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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Heilbut, Emil: Aus der neunten Ausstellung der Berliner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0391

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A. OBERLÄNDER, SCHWEINEHEERDE

BERLINER SECESSIONS-AUSSTELLUNG

Auffallend ist, wie stark von Deutschland aus
die Abteilung der Porträts beschickt worden ist.
Das sowohl durch Brio wie durch die Verlebendi-
gung der Persönlichkeit bevorzugteste Bildnis der
deutschen Abteilung ist von Max Slevogt. Dar-
gestellt ist die Marietta, eine kreolischeTanzsängerin,
die in Berlin in einem Cabaret auftritt. Slevogt
dankt dieser Arbeit, wie ich glaube, zum ersten Mal,
wenigstens in diesem Umfang, das Glücksgefühl
eines starken populären Erfolges. Wie sehr gönnt
man ihn ihm! Dieser lebhafte Erfolg hängt augen-
scheinlich mit dem Sujet zusammen (das Original
ist noch weitaus reizender und jugendlicher). Mo-
ralisten können hieraus ihre Schlüsse ziehen. In
einer Stadt, die nicht weiter von uns liegt als Paris
werden in den Gemäldeauktionen des Hotel Drouot
wie zur Bestätigung dieser Lehre Frauenporträts von
berühmten Meistern mit dem Drei- und Vierfachen
des Preises bezahlt, den Bildnisse von der gleichen
Qualität, die aber Männer darstellen, von denselben
Meistern erzielen. Hieran wird man erinnert, so-
bald man daran denkt, dass eine so vorzügliche
Leistung wie Slevogts schwarzer Andrade an den
Berlinern vorüberging, ohne dass jenes Wispern und
Weben, Raunen und Photographieren einsetzte,
das jetzt das Auftreten von Slevogts Marietta be-
gleitet. Und doch war jener Andrade Don Juan,
während diese Marietta kaum Zerlinchen ist.

Man könnte fragen, warum Slevogt der Mari-
etta nicht ein spanisches oder zigeunermässiges
Kostüm gegeben hat. Er hat Recht gethan; das
Brettlhafte kam durch ein nichtspanisches Kostüm
mehr zum Ausdruck als in einem spanischen Ge-
wände — besonders noch, weil die Figuren, die
im Hintergrund zu der Scene gehören, sich bemühen,
spanisch auszusehen. Eine andere Frage aber stellt
man mit mehr Grund: warum Slevogt der Marietta
nicht ein wirklich modernes Kostüm vom Brettl
gegeben hat sondern eines von Slevogtscher Erfin-
dung. Hiermit in engem Zusammenhang steht die
Frage, warum er die kleine, puppenhafte und runde
Gestalt des Originals ein wenig und doch fühlbar
in die Länge zog und sie nerviger, nervöser und
leidenschaftlicher machte. Es ist nicht sowohl
wichtig, den Umstand festzuhalten, dass das Bildnis,
was den Körper betrifft, nicht sehr ähnlich geblieben
ist, als es Interesse verdient, sich damit zu beschäf-
tigen, warum Slevogt diesen Körper anders — von
der runden, glatten Schönheit abgekehrt — gab.
Und damit kommt man zu der leidenschaftlichen
Abwendung Slevogts von der „Schönheit", die
ihn auch bei den Sklavinnen seines Bildes vom
Ritter im Haremszelt zu Gestaltungen greifen
Hess, welche sein Ritterbild unpopulär machten.
Dieses Mal hat er sich in dieser Beziehung Zurück-
haltung auferlegt, die Spur seines leidenschaft-

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