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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Hirth, Herbert: Villa Stuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0374

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Villa Ztuck.

oft umgekehrt gehalten: die Fassade monumental gestaltet
und die Jnnenräume vernachlässigt. Es ist im Gegen-
satz dazu interessant, daß an Stucks Haus die äußere
Pforte kleiner und enger, die Thüröffnungen zwischen
den Wohnräumen hingegen durchweg weiter und mächtiger
sind als wir es sonst gewohnt waren. Eigentliche Thiiren
giebt es zwischen den Wohngemächern nicht: es sind
herausgenommene Wände, Maueröffnungen von der vollen
Höhe der Zimmer, unverschließbar, so daß der Prospekt,
das Fernbild und der farbige Kontrast der angrenzenden
Zimmer zur Wirkung jeden Gemaches unbedingt gehören.

Daraus entwickelt sich, aus dem Aufeinanderwirken
mehrerer Zimmer, der Gedanke einer Folge, einer Zimmer-
flucht. Aus dem Nebeneinander ein Nacheinander. Man
soll seinen Genuß haben in jedem Zimmer für sich, aber
auch seinen besonderen Genuß im Ruudgang, im ästhe-
tischen Scenenwechsel. Eine gewisse Hauptansicht jeden
Zimmers für den Eintretenden und eine bevorzugte
Richtung und Reihenfolge, in der die Gemächer nach-
einander zu durchschreiten sind, hat Stuck doch beab-
sichtigt. Und zwar hat er die Bildwirkung jeden Raumes
für den Eintretenden, den ersten, maßgebenden Eindruck
für ihn mit bewußtem Raffinement dadurch gesteigert,
daß er nie dem Fenster entgegenführt: die Lichtquelle
befindet sich immer entweder im Rücken oder zur Seite
des Eintretenden.

Die Räume sind groß, aber monumental werden
sie durch die gemessene Einfachheit und asketische Formen-
strenge des Inventars. Von der orientalisch-üppigen,
verwirrenden Uebersättigung des Makartateliers und der

Ueberladenheit des Boudoirgeschmackes geht ja schon längst
die Entwicklung zum einfacheren, entsagungsvolleren und
feineren Formenkultus. Der Schmuck soll womöglich
organisch aus der Architektur herauswachsen. Da sind
bei Stuck kaum aufgehängte Gemälde, höchstens in die
Mauer eingelassene. Dasselbe tektonische Gewissen, wenn
man so sagen darf, leitete ihn bei der Aufstellung seiner
antiken Abgüsse: er verfuhr streng nach antikem Relief-
gesetz.

Man hört gewöhnlich von der „griechischen" Villa
Stucks reden. Die Bezeichnung trifft für das Aeußere
nur halb zu und ist auch für das Innere nicht recht
treffend. Die griechische Antike spielt allerdings eine
ebenso bedeutende Rolle da drinnen, wie in der Phantasie-
welt seiner Bilder. Man kann geradezu von antiqua-
rischen Liebhabereien bei ihm sprechen. Das Haus
beherbergt Dutzende von Abgüssen nach bekannten Antiken,
die zumeist der griechischen Frühzeit angehören. Da
stehen unter anderen die Athens aus dem Aeginatempel
in der Glyptothek, die eilende Artemis des Neapler
Museums, das Demeterrelief aus Eleusis, der Jdolino,
Mädchenstatuen von der athenischen Akropolis. Um nur
die bekanntesten zu nennen.

Aber man erkennt sie zuerst kaum wieder. Denn
Stuck hat sie durchweg polychromiert. Wollte er sie
farbig restaurieren? Dachte er an Neuschöpsungen lediglich
nach eigenem Gefallen? Er hat gewiß vor Antiquitäten
nicht den Respekt des ausschließlich historisch Geschulten.
Er hört nicht auf ihr Xoli me tangere. In die Kacheln
eines Delfter Kamines hat er ungeniert gelb und grün
 
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