Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

DOI article:
Kessler, Harry: Der deutsche Künstlerbund
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0199

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
zu folgen, und die ihm beim Kampfe hilft, den es
um seinen rechten Platz vor den Vielen kämpft.

Denn es steht fest, dass in der Kunst nur die
Ausnahme Wert hat; kein Fleiss, keine Gesinnung,
keine Richtung, nur die Eigenart. Alles Andre ist
nicht nur weniger wert, sondern Nichts wert. Es
ist Nichts und hat kein Recht, wie Etwas behandelt,
berücksichtigt, gehängt zu werden.

Deshalb ist die Kunst nie gefördert worden,
als durch Mächte, die die Eigenart geschützt und
begünstigt haben, wie die grossen Gefühls-
erneuerungen: die griechische Tragik, das franzis-
kanische Christentum, die eine neue Welt von
Empfindungen als Rohstoff neuer Genies schufen,
oder wie die grossen Mäcene, die so weit nützten,
so weit sie irgendeiner Eigenart Raum und Ge-
legenheit gaben, sich frei zu entfalten.

Der deutsche Künstlerbund will eine Macht
dieser Art aus den verbundenen Kräften der echten
und eigenartigen Künstler selber schaffen. Er soll
der deutschen Kultur ein Arm, und nötigenfalls
eine Faust werden, die die Eigenart in der Kunst
schützt und deren rechte Geltung durchsetzt.

Diese Aufgaben kann die alte Kunstgenossen-
schaftnichtlösen. Im Gegenteil. Sie vertritt das andre
Prinzip. Denn ihre Organisation beruht auf dem
allgemeinen Stimmrecht Aller, und Jeder kann ihr
beitreten, der irgendwie etwas Kunst macht. In
ihren Beschlüssen und Massnahmen kommen also
gerade die Vielen zu Wort, die von Natur der Eigen-
art feindlich sind; von einer Bevorzugung des noch
bedrohten Talentes nicht zu reden.

Die Secessionen dagegen haben Eine von diesen
Aufgaben schon seit Jahren glänzend in Angriff
genommen: Ausstellungen, die nur die Eigenart
aufnehmen, nicht die Masse der „anständig", aber
unpersönlich, gemalten Bildware.

Die Secessionen nun sollen als lokale Ver-
einigungen weiterbestehen. Aber die Ausstellungen
werden jetzt durch den Künstlerbund noch be-
deutungsvoller und gewählter werden können.

Neue, starke Kräfte, die den Secessionen fernge-
blieben waren, sind dem Künstlerbund beigetreten.

Und ausserdem umfasst der Künstlerbund ganz
Deutschland; jede Secession dagegen nur eine Stadt,
einen Landstrich.

Secessionsausstellungen gab es deshalb jedes
Jahr gleichzeitig mehrere; der Künstlerbund wird
immer nur Eine veranstalten.

Das ist bedeutungsvoll. Denn die Secessionen
konnten jede nur aus den Werken der Künstler
Einer Gegend wirklich frei wählen. Und diese Künst-
ler standen leicht in ihrer Mehrzahl unter gleichen
Einflüssen. So konnte manchmal der Schein ent-
stehen, als ob eine Secession irgend eine „Richtung"
verträte; während die „Richtung" in der Kunst,
die Abdankung der Eigenart vor dem Rezept, gerade
das ist, wogegen die Secessionen gegründet sind.

Aber auch wirklich bietet das Zusammensein
verwandter Talente ohne Beimischung anders ge-
richteter eine Gefahr. Das Gemeinsame hallt so laut,
dass das Persönliche manchmal übertönt wird und
seiner selbst vergessen kann. Die Eigenart wird sich
ihrer klarer bewusst, wenn sie sich an unähnlichen
Talenten reiben muss. Besonders wenn sie den Kampf
ernst nimmt; nicht, wie Berlin bisher in München
und München in.Berlin, nur die halbe Kraft ein-
setzt. Der Zusammenschluss alles Bedeutenden in
einer Ausstellung wird deshalb das echte. Talent
noch mehr auf sich selbst hinweisen. Mit dem
Schein der „Richtung" wird auch die wirkliche
Gefahr schwinden, dass die Persönlichkeiten ein-
ander wie gewisse alte Ehepaare ähnlich werden.

Auch den materiellen Zweck von Elite-Aus-
stellungen : .dem Talent den Markt zu erobern, wird
der Künstlerbund noch besser erreichen als die
Secessionen. Denn ungünstig hierfür war die Zer-
splitterung des Marktes durch die drei oder vier
gleichzeitigen Secessions-Ausstellungen; für Mün-
chen noch mehr als für Berlin, weil dort das ein-
heimische Käuferpublikum nicht so gross ist wie
in Berlin. Der Künstlerbund wird dagegen die
Aufmerksamkeit von ganz Deutschland auf Eine
Ausstellung hinlenken. Und da diese Ausstellung
zwischen Nord-, Süd- und Mitteldeutschland wech-
seln wird, so kommt trotzdem ein ebenso grosser,
oder noch grösserer Kreis mit ihr in nahe Be-
rührung. Der Markt wird zugleich einheitlicher und
weiter werden.

Eine andere Aufgabe, die durch St. Louis grell
beleuchtet worden ist, haben die Secessionen ohne
ihre Schuld und weil sie einzeln zu schwach waren,
nicht zu lösen vermocht: dem deutschen Talent auf
fremden internationalen Ausstellungen seinen rechten
Platz zu sichern, — zuerst gegenüber der deutschen
Mittelmässigkeit und dadurch dann gegenüber der
fremden Kraft. Der Künstlerbund wird dagegen
diese Aufgabe bestimmt lösen. Denn die Macht ist

103
 
Annotationen