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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schumann, Paul: Deutsche Kunstausstellung Dresden 1899, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0379

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2Y6

Deutsche Kunstausstellung Dresden ^899. Hon Paul Schumann.

aus Pauwels' Schule in Dresden hervorgegangen ist,
hat mit feinem Empfinden und tüchtigem Können das
Gebiet betreten, das Vautier einst gepflegt hat.

Bei der Düsseldorfer Genossenschaft kommt nament-
lich Eduard von Gebhardt mit einer geistreichen
Skizze zum „Ungläubigen Thomas", einem unvollendeten
„Abendmahl" und einigen seiner ausgezeichneten Charakter-
köpfe zur Geltung.

Unter den Karlsruhern steht Graf Leopold v.
Kalckreuth oben an. Sein „Reitender Bauer auf dem
Acker" ist ungemein wahr und deutsch empfunden und
dabei sehr wirksam im Motiv. In natürlicher kräftiger
und ungeschminkter Auffassung zeigt ein dreigeteiltes Bild
drei Phasen eines ländlichen Lebens: das munter
lachende Mädchen, die hart arbeitende Mutter mit ihrem
Kinde und das ausruhende Greisenalter. Daneben be-
merken wir die „Heimkehr der Hamburger Werftarbeiter"
von Carlos Grethe, ein breit und stimmungsvoll ge-
maltes Seebild, unter den Landschaften einen „Abend am
Flusse" und einen „Spätsommertag" von Franz Hoch
und ein vorzügliches Herrenbildnis von Sigmund von
Sallwürk. Auch Hans von Volkmann und
Friedrich Kallmorgen sind bezeichnend vertreten.

In den Münchener Sälen finden wir u. a. die von
den vorjährigen Münchener Ausstellungen her bekannten
Werke: v. Habermanns „Herodias" u. a.,den „Schweine-
hirten und die Prinzessin" von Angelo Jank, Karl
Marrs „Madonna mit den anbetendcn Engeln", Walther
Firles „Heilige Nacht". Ten tiefsten Eindruck macht neben
L. Herterichs „Ophelia" die herb und düster empfun-
dene „Kreuzigung" von Louis Corinth, deren Wirkung
sich bei jedem neuen Schauen verstärkt. Auch Hermann
Urbans „Albanersee" ist ein mit Empfindung und
sicherem Können gemaltes Werk und Karl Haiders
„Gcwitterlandschaft" ist von mächtiger Stimmung. Stuck
ist mit einigen älteren Werken vertreten. Uhde und Leibl
fehlen. Das Lenbach-Kabinett mit seiner allerdings
nur kleinen Zahl von Bildnissen ist mit auserlesenem
Geschmack ausgeschmückt und angeordnet.

Aus München stammt auch das plastische Hauptstück
der Ausstellung, der große Bremer Brunnen von Rudolf
Maison mit dem glückhaften Schiff, der in der Mitte
der großen Halle steht. Neben Maison vertreten die
Münchener Plastik durch vortreffliche Werke Adolf
Bermann „Sterbende Sphinx", Ed. Beyrer d. I.
„Marmorbüste der Cäcilie", Georg Busch »aä astra:
(Holzbüste), Josef Floßmann „Becthovenbildnis" in
pentelischem Marmor, Hermann Hahn „Weibliche Büste
mit Hand" u. a., Pfann und Pfeifer „Büste und Reliefs
vom Ludwigsbrunnen zu Aschaffeuburg", sowie Franz
Stuck „Athlet", „Amazone" u. a.

Die Berliner haben mit Anton von Werners
„Neunzigstem Geburtstag Moltkes" und dem „Othello"
von Carl Becker die beiden einzigen Werke gesendet, die
in ganz ausgesprochener Weise die ältere Malerei dar-
bieten. Daneben finden wir Ludwig Knaus mit
einem seiner besten Bilder „Begräbnis auf dem Dorfe"
und Adolf Menzel mit drei Perlen seiner Kunst, zwei
kleinen, so ungemein fein durchgeführten und dabei so
charakteristischen Hofballbildern und einem feinen Aquarell

„Maurer bei der Arbeit". Ludwig v. Hofmann
giebt in seinen „blumenpflückenden Frauen" Wohl das
abgeklärteste Werk, das er bisher geschaffen, und Paul
Schultze-Naumburg zeigt in seiner ernst gestimmten
und groß angeschauten „Landschaft mit dem Reiter", daß
er die Forderungen, die er als Kritiker aufstellt, selbst
ohne Rest zu erfüllen vermag. Weiter finden wir von
Friedrich Stahl ein virtuos gemaltes italienisches
Sittenbild mit einer in Wirklichkeit blendenden brennenden
Laterne; von Dettmann eine mit nüchternem Ernst
wiedergegebene „Fischerhochzeit", Koners Bildnis des
Fürsten Herbert Bismarck, von Liebermann einen in
den Lichtwerten ungemein fein abgetönten „Kinderspiel-
platz", von Hans Herrmann ein reizvolles holländisches
Stadtbild, Willy Hamachers Meerbild „Brandung",
Skarbinas stimmungsvolle Landschaft „Am Mühlbach"
und Hugo Vogels „Mutter und Kind im Schatten eines
sonnig durchleuchteten Gebüsches".

Das Hauptstück unter den Berliner Skulpturen ist
Tuaillons ruhig und groß aufgefaßter „Siegcsreiter"
(in Gips), dessen Urbild in Bronze die diesjährige
Berliner Ausstellung ziert. Als ein Bildhauer von be-
deutendem Können und ernster persönlicher Auffassung
giebt sich Max Levi-Charlottenburg in zahlreichen Büsten
(Agnes Sorma) und sonstigen kleinen Werken zu er-
kennen. Hugo Lederers „Heide" ist das erfolgreiche Er-
gebnis des Strebens, eine Stimmung in einer plastischen
Gestalt zu verkörpern, während seine Gruppe „Triumph
der Arbeit" neben mancherlei ähnlichen Werken anderer
Künstler die Wirkung Meuniers sichtbar abspiegelt. Weiter
sind mit tüchtigen Werken vertreten Max Baumbach (aus-
gezeichnete Büste König Alberts), Werner Begas (Büste
seines Vaters), Ludwig Cauer (Gruppe zweier um
einen Schluck Wasser kämpfender Soldaten, Abb. s. Bilder-
Beilage), Stanislaus Cauer „Stirnbinder", Josef
Kowarczik-Frankfurt a. M. „Schaumünzen", Arthur
Lewin-Funcke „Streitende Knaben", Martin Schauß
„Plaketten", Rudolf Siemering „Sieger", Arnold
Kramer-Dresden „Friedrich Nietzsche im Lehnstuhl" nach
dem Leben, Hartmann-Maclean-Dresden „Tänzerin"
und „Tänzerpaar", endlich Richard König-Dresden
„Thürklopfer".

Unter den Weimaranern ragen hervor Max Thedy
„^.ckoratio crucis", v. Gleichen - Rußwurm und
Theodor Hagen, unter den Norddeutschen Hans Olde
„Mutterglück" und Julius v. Ehren „Bauernstube".

Der uns nur knapp zugemeffene Rauni, der unseren
Bericht schon mehr als wünschenswert zu einer Auf-
zählung gemacht hat, hindert uns, auch noch auf die von
Prof. Lehrs zusammengestellte, ausgezeichnete Uebersicht
der deutschen Griffelkunst einzugehen, die bis auf Büchels
Sixtinische Madonna nur Origiualwerke der Lithographie,
der Radierung und des Holzschnittes enthält und dadurch
ihr besonderes Gepräge erhalten hat. Die Karlsruher
erweisen sich hier als die thätigsten und erfolgreichsten.

Ueberhaupt aber zeigt die Deutsche Kunstausstellung
Dresden 1899 die deutsche Kunst auf einer hohen Stufe
des Könnens und den Entwicklungsgang der deutschen
Malerei, der durch die moderne Strömung in neue
Bahnen gelenkt wurde, in voller Klärung begriffen.
 
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