 50 Jahre
alt war, fühlte ich in mir unbekannte Kräfte, eine zweite
Jugend. Tapfer ging ich ans Werk. Das war kühn,
denn ach! ich hatte eine zahlreiche Familie."

Meunier hat sich seitdem ausschließlich der Schilderung
der belgischen Arbeiter, insbesondere der Bergleute, ge-
widmet; anfänglich that er es nur als Maler; plötzlich
aber, ohne viel nachzudenken, machte er das Standbild
des Hammermeisters: die Ideale seiner Jugend waren
wieder in ihm erwacht, der neue Stoff drängte ihn zu

Holzhauer. Konst. Meunier kec.

Bronzestatuette.
 
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