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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Voll, Karl: Die III. internationale Kunstausstellung in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0357

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278

Die III. internationale Kunstausstellung in Venedig.

Michettisäle enthalten trotz mancher vorzüglicher
Tierbilder weniges, das geeignet wäre, die italienische
Kunst aus dem Schlendrian einer gar zu glatten Technik
herauszuführen. Dagegen ist auf Künstler, wie Lino
Selvatico und Ettore Tito in dieser Beziehung
große Hoffnung zu setzen. Das ehrliche Naturstudium
des ersten, die frische Konzeption des zweiten finden in
der italienischen Abteilung nicht mehr ihresgleichen.
Wenn irgend einer berechtigt ist, Favrettos Erbe anzu-
trctcn, so wird es Tito sein, dessen künstlerisch so kühn



und doch leicht bewegte Frauenbilder das moderne Leben
so echt und wahr zum Ausdruck bringen.

Frankreich ist weder günstig noch charakteristisch
vertreten. Einige ältere Arbeiten von Dagnan Bou-
veret, Raffaelli und Gervex sieht man in Anbetracht
des historischen Interesses mit Freude, aber im ganzen
berührt das Vorherrschen des derben belgischen Pscudo-
realismus, der die französische Kunst der Gegenwart so
unheilvoll zu beeinflussen beginnt, höchst peinlich. Aus-
zunchmen ist eigentlich nurBesnards ausgezeichnetes,
aber fast verwegen frei konzipiertes Porträt der Schau-
spielerin Rejane, der einzige wirklich originelle französische
Beitrag zur Ausstellung. Wer Frankreichs Bedeutung
kennen lernen will, muß in den Saal der Skandinavier
gehen. Namen wieKroyer, Johansen, Liljefors,
Larsson, vor allem aber Anders Zorn sind nur die

ersten unter einer Schar tüchtiger, in französischer Schule
gebildeter Künstler. Wenn Liljefors mit einer pracht-
vollen Fuchsjagd und einer aufsteigenden Wildgansherde
unter den eben genannten vielleicht das beste geleistet hat,
so sind Interieurs von Larsson, die schon hart an die
Grenzen der reinen Kunst streifen und beinahe wie kunst-
gewerbliche Entwürfe aussehen, sowie die farbig wunder-
schönen, aber herzlosen Skizzen des Anders Zorn die
interessantesten Stücke der skandinavischen Säle. Insbe-
sondere giebt die Pracht von Zorns Farbe, die das an-
spruchsloseste Sujet aus dem nordischen Bauern- und
Kneipleben mit phantastischem Reiz erfüllt, einen Grund-
ton der Ausstellung an. Viggo Johansen ist unter
anderem mit der hier abgebildcten Bildnis-Gruppe aus
seinem Familienkreise vertreten. Das neuerliche Sehen
bestärkt den ungemein sympathischen Eindruck, welchen
das Werk auf der vorjährigen Münchener Ausstellung
gemacht hatte. Seinen skandinavischen Schülern gegen-
über erscheint Frankreich fast ärmlich; ein Urteil, das
sich natürlich nur auf die dürftige Vertretung in Venedig
bezieht.

Nach dem Favrettosaal hat die große Lenbach-
kollektion den meisten Erfolg. Der künstlich ver-
düsterte Raum mit den schweren, roten Damasttapetcn
aus dem Besitz des Barons Francchetti, besitzt als einzige
Dekoration die neunzehn Gemälde des Münchener Por-
trätisten und hat einen so unleugbaren Eindruck ge-
macht, daß Deutschland Wohl diesmal den meisten Ruhm
ernten wird. Es ist übrigens charakteristisch, daß von
den Italienern weniger die etwas einförmigen, und aus-
geschriebenen Werke der letzten Jahre bewundert werden,
als die viel solider, aber noch weniger selbständig ge-
malten aus früheren Epochen von Lenbachs wechselreicher
Laufbahn; besonders das Porträt Kaiser Friedrichs III.,
das durchaus auf altmeisterliche Wirkung angelegt ist,
wird viel besprochen. An diesen feierlichen Saal schließt
sich die deutsche Abteilung an, die einer solchen, auch
durch äußere Mittel verstärkten Konkurrenz gegenüber
natürlich einen schweren Stand hat. Die beiden Räume
dürfen Wohl als eine Generalprobe für die Pariser
Weltausstellung angesehen werden. Sie verdienen darum
unsere besondere Beachtung. Es ist traurig zu sehen,
daß Deutschland, trotz des lauten Erfolges im Lenbach-
saal, sich nicht sehr gut repräsentiert. Fast alle unsere
großen Namen fehlen. Die Beteiligung war recht flau,
so daß eigentlich der ganze Ruhm auf Lenbachs Namen
fällt. (laveant covsules, zu denen ja auch Lenbach
gehört. Immerhin bieten die feinen, aber sehr schlecht
aufgehängten Stimmungsbilder Ludwig Dills, einige
ganz alte und sehr interessante „schwarze" Liebermann,
ein Jägerstück von W. Leibl, voll unsäglicherFcinmalerei,
einen ansprechenden Ersatz für das Fehlende. Der Oester-
reicher Josef Engel hart hat mit seiner „Spanischen
Tänzerin" eine sehr bcachtenswerthe Leistung gebracht, die
sich von den teils veralteten, teils unverstanden modernen
Arbeiten seiner Landsleute vorteilhaft unterscheidet.

Die durchweg nicht sehr erfreuliche belgische Abtei-
lung ist mit Recht bei der französischen untergebracht.
Die holländische hat ihre Selbständigkeit gewahrt und ohne
etwas Neues zu bringen, hat sie sich doch auf ihrer be-
kannten Höhe erhalten. Die beiden Maris und W.
Mesdag sind wie immer die stärksten. Von Israels
wurde die beiden Ankerträger geschickt, die mir nachgerade
 
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