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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 1
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Rumpf, Fritz: Posdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0038

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POTSDAM, BURGSTRASSE 38. ERBAUT UNTER GON'TARDS EINFLUSS

wie andere Gegenden der Mark. Von dem Auf-
schwung, den ihm der rege Verkehr der Durch-
reisenden und gelegentlich ein kurzes Hoflagerseiner
Landesherren wohl gebracht hatten, war sicher-
lich kaum noch etwas zu merken, als der grosse
Kurfürst das „aide Hauss" zu einem Schloss aus-
baute, dem stattlichsten unter den vielen Lust-
schlössern, mit denen er seine Hauptstadt Berlin in
weitem Kranze umgab. Auch in der Stadt und
deren nächster Umgebung waltete dieser Herrscher
als nutzbringender, kunstliebender Bauherr. Der
prachtliebende erste Preussenkönig schmückte das
Schloss seines Vaters reicher aus und erweiterte es.
Den zum Teil schon beseitigten alten Stadtgraben
Hess er vollends zuschütten und als Strasse anlegen.
Vor dem grünen Tor entstand unter ihm der An-
fang einer neuen Vorstadt. Bei seinem Tode war
aber Potsdam immer noch nicht über die Arm-
seligkeit eines dorfähnlichen Städtchens hinaus-
gekommen.

Erst Friedrich Wilhelm L, der den Beinamen
der „Soldatenkönig" führt, den man aber mit
ebenso gutem, ja mit besserem Rechte den „Bau-
könig" nennen könnte, entwickelte in seiner Lieb-
lingsresidenz Potsdam eine grosszügige und unge-

mein lebhafte Bautätig-
keit, die fast ausschliesslich
der Stadt und nicht dem
Schlosse galt.

Am Ende der sieben-
undzwanzig Jahre währen-
den Regierung Friedrich
Wilhelms I. hatte sich die
Stadt über mehr als das
Dreifache des bisher ein-
genommenenGeländes ver-
breitet. Zweckmässigkeit
galt dem König, als oberste
Rücksicht bei seiner Bau-
thätigkeit. Da war es un-
vermeidlich, dass das Ge-
samtbild der neuen Stadt
recht einfach und einförmig
wurde. Das „Uniform-
wesen" ist uns heute ganz
vertraut und erscheint uns
mehr als notwendiges
Übel, denn als Vorzug.
Damals war es noch ziem-
lich neu und wurde als
wertvolle Errungenschaft
geschätzt. In Preussen ganz besonders. „Die
neu angelegten Strassen gefielen dem König nicht
anders, als wenn deren Häuser eine in Reih' und
Glied stehende Anzahl Soldaten vorstellten, wenn
die Dacherker über dem zweiten Stockwerke gleich-
sam den Grenadiermützen glichen", schreibt Manger.
Der Vergleich ist nicht übel, und wirkt noch tref-
fender, wenn man sich vorstellt, dass ein Anstrich
der Häuser in Weiss und Orange etwas militärische
Farbenfreudigkeit in die steinernen Bataillone
brachte.

Wenn man heute durch die noch ziemlich un-
verändert erhaltenen Teile der Innenstadt Potsdams
nördlich der Brandenburger Strasse geht, dann hat
man wohl das Gefühl der Steifheit und Nüchtern-
heit, das allem Parademässigen einigermassen an-
haftet. Der lustigere Farbenton des früheren An-
strichs ist heute durchweg dem unvermeidlichen
weiss-grau-gelb gewichen. Man glaubt eine Parade
in Feldgrau zu sehen. Nur das hier und da frisch
aufgeschminkte Rot der holländischen Häuser
stimmt etwas freudiger. Was aber die alten Farben
der Häuser an Frische wohl voraus hatten, das
wurde wieder zunichte gemacht durch die unab-
lässige Wiederkehr des nämlichen Farbengegen-

'Hm
 
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