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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Hirth, Herbert: Villa Stuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0373

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von vr. Herbert Hirth.

Farbigkeit, wenn man nnnmehr durch ein breites Tonnen-
gewölbe hindurch in ein kleines Wohngemach tritt, dessen
Wände mit Gobelins vollständig überdeckt sind. Ihr
weicher, verblichener Ton, der stumpfe Farbencharakter
der Teppiche und gepolsterten Sammtmöbel wirken jetzt
doppelt angenehm auf das Auge, weil sie ihm, nach den
glänzenden, spiegelnden Gegenständen, den bestimmten,
harten Formen im Empfangsraum ein wahrhaftes Be-
dürfnis sind.

Einfacher als die prunkvollen Repräsentationsräume
sind jene Gemächer, welche dem täglichen Gebrauch der Be-
wohner dienen. Das Speisezimmer, welches nun folgt (Abb.
a. S. 292), ist ein Raum von großen Dimensionen, in wel-
chem das braungebeizte Holz an der Decke und den Wand-
verkleidungen mit dem weißen, reinlichen Ton der Tünche
einen schlichten, kräftigen Kontrast erzeugt. Den Glanz,
die spiegelnde Traum- und Zaubersphäre der eben durch-
schrittenen Räume durch diese einfache Materialwirkung
abzulösen, darin liegt ein ästhetisches Raffinement, ver-
gleichbar jenem auf anderem Gebiet, welches nach den
feinsten Tafelgenüssen wieder zum Schwarzbrot greifen heißt.

Nun noch einen Blick ins Atelier (Abb. a. S. 293), zu
welchem man auf einer eigenen Treppe zur Rechten vom
Vestibül aus gelangt. Der Charakter der Werkstatt, des
alltäglichen Arbeitsraumes ist unterdrückt und demjenigen
einer ernsten, feierlichen Weihestätte der Kunst gewichen.
Von allem dem üblichen „malerischen" Atelierplunder ist
nichts zu finden; der Schmuck ist vorwiegend architekto-
nisch, und die Architekturformeu antik. Das Fußboden-
mosaik und die schwere Kassettendecke in ihrer impo-
nierenden, lichten Weite haben wieder starken farbigen
Charakter wie unten im Empfangsraum; aber er wird

2?t

hier ausgeglichen durch den ruhigen Ton der Gobelins,
welche zwischen den Pilastern an den Wänden sich aus-
breiten. Gleichwohl wird nur das stärkste Sehorgan es
vermögen, von diesen vollen Farbenlauten bei der Arbeit
sich weder verwirren noch übertönen zu lassen, sondern
sie als vorteilhaften Gradmesser und Maßstab der Palette
seiner eigenen Bildschöpfungen zu benützen.

Bei aller Repräsentation ist Stucks Haus in erster
Linie Familienhaus und umschließt als solches nicht mehr
Gemächer, als die Beschäftigung, Interessen und Gewohn-
heiten der Hausbewohner es gerade erfordern. Wohn-
räume, Atelier, Wirtschaftsrüume — das sind die drei
eigentlichen Bestandteile desselben. Sie sollten klar ge-
sondert werden. Jedes ein Komplex für sich. Darum
entspricht jedem dieser drei Teile eine eigene Treppen-
anlage. Durch diese Trennung wurde es möglich, die
Zimmer ineinander zu bauen, Korridore, Gänge zu
vermeiden, wie sie wohl für Hotels, Schulhäuser und
Kasernen passen, in Miethäusern ein leidiges Uebel sind
und im Eigenhaus erst recht ein Uebel. Die Abschließung
der Wohnräume von allem übrigen erhält ihren kon-
sequenten Ausdruck durch eine eigene Familientreppe,
welche ihrem Zweck gemäß nur schmal ist und doch den
Kern, das Zentrum der ganzen Hausanlage bildet, um
welche sich alle Wohnräume rundum gruppieren. Sie
ist nur zugänglich von dem Wohn- und Speisezimmer
aus, dem eigentlichsten Familienraum.

Durch den Wegfall der Vorräume, Gänge gewann
Stuck Raum. Das wollte er: wenig Räume, aber
möglichst große, weite Räume, möglichst viel Raum.
Das Haus Stucks ist wirklich „von innen nach außen"
gebaut, das Innere die Hauptsache. Man hat es so


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