Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

DOI Artikel:
Hirth, Herbert: Villa Stuck
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0372

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2Z0

Villa Stuck.


Raum des Hauses; er scheint
auch von Stuck mit besonderer
Vorliebe durchgebildet worden
zu sein, trägt am meisten vom
individuellen Kunstcharaktcr
seines Schöpfers an sich und
darf als die gelungenste deko-
rative Schöpfung im ganzen
Haus gelten. Das vorwiegend
antike Gepräge dieses Raumes
entspringt nicht nur der Ver-
wendung antiker Formen und
Dekorationselemente; sie
herrschen nicht durchgängig
und sind mit der größten
Freiheit modernen Anforde-
rungen dienstbar gemacht.

Eher noch erzeugt die ver-
haltene Würde, das ernste,
feierliche Pathos des Ganzen
einen Stimmungseindruck, der
an Eindrücke antiker Kunst er-
innern möchte.

Die Dekoration ist auf
einen tiefen, sonoren Drei-
klang gestimmt: Schwarz,
dunkles, sattes Grün und leuchtendes Goldgelb,
drei starken, bestimmt ausgesprochenen Töne gehen durch
alle Teile des künstlerischen Schmuckes, sie verweben sich
ineinander, und das Spiegeln und Schimmern aller
Oberflächen trägt bei zu einem geheimnisvollen, magischen
Glühen, der Eindruck des Gemaches erhält dadurch,
namentlich bei künstlicher Beleuchtung, etwas so eigentüm-
lich Unwirkliches, Traumhaft-Zauberisches, wie man es
oft, zwar in ganz anderer Umgebung, aber ebenfalls als
eine Folge des Spiegelglanzes, in manchem schimmerndem
Salon des Rokoko empfindet. Dieses glänzende, polierte
Gepräge findet sein optisch-psychologisches Gegenstück an
dem Firnißglanz der satt aus der Tiefe leuchtenden Oel-
bilder des Malers.

Patinierte Bronzeplatteu mit leichtem ornamentalem
Reliefschmuck verkleiden im Wechsel mit poliertem Marmor
die Wände bis zu zwei Dritteilen ihrer Höhe hinauf; ihr
oberer Abschnitt aber, bis zu der schweren, prächtigen
Kassettendecke, auf der glänzendes Schwarz und grüner
Patinaton wechseln, erstrahlt im ungebrochenen Schimmer
venezianischen Goldmosaikes. Wie die Decke das farbige
Thema des Gemaches aufnimmt, neben dem Gold, des
oberen Wandstreifens die beiden anderen Farbenautori-
täten wieder nachdrücklich betont, -so wechseln auch im
Holzmosaik des Fußbodens grüne, gelbliche und schwarze
quadratische Platten, und aufs innigste verwebt klingt hier
der Dreiklang zusammen, dessen Töne oben einzeln an-
geschlagen wurden. Blickt man über den Boden hin, so
schwebt über ihm ein unbestimmter schillernder Glanz,
wie er von der Perlmutterschale ausgeht, jenem farbigen
Problem, an dem Stuck (in seinen Muschelstilleben) so oft
sich versucht hat. So meint man öfters in dem Hause
Farbenklängen zu begegnen, die man auf Bildern des
Malers schon gesehen hat.

Das Gold der Mosaikflächen oben an der Wand
aber klingt wieder in dem goldgelben Seidenschimmer der
Möbelbezüge. Diese polierten Mahagonimöbel, welche

unsere Abbildung erkennen läßt, beanspruchen em be-
sonderes Interesse. Sie wurden nach Stucks Zeichnungen
von dem Münchener Schreiner Hießmanseder gefertigt.
Es sind glückliche Neuschöpfungen, auch sie, dem Charakter
des Raumes entsprechend, in welchem sie stehen, eigent-
lich nur im Geiste der Antike verwandt. Zwar sind da
und dort, an den Füßen und Lehnen, vergoldete Abgüsse
nach Figuren und Zieraten der antiken Kleinkunst aus
dem Münchener Antiquarium in die Möbelkompositionen
sinnreich eingefügt. Aber die starre Gradlinigkeit,
welche der antikisierenden Dekoration des Empire bei-
spielsweise anhaftete, ist hier durch die schlanken, bieg-
samen Linien gemildert, welche das moderne Auge so
gern sieht und welche wir vielleicht wieder dem Vorbild
der englischen Mahagonimöbel aus der Zeit um die
Wende des vorigen Jahrhunderts verdanken — denn
alles war schon da. So ist die herbe, nüchterne Starr-
heit, welche für weniger selbständige Umbildungen antiker
Möbel so oft zur Klippe wurde, hier durch eine Zuthat
von modern-englischem Gepräge in anmutige Eleganz
umgewandelt, — in ähnlich glücklicher Verbindung, wie
einstmals im Louis-Seize ein Rest von Rokoko in den
im übrigen ä I'anU>qne gedachten Möbeln eine Ueber-
gangserscheinung von zarter Grazie hervorbrachte.

Von diesem Empfangsraum aus blickt man nach
rechts durch ein mächtiges Portal, zwischen feuerroten
Vorhängen hindurch in einen Musiksalon, der wie eine
Bühne oder ein dekoratives Gemälde auf den Anblick
von dieser Seite aus berechnet ist. Dieser bühnenartige
Charakter rechtfertigt es, wenn der Raum mit den stärksten
farbigen Effekten ausgestattet ist: er ist eben nicht für
den dauernden Aufenthalt berechnet; eine Zauberwelt der
Farben soll der Scheinwelt der Töne als Hintergrund
und Folie dienen.

Wie das Vestibulum die volle Wirkung dieser
Haupträume vorbereiten sollte, so geht die künstlerische
Absicht auf einen wohlthuenden Abklang aller dieser
 
Annotationen